Das Regierungsprogramm – es soll rund 300 Seiten umfassen – wird wie die Ministerliste Donnerstagnachmittag öffentlich gemacht. Zuvor werden Kurz und Kogler zu Mittag zunächst Bundespräsident Alexander van der Bellen in der Hofburg gemeinsam die Einigung präsentieren. Damit ist nur noch die Zustimmung der Grünen Gremien Freitag und Samstag notwendig, um die erste Koalition von ÖVP und Grünen auf Bundesebene sicherzustellen. Gibt es ein Ja, folgt die Woche darauf die Angelobung und vermutlich auch die Regierungserklärung im Nationalrat.
Kurz wiederholte erneut, dass die Positionen beider Parteien weit auseinanderlagen. Man habe sich nicht auf Minimalkompromisse herunterverhandelt: „Es ist gelungen, das Beste aus beiden Welten zu vereinen.“ Kurz sprach demgemäß von einem „sehr guten Ergebnis“. Und er betonte, es sei möglich, beides zu vereinbaren: Das Klima und die Grenzen zu schützen. Zudem kündigte er eine Entlastung und Ökologisierung des Steuersystems an.
Einigung steht
Kurz und knapp haben die Parteichefs von ÖVP und Grünen, Sebastian Kurz und Werner Kogler, die Einigung auf die Koalition präsentiert. Sie drückten einander gegenseitige Wertschätzung aus – Details zum Regierungsprogramm gibt es am Donnerstag.
Gegenseitiges Lob
Auch Kogler betonte, man habe es sich nicht leicht gemacht. Aber man sei auch nicht gewählt worden, um es sich leicht zu machen. Beim Klimaschutz solle Österreich zum Vorreiter werden. Auch bei den Änderungen des Steuersystems gebe es Einigungen. Kogler nannte einen weiteren grünen Kernpunkt und sagte, es würde mehr Transparenz und Informationsfreiheit geschaffen werden. Beide Seiten bedankten sich für die Verhandlungsbereitschaft der jeweils anderen Seite. Und Kogler betonte, es habe beide Seiten die Überzeugung von Bundespräsident Alexander van der Bellen geeint: „Wer seine Heimat liebt, der spaltet sie nicht.“
Bis zuletzt dürfte noch über die eine oder andere Kompetenz in den Ressorts debattiert worden sein. So war etwa noch unklar, welche Bereiche an Vizekanzler Kogler wandern und wer grüner Staatssekretär wird und für welche Agenden dieser zuständig wird. Logisch wäre an sich ein Posten im Finanzressort, doch der dafür bestens geeignete Verhandler Josef Meichenitsch ist ein Mann und damit würde die grüne Vorgabe, wonach mindestens 50 Prozent des Teams Frauen sein sollen, nicht eingehalten. Laut „Salzburger Nachrichten“ könnte statt ihm die frühere EU-Parlamentarierin Ulrike Lunacek Staatssekretärin im Vizekanzleramt werden.
Kultur an Blimlinger?
Noch für Kunst und Kultur im Gespräch war bis zuletzt Eva Blimlinger. Sollte den Grünen im letzten Moment entgegen den bisherigen Informationen noch ein Ministerium zufallen, könnte es doch einen männlichen Finanzstaatssekretär geben. Ebenfalls noch offen war, wer für Frauenpolitik zuständig sein wird.
ÖVP installiert mächtige Generalsekretäre
Die unter der ÖVP-FPÖ-Regierung eingeführten Generalsekretäre wird es auch unter ÖVP-Grün weiter geben. Die ÖVP hat bereits erste Namen – gegenüber „Presse“ und „Tiroler Tageszeitung“ – verraten. Ex-Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal wird Generalsekretär im Außenministerium, Kanzler Sebastian Kurz holt sich seinen früheren Kabinettschef Bernd Brünner ins Kanzleramt.
Dieter Kandlhofer, der bis zur Abberufung der ÖVP-Regierung im Juni im Kanzleramt Generalsekretär war, wechselt jetzt ins Verteidigungsressort. Und der am 1. April 2019 berufene Dieter Schuster wird – nach kurzer Pause wegen der „Ibiza-Affäre“ – im Finanzministerium wieder der „oberste Beamte“.
Beamtenregierung verzichtete darauf
Formal eingeführt und im Bundesministeriengesetz verankert hatte die mächtigen Generalsekretäre die türkis-blaue Regierung im Jahr 2017. Demnach ist ein – ohne Ausschreibung ernennbarer – Generalsekretär der „unmittelbare Vorgesetzte aller Sektionsleiter im Bundesministerium sowie Vorgesetzter aller dem Bundesministerium nachgeordneter Dienststellen“. Die Beamtenregierung hatte auf die Generalsekretäre verzichtet. Ob die Grünen welche ernennen werden, ist noch nicht bekannt.
Weitere Namen bestätigt
Zuvor waren die Namen weiterer Regierungsmitglieder bestätigt worden: Karl Nehammer wird Innenminister, Klaudia Tanner (beide ÖVP) übernimmt als erste Frau in der Geschichte das Verteidigungsministerium, hieß es – mehr dazu in noe.ORF.at. Weiters soll Alexander Schallenberg Außenminister bleiben. Der oberösterreichische Landesrat Rudolf Anschober soll aufseiten der Grünen Sozialminister werden und auch Gesundheitsagenden übernehmen – mehr dazu in ooe.ORF.at.
Mit dem Vorarlberger Magnus Brunner gibt es außerdem einen ersten Staatssekretär der künftigen Regierung. Der ÖVP-Politiker wird der grünen Ministerin Leonore Gewessler im Umwelt- und Infrastrukturministerium zur Seite gestellt. Der promovierte Jurist ist seit 1. Jänner 2007 Vorstand der OeMAG Abwicklungsstelle für Ökostrom AG – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.
Insgesamt 15 Regierungsmitglieder
Bereits am Dienstag wurde bekannt, wie sich ÖVP und Grüne die künftigen Ressorts aufteilen. Die ÖVP soll mit elf Mitgliedern in der Regierung vertreten sein, die Grünen mit vier. Darüber hinaus werden ÖVP und Grüne jeweils eine Staatssekretärin oder einen Staatssekretär nominieren. Zuletzt bestätigte die ÖVP, dass Christine Aschbacher Arbeits- und Familienministerin wird – mehr dazu in steiermark.ORF.at. Die Grünen nominierten Alma Zadic als Justizministerin.
Bisher waren auf ÖVP-Seite Susanne Raab als Integrationsministerin und Karoline Edtstadler als Europaministerin bestätigt worden. Auch die als Landwirtschaftsministerin gesetzte Elisabeth Köstinger sowie Margarete Schramböck (beide ÖVP) als Wirtschaftsministerin wurden von der Partei bisher nicht dementiert. Damit stellen Frauen einen großen Teil des künftigen Regierungsteams, im ÖVP-Lager sogar die Mehrheit.
Fixstarter für die ÖVP
Als Fixstarter aufseiten der ÖVP gelten neben Raab und Edtstadler auch Gernot Blümel als Finanzminister. ÖVP-Obmann Kurz soll Medienberichten zufolge als Bundeskanzler auch für den Bereich Medienpolitik zuständig sein. Für das Bildungsministerium soll Medienberichten zufolge Heinz Faßmann im Gespräch sein, der dieses Amt schon in der ÖVP-FPÖ-Regierung bekleidete.
Der Parteiunabhängige hatte allerdings in Interviews immer wieder erklärt, nicht mehr als eine Funktionsperiode in der Politik sein zu wollen. Nachdem der Regierung aber das Misstrauen ausgesprochen wurde, verwies Faßmann darauf, dass er eine „normale Legislaturperiode“, die eben fünf Jahre dauert, gemeint habe.
Bei den Grünen gesetzt sind Kogler und Gewessler. Die ehemalige politische Geschäftsführerin der Umweltorganisation Global 2000 soll ein Superressort erhalten, in dem die Bereiche Umwelt, Verkehr, Infrastruktur, Energie, Technologie und Innovation vereint sind. Darüber hinaus sollen die Grünen die Agenden Justiz, Kultur, Soziales und Gesundheit erhalten.
SPÖ fordert sozialen Zusammenhalt
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner begrüßte, dass es nun endlich eine Einigunge auf eine neue Regierung gebe. Diese sei daran zu messen, ob sie "die Lebenssituation für die Österreicherinnen und Österreicher verbessert“ und den sozialen Zusammenhalt stärke, so Rendi-Wagner Mittwochabend in einer Aussendung. Sie kritisierte erneut, dass die Arbeitsmarktpolitik aus dem Sozialressort ausgegliedert wird.
FPÖ-Chef Norbert Hofer warf der ÖVP vor, ihr Wahlversprechen zu ignorieren und Österreich in eine „Linksregierung“ zu drängen. Hofer widersprach Kurz’ Darstellung, die FPÖ habe ihre starken Verluste nicht als Auftrag zu Regieren gesehen. „Nach dem ersten Sondierungsgespräch zwischen mir und Kurz war bereits ein Gespräch in größerer Runde avisiert – Kurz entschied sich dann aber für den weiteren Weg der Sondierungen exklusiv mit den Grünen.“
NEOS kritisierte, dass für ÖVP und Grüne „derzeit offenbar Namen wichtiger sind als Inhalte“. „Da haben sich die Menschen von Türkis-Grün doch deutlich mehr Substanz erwartet“, so NEOS-Generalsekretär Nick Donig, der forderte, die Verhandler müssten rasch die Inhalte vorlegen, die man dann mit „konstruktiv-kritischem Blick“ bewerten werde.