Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein
Bundeskanzleramt
Video

Bierleins Botschaft zum Abschied

Die scheidende Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein hat sich einen Tag vor der Angelobung der neuen Regierung von den Österreicherinnen und Österreichern in einem Video verabschiedet. Bierlein appellierte, die Demokratie nie als selbstverständlich zu betrachten. Alle Jungen, vor allem Frauen forderte sie auf, zum Wohle des Landes „sich bietende Chancen zu ergreifen“.

Es ist das erste Mal, dass eine abtretende Regierungschefin sich mit einer Botschaft an die Bevölkerung wendet. Bierleins Amtszeit endet damit so ungewöhnlich, wie sie begonnen hat. Erst die politische Krise, ausgelöst durch das „Ibiza-Video“, mit Zerfall der ÖVP-FPÖ-Koalition und Abwahl der von ÖVP-Chef Sebastian Kurz gebildeten Minderheitsregierung führten zur Bildung der Beamtenregierung unter Leitung der damaligen Präsidentin des Verfassungsgerichts, Bierlein.

Als sie ihr Berufsleben begonnen habe, sei eine Frau an der Spitze eine Rarität gewesen, resümierte die erste Kanzlerin des Landes. „Heute schaue ich auf ein Land mit mehr Chancen denn je für alle – unabhängig von Geschlecht, ethnischer Herkunft, religiöser oder sexueller Orientierung.“

Stärkung der Gleichberechtigung

Dass es neben dem Erreichten noch weiteren Handlungsbedarf gibt, machte Bierlein ebenfalls klar: Sie sei „voll Zuversicht, dass die Gleichberechtigung auf allen Ebenen weiter gestärkt wird“. Den Jungen, vor allem Frauen, gab sie einen „Rat“ mit: „Unser Land braucht Ihre Leidenschaft und Ihr Engagement sowie Ihren Mut, sich bietende Chancen zu ergreifen. Und erinnern Sie sich: In Österreich leben zu dürfen, ist für uns alle ein großes Privileg.“

Der neuen ÖVP-Grüne-Regierung wünschte Bierlein, „in unser aller Interesse viel Erfolg bei der Bewältigung der gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben“.

Plädoyer für Dialog

Bierlein appellierte an jede und jeden Einzelnen, „die demokratischen Errungenschaften nie als selbstverständlich anzusehen, den europäischen Geist und offenen Dialog zwischen den Völkern weiterhin mit Leben zu erfüllen und aktiv zu praktizieren. Denn in unserer Unterschiedlichkeit liegt auch unsere Stärke: Dazu gehören Respekt füreinander und das Streben nach dem Miteinander.“

„Größten Respekt“ zollte Bierlein insbesondere den vielen Ehrenamtlichen, die sich tagtäglich für ihre Mitbürger einsetzen. „Sie sorgen nicht nur dafür, dass unser Land gut funktioniert. Sie zeichnen unser Land aus.“

Bricht Lanze für EU

Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des EU-Beitritts verwies die scheidende Bundeskanzlerin auch auf die Vorteile der Mitgliedschaft. „So mühsam die Diskussionen und so weit weg Brüssel oft erscheinen mögen, die Union und die europäische Idee sind aus meiner Sicht der größte zivilisatorische Fortschritt und ein Gewinn für Österreich. Nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch aus politischer und kultureller Sicht. Die Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und Medienvielfalt sind dabei die stärksten verbindenden Elemente.“

Für Bierlein sind Friede, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand nicht nur besonders deutlich spürbar, sondern auch unerlässlich für künftige Generationen.

„Größte Ehre meines Lebens“

Bierlein bedankte sich zu ihrem Abschied nicht nur bei den Mitgliedern ihrer Übergangsregierung und bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen. „Mein größter Dank aber gilt Ihnen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ihnen in diesem besonderen Amt dienen zu dürfen, war und ist die größte Ehre meines Lebens.“

An die Spitze des Verfassungsgerichts wird Bierlein nicht zurückkehren, da sie die für die Position bestimmte Altersgrenze von 70 erreicht hat. Sie ließ den Posten in ihrer Funktion als Kanzlerin selbst ausschreiben – überließ die hochrangige Personalentscheidung aber der neuen Regierung.