Präsentation des FPÖ-Historikerberichts
APA/Herbert P. Oczeret
FPÖ-Historikerbericht

Blick in Geschichte, keine „Selbstgeißelung“

„Es gibt ein Naheverhältnis zum Nationalsozialismus“, bestätigt der Historiker und frühere Mitarbeiter von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Thomas Grischany. Er ist einer der Autoren des am Montag präsentierten FPÖ-Historikerberichts. Das sei „kein großes Geheimnis und historisch erklärbar“. Nun sei das aber auch von einer von der FPÖ kommissionierten Gruppe benannt worden.

Mit Verspätung wurde der Bericht kurzfristig noch am Tag vor Weihnachten präsentiert. FPÖ-Chef Norbert Hofer spricht in seinem Vorwort zu dem Bericht von einem Ausleuchten der „Schattenseiten unserer Geschichte“. Mit dem Bericht will er sich nun der Verantwortung stellen.

„Mit der Geschichte unserer Partei – und zwar mit jenen Aspekten, die auch Belastung für uns sind – haben wir uns zu lange nicht auseinandergesetzt“, gesteht Hofer ein. Die Partei sei aber bereit, sich weiterzuentwickeln, „Fehler zu korrigieren und uns für das zu entschuldigen, was unentschuldbar erscheint“. Der Präsentation des Berichts am Montag blieb er aber fern.

Präsentation des FPÖ-Historikerberichts
APA/Herbert P. Oczeret
Grischany, Generalsekretär Christian Hafenecker und Andreas Mölzer (v. l. n. r.) präsentierten am Montag den FPÖ-Historikerbericht – ohne Parteispitze

Auflistung von „Einzelfällen“

Auch FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl sieht den Bericht als „Beweis, dass sich die FPÖ ihrer Vergangenheit gestellt hat“. Es werde aber keine „Selbstgeißelung“ vorgelegt. Abseits der Tagespolitik wollte die von der FPÖ eingesetzte Historikerkommission die Vergangenheit der Partei näher beleuchten.

Zum Thema „Einzelfälle“ in der FPÖ gibt es nur eine Auflistung der Vorkommnisse und wie die Partei damit umgegangen ist – vorgelegt von FPÖ-Generalsekretär Hafenecker. In zwei Fällen führte das Verhalten der Funktionäre zu einem Ausschluss aus der Partei. Die anderen zitierten 31 Fälle seien haltlos gewesen, so Hafenecker in dem Bericht.

Keine Nachfrage bei Burschenschaften

An dem Bericht wirkten FPÖ-nahe Wissenschaftler wie der Historiker Lothar Höbelt, FPÖ-Vertreter, aber auch Mitglieder anderer Parteien wie etwa der ehemalige SPÖ-Politiker Kurt Scholz mit. Sie arbeiteten die Vergangenheit der Partei von der Vorgängerorganisation Verband der Unabhängigen (VdU) bis zum „Liedgut des Farbstudententums“ aus. Höbelt widmete sich der Entwicklung der FPÖ im „Kernland“ Oberösterreich in einem eigenen Kapitel – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Der Historiker Mario Strigl schrieb zum Liedgut, dass die Erfahrungen vergangener Jahre gezeigt hätten, dass die „Freiheit“ der Verbindung, sich ihre Liederbücher selbst zusammenzustellen, „nicht immer der beste Weg ist, da mitunter moralisch und ideologisch verwirrte Personen Zusatzstrophen zu Liedern ‚dichten‘ und in ihren Verbindungsliederbüchern publizieren, die bestenfalls als abstoßend zu qualifizieren sind“.

Anlass für die FPÖ-Historikerkommission war ja die NS-Liederbuchaffäre um die Burschenschaft des niederösterreichischen FPÖ-Politikers Udo Landbauer. Einen Blick in die Archive gewährten die Burschenschaften aber nicht. Entsprechend wurden die FPÖ-Verbindungen zu Burschenschaften nicht untersucht. Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Berichts verwies FPÖ-Generalsekretär Hafenecker auf die Datenschutzgrundverordnung als Hindernis. Er gab aber zu, dass es im Zuge der Recherchen auch keine Anfrage bei Burschenschaften gegeben habe.

Thomas Langpaul (ORF) zum FPÖ-Historikerbericht

ORF-Innenpolitik-Redakteur Thomas Langpaul kommentiert die Inhalte des Berichts der Historikerkommission über die FPÖ.

Jahrelange „Distanz“

Scholz, der über die Entwicklung von der FPÖ-Vorgängerorganisation VdU bis zur Einsetzung der Historikerkommission schrieb, thematisierte die jahrelange „Distanz der FPÖ gegenüber der Geschichts- und Gewissensforschung anderer Parteien (…)“. Zudem sieht er bis in die Gegenwart bzw. zur Regierungsbeteiligung der FPÖ noch einen deutlichen „Kontrast zwischen Aussagen von FPÖ-Regierungsmitgliedern, die sich um größtmögliche politische Korrektheit (…) bemühen, und gleichzeitigen Internet-Likes und Liederbuch-Vorfällen, welche die Glaubwürdigkeit der Aussagen der FPÖ-Spitzenpolitiker mindern oder zumindest eine mangelnde Durchsetzungskraft der Parteispitze gegenüber Teilen der eigenen Partei und deren Sympathisanten vermuten lassen“.

„Herzstück“ soll ausgebaut werden

Als „Herzstück“ des Berichts bezeichnete Grischany am Montag den Beitrag des Historikers Michael Wladika. Dieser untersuchte die NSDAP-Mitgliedschaften von Anbeginn. Der Teil sei aber noch nicht abgeschlossen. „Es ist ein Prozess, den wir hiermit angestoßen haben“, sagte Grischany.

Man könne aber „nicht ernsthaft behaupten, dass die FPÖ in ihrem innersten Wesenskern durch Nazi-Gedanken zusammengehalten wird und dieses Gedankengut bis heute die maßgebliche Quelle für ihre Politik ist“. Es sei eine „unglaubliche Diffamierung“, die einzelnen Funktionäre und die freiheitlichen Wähler pauschal als rechtsextrem zu qualifizieren, übte Grischany auch Kritik an den Kritikern.

Distanz zu Antisemitismus

Mehrfach zu finden ist eine dezidierte Ablehnung des Antisemitismus. Dieser habe „in unserer Gemeinschaft keinen Platz“, heißt es in dem Kapitel „Zur Einbegleitung“. Dafür gibt es ein klares Bekenntnis zur „deutschen Sprach- und Kulturgemeinschaft“. Der ehemalige FPÖ-EU-Abgeordnete Mölzer wiederum trug für den Bericht „Materialien“ zusammen, die die Haltung Straches zu Israel darstellen sollen. Strache habe als FPÖ-Chef „keine Gelegenheit ausgelassen, sich von der nationalsozialistischen Ideologie und jeglichem Antisemitismus zu distanzieren“, schrieb Mölzer. Diese Ansicht untermauert er mit Aussendungen und Zitaten des ehemaligen FPÖ-Chefs.

Entsprechend fanden auch zwei Beiträge von israelischen Wissenschaftlern Eingang in den Bericht. Doch diese gelten unter Kollegen als umstritten. Im Interview mit der „Presse“ meinte etwa der israelische Historiker Moshe Zimmermann, dass Mordechai Kedar „so weit rechts“ stehe, „dass er meines Erachtens in der Lage wäre, mit der FPÖ gemeinsame Sache zu machen“. Der zweite, bereits emeritierte israelische Historiker, Raphael Israeli, sorgte laut „Wiener Zeitung“ vor zwei Jahren für Aufsehen, als er vorschlug, arabische Israelis in Lagern zu inhaftieren, da es nicht möglich sei, diese in die Gesellschaft zu integrieren.