Irischer Reisepass
Getty Images/iStockphoto/Gerard Lynch
Brexit-Folge

Irischer Pass als Exportschlager

Der Brexit soll am 31. Jänner 2020 endgültig vollzogen werden – um die EU-Mitgliedschaft nicht zu verlieren, haben sich Tausende Britinnen und Briten im Vorfeld darum bemüht, Staatsbürgerschaften anderer Länder zu erwerben. Besonders viele Menschen haben dabei ihre irischen Wurzeln entdeckt.

Im zu Ende gehenden Jahr, berichtete der britische „Guardian“ am Freitag, seien mehr als 900.000 irische Reisepässe ausgestellt worden – in Spitzenzeiten seien an einem einzigen Tag mehr als 5.800 Anträge aus der ganzen Welt eingetrudelt. Allein mindestens zehn Prozent der britischen Bevölkerung – Nordirland nicht eingeschlossen – haben nach Angaben von Neale Richmond, EU-Beauftragter der Regierungspartei Fine Gael im irischen Senat, Anspruch auf einen irischen Pass.

Möglich macht dies das liberale Staatsbürgerschaftsrecht: Um Ire oder Irin zu werden, genügt es, wenn ein Großeltern- oder Elternteil in Irland geboren wurde – der Antragsteller oder die Antragstellerin selbst muss niemals in dem Land gelebt haben.

Doppelte Staatsbürgerschaft erlaubt

Nach Angaben der Regierung in Dublin gab es 2018 etwa 183.000 Anträge auf einen irischen Pass aus Großbritannien. Rund 85.000 davon kamen aus Nordirland – dort Geborene haben grundsätzlich Anspruch auf beide Pässe. Gut 98.000 Anträge stammten aus dem restlichen Großbritannien – ein Anstieg von 22 Prozent im Vergleich zu 2017. Sowohl in Irland als auch in Großbritannien ist die doppelte Staatsbürgerschaft erlaubt.

Hinweisschild am Flughafen von Dublin
Reuters/Phil Noble
Angesichts des Brexits besannen sich viele ihrer irischen Wurzeln

Bevölkerung wächst rasant

Die 4,8 Millionen Einwohner zählende Republik Irland hat dadurch Hunderttausende neue Bürgerinnen und Bürger gewonnen. „Summiert man Geburtenrate, Neu-Passanträge und formelle Neu-Staatsbürgerschaften, wächst die Zahl der irischen Staatsbürger inzwischen um circa 5,1 Prozent jährlich. Würden all diese Menschen auch ihren Wohnsitz nach Irland verlegen, entspräche das dem weltweit größten prozentualen Bevölkerungswachstum“, analysierte der deutsche Journalist und Autor Frank Patalong in seinem Blog.

Das ist freilich nicht der Fall, die meisten wechseln ihren Wohnort nach der Einbürgerung nicht. Vielmehr symbolisiert der Anstieg die Angst vor den Folgen des Brexits. Als Ire oder Irin erhofft man sich, weiter die Vorzüge einer EU-Mitgliedschaft genießen zu können, einschließlich etwa des Erwerbs einer Europäischen Krankenversicherungskarte oder des Zugangs zum Hochschulprogramm Erasmus.

Logistisch gut gerüstet

Logistisch konnten die Iren den Ansturm auf ihr Passamt dank technischer Nachrüstungen bewältigen. Helen McEntee, Staatsministerin für europäische Angelegenheiten, sagte dem „Guardian“: „Der ausgezeichnete Kundendienst des Passport Service, der Anfang dieses Jahres eingerichtet wurde, kann über sein Telefon- und Webchatsystem 10.000 Anfragen pro Woche bearbeiten und so den Antragsprozess so reibungslos wie möglich gestalten.“

Protest-Plakat an der Grenze zwischen Irland und Nordirland
APA/AFP/Paul Faith
In Nordirland wird im Angesicht des Brexits stärker über die Option einer Vereinigung mit der Republik Irland diskutiert

Von zehn auf 44 in Österreich

In Österreich halten sich Einbürgerungsanträge britischer Staatsbürger sehr in Grenzen, doch hat sich die Zahl zwischen 2016 und 2018 immerhin mehr als vervierfacht, wie aus Dokumenten der Statistik Austria hervorgeht. 2015 und 2016 lag sie noch bei je zehn, 2017 bereits bei 24. 2018 kam es erneut beinahe zu einer Verdoppelung: 44 Briten wurden im vergangenen Jahr Österreicher. Briten waren 2018 damit hinter Deutschland (274) und Italien (52) die drittgrößte Gruppe Eingebürgerter aus den alten EU-Ländern, also jenen vor der Erweiterung 2004.

Auch in anderen EU-Ländern nahm die Zahl der britischen Anträge stark zu. Von 2016 bis 2018 nahmen 17.000 Briten die deutsche Staatsbürgerschaft an – das waren weit mehr als doppelt so viele wie in den 15 Jahren davor. In Portugal schoss die Zahl der Anträge von 62 im Jahr 2015 auf über 500 im Jahr 2018 hoch. „Einen beträchtlichen Anstieg“ der Zahl von Briten, die eine Staatsbürgerschaft beantragten, registrierte man auch in Italien – unter ihnen war auch ein besonders prominenter: Schauspieler Colin Firth wurde aus Protest gegen den Brexit und dank seiner italienischen Ehefrau Doppelstaatsbürger.