Ansicht der Kathedrale von Notre Dame im Dezember 2019 in Paris
Reuters/Charles Platiau
Erstmals seit 1803

Keine Christmette in Notre-Dame

Das erste Mal seit über zwei Jahrhunderten wird die Kathedrale von Notre-Dame zu Weihnachten nicht ihre Pforten öffnen. Das wurde am Samstag offiziell bestätigt. Auch wenn die Arbeiten an der Brandruine im Herzen von Paris vorankommen: Die Messe, auf die nicht einmal während des Zweiten Weltkriegs verzichtet wurde, muss verlegt werden.

Der verheerende Brand der Kathedrale auf der Seine-Insel Ile de la Cite ist inzwischen acht Monate her. Am 15. April wurden der hölzerne Dachstuhl und das Bleidach zerstört, ein Turm in der Mitte stürzte bei dem Feuer vor laufenden Kameras ein – eine nationale Tragödie für Frankreich.

Die traditionelle Christmette in dem Pariser Kathedrale hätte heuer wohl ein enormes Publikum angezogen. Am Samstag kündigte die Gemeinde jedoch an, der Dekan von Notre-Dame, Patrick Chauvet, werde die Mitternachtsmesse stattdessen in der Kirche Saint-Germain l’Auxerrois am Louvre feiern.

Streit über Wiederaufbau

Allein während der Zeit um die Französische Revolution wurden in Notre-Dame keine Gottesdienste gefeiert. Das 1793 von Frankreichs Revolutionären geplünderte und verwüstete gotische Meisterwerk wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von Grund auf restauriert. In den Jahren ab 1803 konnten die Pariser allerdings immer in der Kathedrale Weihnachten feiern, sogar während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Die Geschichte der Kathedrale reicht bis ins Jahr 1163 zurück, als der Bau unter Bischof Maurice de Sully begann. Erst knapp 200 Jahre später wurde Notre-Dame vollendet.

Feuerwehrleute im Kampf gegen das Feuer in der Kathedrale Notre Dame in Paris
APA/AFP/Francois Guillot
Nationale Tragödie: Im April ging Notre-Dame in Flammen auf

Die Arbeiten zur Absicherung der Kathedrale sind derweilen im Gang und kommen voran. Sie sollen auch über die Feiertage teilweise weitergehen. Der eigentliche Wiederaufbau soll 2021 beginnen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat eine Wiedereröffnung der gotischen Kirche bis 2024 versprochen – für viele ein zu ehrgeiziger Plan. Die vergangenen Monate waren bestimmt vom Streit darüber, wie die Kathedrale nach dem Wiederaufbau aussehen soll.

Spitzturm-Entscheidung erst 2021

Macron hatte überraschend den Fünf-Sterne-General Jean-Louis Georgelin zum Sonderbeauftragten für den Wiederaufbau bestellt. Dieser war zunächst damit aufgefallen, mit Chefarchitekt Philippe Villeneuve in Streit zu geraten. Villeneuve befürwortet eine historische Rekonstruktion des zerstörten Spitzturms, Macron eher „kreativen Wiederaufbau“ in moderner Form. Georgelin ließ den Architekten öffentlich wissen, dieser solle „den Mund halten“. Die Frage des Spitzturms stelle sich erst Anfang 2021, so Georgelin.

Die Zerstörung nach dem verheerenden Brand der Kathedrale von Notre Dame in Paris im April 2019
AP/Christophe Petit Tesson
Zerstörung nach dem Brand. Inzwischen gehen die Arbeiten gut voran

„Wir werden dann die beste Wahl für Notre-Dame, für Paris und die Welt treffen“. Inzwischen scheint die Atmosphäre besser. „Ich verstehe mich sehr gut mit dem General“, sagte Villeneuve kürzlich der Zeitung „La Croix“. Man teile „die gleiche Leidenschaft für Notre-Dame, den Wunsch, schnell zu arbeiten“.

Auslöser des Brandes vom April war Ermittlern zufolge vermutlich eine brennende Zigarette oder ein Kurzschluss bei Bauarbeiten am Dach. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Brandstiftung. Notre-Dame zählt neben dem Eiffelturm, dem Louvre oder dem Grand Palais seit 1991 zur UNESCO-Welterbestätte „Ufer der Seine“. Die Kathedrale zieht alljährlich 13 Millionen Besucher an.