ÖVP-Chef Sebastian Kurz
ORF.at/Christian Öser
Sebastian Kurz

Mit neuem Partner zurück im Kanzleramt

Neues Jahr, neues Glück: Nach einem turbulenten Jahr 2019 kehrt ÖVP-Chef Sebastian Kurz ins Bundeskanzleramt zurück – mit einem neuen Regierungspartner und unter gänzlich anderen Vorzeichen. Nach der Koalition mit der SPÖ unter Kanzler Christian Kern und dem letztlich gescheiterten Experiment mit der FPÖ hat Kurz mit den Grünen binnen weniger Jahre nun schon den dritten Koalitionspartner.

Für Kurz war 2019 ein schwieriges Jahr, das erste seit vielen, in dem es nicht nur aufwärts ging. So endete nicht nur sein Prestigeprojekt der ÖVP-FPÖ-Koalition mit dem „Ibiza-Skandal“, er wurde auch noch von einer Rot-Blau-JETZT-Mehrheit aus der Regierung geworfen – eine Demütigung für den erfolgsverwöhnten Jungkanzler.

Sein steiler Aufstieg wurde aber nicht gestoppt: Vom JVP-Politiker im „Geil-o-mobil“ schaffte er, der einst von Michael Spindelegger und Johannes Hahn gefördert wurde, es mit nur 24 Jahren ins Integrationsstaatssekretariat. Schon zwei Jahre später war er Außenminister und dann kurz Vizekanzler. 2017 wurde er schließlich Bundeskanzler, ehe das jähe Ende im Mai 2019 folgte.

Wahlkampf nicht ohne Tücken

Auf die Rückkehr ins Parlament verzichtete er und tourte dafür durch das Land, mit Wanderungen und Auftritten begann er früh den Wahlkampf – ein Wahlkampf, bei dem allerdings auch nicht alles nach Wunsch lief. Der Auftritt bei einem religiösen Event in der Wiener Stadthalle war Kurz sichtbar unangenehm. Auch als bekanntwurde, dass im Bundeskanzleramt Festplatten geschreddert wurden und im Sommer zudem ÖVP-Interna – offensichtlich nach einem Hack – an die Öffentlichkeit kamen, musste er sich oft unangenehmen Fragen stellen. Doch der Rest des Wahlkampfs verlief wieder nach Plan, Kurz punktete durch eine ganz eigene Art von Volksnähe und fuhr im September einen fulminanten Wahlerfolg ein.

Weniger Optionen als gedacht

Obwohl Kurz noch im Wahlkampf sich die Fortsetzung einer Mitte-rechts-Regierung gewünscht hatte, war bald klar, dass für die ÖVP die Regierungsoptionen nicht so breit gestreut waren wie rein arithmetisch möglich: Die noch immer mit den Folgen des „Ibiza-Skandals“ und dem Umgang mit Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache beschäftigte FPÖ sah das Wahlergebnis nicht als Auftrag, in eine Regierung zu gehen – und nahm sich damit selbst aus dem Spiel.

Auch die bei der Wahl abgestrafte SPÖ musste sich vor allem mit Interna auseinandersetzen – ganz abgesehen davon, dass Kurz eine Kooperation mit den Sozialdemokraten, höflich formuliert, nicht unbedingt eine Herzensangelegenheit zu sein scheint.

Neue Herausforderungen

Blieben die Grünen, mit denen es nach langen Verhandlungen schließlich tatsächlich geklappt hat. Vor allem die internationale Presse wundert sich über die Flexibilität von Kurz, sowohl mit der FPÖ als auch mit den Grünen einen Pakt schließen zu können. Allerdings: Als starrer Ideologe ist Kurz nicht bekannt.

Dennoch warten nun in seiner zweiten Kanzlerschaft ganz andere Hauptaufgaben als in der ersten: Von den Grünen sind zwar keine Ausritte nach ganz außen zu erwarten wie von der FPÖ, doch werden sie der viel kritischere Koalitionspartner sein, mit dem man in etlichen Fragen ideologisch so gar nicht harmoniert, weshalb die Zusammenarbeit in Europa auch ziemlich einzigartig ist.

Rückhalt durch Vertraute – und die ÖVP-Strukturen

Die Spitze der Grünen hat Kurz schon von sich eingenommen, das größere Kunststück wird sein, das auch bei deren launischer Basis zu bewerkstelligen. Und: Auch die eigenen Wählerinnen und Wähler, vor allem jenen Zehntausenden, die die ÖVP der FPÖ abgeluchst haben und denen die Grünen alles andere als grün sind, muss Kurz von der Sinnhaftigkeit der Koalition noch überzeugen.

Um das zu schaffen, vertraut Kurz auf das, was ihn groß gemacht hat: ein engmaschiges Netzwerk an Vertrauten. Seit Jahren umgibt er sich mit demselben Beraterstab, und diejenigen in der Partei, die nicht zum engsten Kreis gehören, werden auf dem Laufenden gehalten. So schaffte es Kurz, dass in der ÖVP eine über Jahrzehnte nicht gekannte Ruhe eingekehrt ist.

Neu ist allerdings, dass bei der nunmehrigen Regierung – anders als unter ÖVP–FPÖ – die Länder und Bünde der Volkspartei wieder allesamt ausgeglichen vertreten sind. Und das spricht dafür, dass Kurz mit einigem Respekt an die neuen Herausforderungen herangeht.