Harvey Weinstein
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„#MeToo“

Prozess gegen Weinstein gestartet

Vor rund zwei Jahren hat mit den Missbrauchsvorwürfen gegen den Filmproduzenten Harvey Weinstein die „#MeToo“-Bewegung ihren Ausgang genommen. Seit Montag muss sich Weinstein nun deswegen vor Gericht verantworten. Dem 67-Jährigen werden zahlreiche Sexualverbrechen vorgeworfen, konkret geht es in den kommenden Wochen um zwei Fälle.

Eine frühere Produktionsassistentin beschuldigt Weinstein, ihr 2006 Oralsex aufgezwungen zu haben. Eine weitere Frau wirft ihm vor, sie 2013 vergewaltigt zu haben. Insgesamt belasten ihn mehr als 80 Frauen – darunter bekannte Schauspielerinnen wie Patricia Arquette, Rose McGowan, Angelina Jolie, Salma Hayek und Gwyneth Paltrow. Viele von ihnen werden als Zuschauerinnen im Gericht erwartet.

Am Montag erschien Weinstein gestützt auf eine Gehhilfe im Gericht in Manhattan. Er soll sich erst kürzlich einer Rückenoperation unterzogen haben. Weinstein äußerte sich nicht, er signalisierte aber mit Gesten, dass es ihm mittelmäßig gehe. Bei Kritikerinnen und Kritikern sorgten die Bilder für Empörung: Sie orteten eine „Mitleidsmasche“. Vor dem Gerichtsgebäude versammelten sich währenddessen Demonstrantinnen und Demonstranten, die von den Schauspielerinnen Arquette und McGowan angeführt wurden. Sie hielten Plakate mit Forderungen wie „Gerechtigkeit“ für die Missbrauchsopfer in die Höhe.

Rose McGowan
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Arquette und McGowan gehören zu den Schauspielerinnen, die Weinstein Übergriffe vorwerfen

„Lieber Harvey, was auch immer du dir selbst für Lügen erzählst – du hast das alles getan“, so McGowan vor Journalisten. „Du hast dir das alles selbst zuzuschreiben, weil du so vielen Menschen wehgetan hast.“ Weinstein galt als Mitgründer des Miramax-Filmstudios einst als einer der mächtigsten Männer Hollywoods – und Gerüchte über Missbrauch, unter anderem im Zusammenhang mit der Vergabe von Filmrollen und Jobs, soll es über ihn bereits seit Jahren geben.

Heikle Suche nach Geschworenen

Am ersten Verhandlungstag ging es in erster Linie um organisatorische Fragen. In der rund einstündigen Sitzung lehnte Richter James Burke zudem einen Antrag der Verteidigung ab, die Jury für die Dauer des Prozesses weitgehend von der Außenwelt abzuschirmen. Außerdem lieferten sich Weinstein-Strafverteidigerin Donna Rotunno und Staatsanwältin Joan Illuzzi-Orbon ein erstes Wortgefecht.

Am Dienstag soll dann die Auswahl der Geschworenen beginnen. Aufgrund der Brisanz des Prozesses dürfte die Bildung der Jury langwierig werden – im Vorfeld soll Befangenheit ausgeschlossen werden. Dazu sollen unter anderem die Social-Media-Profile der Kandidatinnen und Kandidaten geprüft werden. Weinsteins Anwalt hatte versucht, den Prozess nicht in New York zu führen, und mit Vorverurteilung argumentiert. Der „New Yorker“ und die „New York Times“ hatten die Vorwürfe zuerst publiziert.

Harvey Weinstein
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Weinstein will laut einem Gerichtssprecher dem gesamten Prozess beiwohnen

Die gesamte Verhandlung dürfte sich über mindestens sechs Wochen ziehen. Aussagen könnten laut dem Gerichtssprecher neben den Klägerinnen auch drei weitere Frauen, darunter auch die „Sopranos“-Darstellerin Annabella Sciorra. Sie wirft Weinstein einen Übergriff im Jahr 1993 vor. Der Ausgang ist völlig offen. Die Staatsanwälte müssen juristisch beweisen, dass Weinstein sich der Vergewaltigung, krimineller sexueller Handlungen und räuberischer sexueller Übergriffe schuldig gemacht habe. Weinstein droht lebenslange Haft. Aktuell befindet sich der 67-Jährige nach Hinterlegung einer Millionenkaution auf freiem Fuß.

Auch Anklage in LA

Nach Weinsteins Auftritt vor Gericht wurde weiters bekannt, dass er sich auch in Kalifornien vor Gericht verantworten muss. Die Staatsanwaltschaft in Los Angeles teilte am Montag mit, dass in zwei Fällen Anklage wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung erhoben wurde.

Die Vorwürfe stammen von zwei nicht namentlich genannten Frauen. Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft wurden sie im Jahr 2013 in Hotels in Beverly Hills Opfer von Weinsteins Übergriffen. Im Falle einer Verurteilung drohen dem 67-Jährigen bis zu 28 Jahre Haft.

Vereinbarung über 25 Mio. Dollar

Dass vor dem Gericht in Manhattan nur zwei Vorwürfe verhandelt werden, liegt auch daran, dass viele Fälle verjährt sind oder nicht zur Anzeige gebracht wurden. Weinstein hatte kürzlich eine Vereinbarung mit Dutzenden Frauen über Entschädigungszahlungen in Höhe von insgesamt 25 Millionen Dollar getroffen – im Gegenzug für Verschwiegenheit. Zudem soll in der Vereinbarung stehen, dass die Frauen die sexuellen Handlungen als Einvernehmlich anerkennen. Weinstein hatte stets betont, jegliche Handlungen seien einvernehmlich gewesen.

Das Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den mächtigen Filmproduzenten, dessen Firma Miramax unter anderem Filmhits wie „Chicago“, „Pulp Fiction“ und „Shakespeare in Love“ produziert hatte, hatte im Oktober 2017 weltweit für Schlagzeilen gesorgt und die „#MeToo“-Bewegung gegen sexuelle Übergriffe und Gewalt an Frauen gestartet. In der Folge wurden Vorwürfe gegen zahlreiche Prominente aus der Filmwelt und anderen Branchen laut. Sie verloren Rollen, Posten und Ansehen – strafrechtliche Konsequenzen wie der Prozess gegen Weinstein sind bisher aber die Ausnahme.