ÖVP-Chef Sebastian Kurz
APA/Herbert Pfarrhofer
Neue Regierung

ÖVP-Vorstand einstimmig für Koalitionspakt

Während es bei den Grünen noch einigen Diskussionsbedarf über das Koalitionsprogramm gibt, hat bei der Sitzung des ÖVP-Bundesparteivorstands Freitagvormittag Einigkeit geherrscht. Der Koalitionspakt und die ÖVP-Regierungsmannschaft wurden einstimmig angenommen.

„Das Regierungsprogramm ist das Beste aus beiden Welten. Beide Parteien konnten zentrale Versprechen umsetzen. Es ist ein gutes Programm. Wir freuen uns darauf, für unser wunderschönes Land arbeiten zu dürfen“, sagte ÖVP-Chef Sebastian Kurz bei einer verspäteten Pressekonferenz am Freitag nach dem Parteivorstand.

Kurz stellte erneut seine Regierungsmannschaft vor. Da der bisherige Generalsekretär Karl Nehammer nun ins Innenministerium wechselt, wird Axel Melchior, ebenfalls ein langjähriger Wegbegleiter von Kurz, diese Position übernehmen. Melchior fiel bisher vor allem als begabter Netzwerker auf, blieb aber meist im Hintergrund.

ÖVP-Chef Sebastian Kurz mit seinem Regierungsteam.
APA/Herbert Pfarrhofer
Das erste Gruppenfoto: Kurz stellte nach dem Parteivorstand seine ÖVP-Regierungsmitglieder vor

Koalition keine Liebesheirat

Die ÖVP-Landeshauptleute zeigten sich mit dem Koalitionsprogramm zufrieden. Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter freute sich über das „Transitkapitel“. Für seinen Vorarlberger Kollegen Markus Wallner geht es „in die richtige Richtung“. Der Salzburger ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer zeigte sich zuversichtlich, dass die Koalition fünf Jahre halten werde. Der steirische Landeschef Hermann Schützenhöfer sieht die große Herausforderung darin, dieses „Programm zu verwirklichen und in der Etappe im Detail nicht zu verwässern“.

Zurückhaltender äußerte sich die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Nach den langen Regierungsverhandlungen sei es nun an der Zeit, die Arbeit in den Mittelpunkt zu stellen. Eine Koalition sei keine Liebesheirat, sondern es gehe darum, Verantwortung zu übernehmen, so die Landeschefin. Auch von Wirtschaftsbund-Präsident Harald Mahrer gab es Lob. Schmerzliche Punkte für die Wirtschaft im Regierungsprogramm bezeichnete er als „Phantomschmerzen“.

„Optimistisch“ für Zusammenarbeit

Schon am Tag zuvor hatte sich Kurz im ZIB1-Interview „sehr optimistisch“ gezeigt, dass die Zusammenarbeit mit den Grünen fünf Jahre halten werde. Es fänden sich beide Seiten gut im Regierungsprogramm wieder, aber es sei naheliegend, dass die Volkspartei mit 37 Prozent der Stimmen in deutlich mehr Ministerien Verantwortung übernehme.

Sebastian Kurz (ÖVP) im Interview

Im ZIB-Interview will Hans Bürger (ORF) vom designierten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) u. a. wissen, ob es je eine ausgeglichene Regierung geben kann.

Die Grünen können laut Kurz ihre Versprechen nun beim Kampf gegen den Klimawandel und für mehr Transparenz einlösen. Dasselbe gelte für die Steuersenkung und die Migration für die ÖVP: „Es muss allen klar gewesen sein, dass wir unseren Kurs bei der Migration nicht ändern.“ Der koalitionsfreie Raum beim Migrationsthema sei ein Krisenmechanismus, der nur zur Anwendung komme, wenn es keine Einigung mit dem Koalitionspartner gebe, betonte Kurz auf die Nachfrage eines Journalisten. Er gehe davon aber nicht aus.

Mindestsicherung soll bei Ländern bleiben

Keinen neuen Vorstoß will Kurz offenbar bei einer einheitlichen Regelung der Mindestsicherung machen. Der Verfassungsgerichtshof hatte das Modell der ÖVP-FPÖ-Regierung erst kürzlich gekippt: „Ich halte das in der Sache für schlecht, aber wir leben in einem Rechtsstaat, und das ist daher zu akzeptieren.“ Die Länder hätten nun die Möglichkeit, die Mindestsicherung selbst zu gestalten.

Kurz deutete in der Pressekonferenz zudem an, dass für das Bundesheer neue Flieger beschafft werden könnten. Im Regierungsprogramm gibt es ein Bekenntnis zu Luftraumüberwachung, ohne dass auf die Beschaffung neuer Flieger eingegangen wird. Kurz sagte nun, dass man sich darauf geeinigt habe, dass von Expertenseite im Verteidigungsministerium ein Vorschlag kommen solle. Er sprach von einem „notwendigen Verlauf der Dinge“, der mit den Experten im Ressort, der Ressortführung und der Regierungsspitze entschieden werde. Man werde dabei „kostengünstig und steuerschonend agieren“.

Wöginger hat keine Eile bei Ökologisierung

Einige Themen wie Steuerreform und CO2-Bepreisung haben noch keinen konkreten Zeitplan. Die ÖVP will offenbar vor allem bei ihren eigenen Themen voranpreschen, wie aus einem Ö1-Interview mit dem am Freitag erneut zum ÖVP-Klubobmann gewählten August Wöginger hervorgeht. Zuerst solle das Budget erstellt werden, danach wolle man mit der Steuerentlastung fortfahren. Es solle die Taskforce für ökologische Ansätze bei der Steuerreform eingerichtet werden, andere Ansätze, die im Pakt klar definiert seien, sollten aber gleich kommen, so Wöginger.

„Wir haben ja eine fünfjährige Legislaturperiode, und daher muss nicht alles auf einmal abgearbeitet werden, sondern sukzessive und Schritt für Schritt“, erklärte Wöginger am Freitag angesprochen auf Pläne wie etwa die Ökologisierung der Lkw-Maut, das Pendlerpauschale oder die Flugticketabgabe – mehr dazu in oe1.ORF.at.

Unverständnis über die erst für 2022 vorgesehene ökosoziale Steuerreform äußerte die Klimabewegung „Fridays for Future“. Rund 100 Demonstrierende bildeten am Freitag eine Menschenkette um das Bundeskanzleramt – als symbolischer Akt für eine raschere Ökologisierung des Steuersystems. Kritisiert wurde auch, dass das 1,5-Grad-Ziel nicht im Regierungsprogramm erwähnt wurde.

Ministergespräche bei Van der Bellen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen wollte die Ministergespräche mit den Kandidaten und Kandidatinnen beider Parteien am Freitag abschließen. Stimmt der Grüne Bundeskongress am Samstag in Salzburg zu, kann bereits am Dienstag die Angelobung stattfinden. Dann soll auch festgelegt werden, wann die Regierungserklärung von Kurz im Nationalrat stattfindet – derzeit werden Donnerstag und Freitag in der kommenden Woche als mögliche Tage genannt.