Waldbrände im Snowy Valley
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Bis zu 46 Grad erwartet

Reservisten zu Bränden in Australien gerufen

Auch am Wochenende ist nicht damit zu rechnen, dass sich die Lage bei den Buschfeuern in Australien entspannt. Die Temperaturen sollen auf bis zu 46 Grad steigen, damit könnte sich die Situation weiter zuspitzen. Australiens Premier Scott Morrison greift nun zunehmend auf das Militär zurück: 3.000 Reservisten werden einberufen – das könnte den Druck auf den Premier noch weiter erhöhen.

Auch das Kriegsschiff „HMAS Adelaide“ soll für die Evakuierung aus Küstenstädten herangezogen werden, hieß es am Samstag. Die „Adelaide“ soll den Bewohnern der Bundesstaaten New South Wales and Victoria bei der Evakuierung helfen. Zwei weitere Schiffe, die „MV Sycamore“ und die „HMAS Choules“, sind bereits vor der Stadt Mallacoota im Einsatz.

Wegen der Buschfeuer wurden Tausende Menschen aus mehreren Küstenstädten im Südosten des Landes in Sicherheit gebracht. Den Behörden zufolge war es die größte Evakuierungsaktion in der Geschichte Australiens in Friedenszeiten. Bei den schweren Bränden sind dem Premier zufolge seit September 23 Menschen ums Leben gekommen. Bei einem Brand in einem Nationalpark auf der bei Touristen beliebten Känguru-Insel waren zuletzt zwei Todesopfer hinzugekommen. Mehr als fünf Millionen Hektar Land sind zerstört worden – eine Fläche von der Größe Belgiens. Hunderte Häuser und Gebäude wurden vernichtet.

Känguruhs
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Ein Känguru in Snowy Valleys – einem Teil des Bundesstaats New South Wales. Der Staat kämpft seit Monaten mit Bränden.

Erstmals derart viele Reservisten herangezogen

Ein Zwei-Sterne-General sei mit der Beaufsichtigung der Bekämpfung der Buschbrände durch das Militär beauftragt worden, sagte Morrison. „Die Regierung hat diese Entscheidung nicht leichtfertig gefällt“, so Verteidigungsministerin Marise Payne. Es sei das erste Mal in der Geschichte Australiens, dass Reservisten in so großer Zahl herangezogen würden.

„Die heutige Entscheidung bringt mehr Füße auf die Erde, mehr Flugzeuge in die Luft, und mehr Schiffe auf See“, sagte Morrison. Die australische Armee unterstützt die Einsatzkräfte im Kampf gegen die Buschbrände bereits seit Monaten mit rund 2.000 Streitkräften sowie mit Erkundungsflügen und Logistik.

Druck auf Morrison steigt

Die Buschfeuer, die seit Monaten in Australien wüten, wurden längst auch zum Politikum. Vor allem Premierminister Scott Morrison zieht den Zorn auf sich – schon in den vergangenen Tagen war er mit scharfer Kritik konfrontiert. In Cobargo wütete zu Silvester ein Feuer und zerstörte große Teile der Ortschaft. Am Tag danach besuchte der Premier den Ort – dort schlugen ihm Wut und Verzweiflung der Bewohnerinnen und Bewohner entgegen.

Rauchwolken bei Braemar Bay in New South Wales
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Rauch und roter Himmel sind zum Alltag im östlichen Australien geworden

Der australische TV-Sender Channel 9 legte immer wieder Piepser über das Video des Premierbesuchs. Für die Ohren der Zuseherinnen und Zuseher fielen die Beschimpfungen offenbar zu wüst aus. Morrison musste den Besuch schließlich abbrechen. Die unvorteilhaften Bilder waren zu dem Zeitpunkt aber schon aufgenommen: Sowohl ein freiwilliger Feuerwehrmann als auch eine schwangere junge Frau weigerten sich, dem Regierungschef die Hand zu geben. In beiden Fällen hielt das den Premierminister aber nicht davon ab, nach den Händen seines Gegenübers zu greifen – nur um sich dann schnell wieder abzuwenden.

In einem späteren Statement versuchte Morrison noch Schaden abzuwenden: Er verstehe den Ärger der Menschen. Und falls sich dieser „gegen mich richtet, ist es ihre Sache“. Er werde sich davon nicht ablenken lassen. Vielmehr fühle er mit den Menschen. „Ich verstehe das. Ich nehme es nicht persönlich“.

„#WhereTheBloodyHellAreYou“

Der Vorfall ist freilich ein weiteres mediales Puzzlestück im öffentlichen Bild Morrisons, das sich seit Beginn der Brände zunehmend schwerer ins rechte Licht rücken lässt. Im Dezember etwa flog der Premierminister mit seiner Familie nach Hawaii, während in Australien die Brände wüteten, und sorgte damit bei vielen Menschen für Unverständnis. Morrison brach den Urlaub schließlich vorzeitig ab.

Zu diesem Zeitpunkt war der Hashtag „#WhereTheBloodyHellAreYou“ in Sozialen Netzwerken bereits vielfach geteilt worden. Den Slogan hatte Morrison in seiner Zeit als Chef der australischen Tourismusbehörde von der Werbeagentur M&C Saatchi entwickeln lassen. Nun verwendeten Nutzerinnen und Nutzer den Satz allerdings, um fehlendes Engagement des Regierungschefs anzuprangern.

„Das Willkommen, das er verdient hat“

Dabei sind es nicht nur Morrisons parteipolitische Gegner, die dem Regierungschef Fehlverhalten vorwerfen. Am Freitag veröffentlichte der britische „Guardian“ den Brief eines Australiers, der darin schreibt, „bisher immer“ die liberale Partei Morrisons gewählt zu haben. „Aber nach allem, was meine Familie in den vergangenen drei Tagen erlebt hat, kann ich nicht länger eine Regierung oder Partei wählen, die sich dazu entschieden hat, dem Klimawandel und seinen verheerenden Effekten einfach zuzuschauen“, schreibt Angus Macfarlane.

Feuerwehrmann in Australien
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Die Feuerwehrleute stehen den Bränden in Australien oftmals hilflos gegenüber

Auch direkt aus der eigenen Partei musste sich Morrison Kritik gefallen lassen. Die Einwohnerinnen und Einwohner von Cobargo hätten dem Premierminister „das Willkommen bereitet, das er vermutlich verdient hat. Ich würde zum Premierminister sagen: ‚Die Nation will, dass sie das Scheckbuch öffnen‘“, sagte der Transportminister von New South Wales und Morrison-Parteifreund Andrew Constance. Der Politiker hätte in den Feuern beinahe sein eigenes Haus verloren.

Der vom Parteichef der Liberalen zur kritischen Stimme avancierte John Hewson warf Morrison am Donnerstag in einem Kommentar fehlende Führungsqualitäten vor. Morrison tue zu wenig, um Australien auf die künftigen ökologischen und ökonomischen Herausforderungen vorzubereiten. „Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie selbst einen Schlauch gegen die Brände richten. Aber die Menschen erwarten sich zu Recht, dass Sie umgehend darauf reagieren und zugleich eine eigene längerfristige Strategie erarbeiten“, schrieb Hewson in der australischen Tageszeitung „The Age“.

Doppelte Kritik

Genau dieser zweifachen Kritik sah sich Morrison zuletzt vermehrt ausgesetzt. Zum einen warfen ihm viele Menschen vor, er habe nicht schnell und vehement genug auf die Brandkrise reagiert. Zum anderen monierten Kritiker, dass der Premierminister als überzeugter Kohlebefürworter nichts oder zu wenig im Kampf gegen den Klimawandel unternehme.

Tatsächlich hatte Morrison nach dem Ausbruch der Brände im August lange Zeit zurückhaltend reagiert – auch was die Bereitstellung finanzieller Mittel betraf. So stimmte er etwa erst nach langem Zögern und unter steigendem Druck zu, die großteils ehrenamtlich arbeitenden Feuerwehrleute finanziell zu entschädigen.

„Das ist eine Naturkatastrophe“

Zugleich weigerte er sich, in den Buschbränden die Folge einer verfehlten Klimapolitik zu sehen. Erst am Donnerstag verteidigte er die Politik seiner Regierung bei einer Pressekonferenz in Sydney. „Ich verstehe die Angst, ich verstehe die Frustration, aber das ist eine Naturkatastrophe, die am besten auf ruhige, systematische Art behandelt wird.“ Er nehme die Erderwärmung ernst, so Morrison. Er betonte zugleich, dass er seine Politik nicht auf Kosten der Wirtschaft ändern werde.

Allerdings sagte Morrison inzwischen seine für den 13. Jänner geplante Indien-Reise ab, wie am Freitag Indiens Premier Narendra Modi bestätigte. Australiens Gas- und Kohleexporte wären bei dem Besuch weit oben auf der Agenda gestanden. Morrisons Regierung machte sich seit Langem für eine Kohlemine stark, die die indische Adani-Gruppe in Australien in Betrieb nehmen will.

Klimawandel lässt Brandrisiko steigen

Dass mittlerweile große Teile von Australiens Südosten in Flammen stehen, hat auch mit den steigenden Temperaturen zu tun. Dazu kommt eine seit Langem anhaltende Trockenheit. Sie wurde heuer durch eine natürlich auftretende Schwankung im Indischen Ozean noch einmal verstärkt. Das als Indischer-Ozean-Dipol bekannte Phänomen sorgte dafür, dass vor Australiens Küste kaltes Wasser aus der Tiefe des Meeres emporstieg. Dadurch bildeten sich weniger Wolken, und im Frühjahr blieben Niederschläge aus.

Klimaforscher gehen jedenfalls von einem deutlich gestiegenen Brandrisiko in Australien durch den Klimawandel aus. Der Kieler Klimaforscher Mojib Latif sprach gegenüber der dpa von „klaren Indizien“. Die Brände seien in gewisser Weise anhand der Modellrechnungen in der Region zu erwarten gewesen. Teile Australiens liegen laut dem Wissenschaftler genau in dem Breitengradgürtel, in dem Klimamodelle Rekordhitze gepaart mit Rekordtrockenheit vorhergesagt hätten.