Bild von Soleimani wird von Menschen beim Begräbnis in Kerman in Iran getragen
APA/AFP/Atta Kenare
Dutzende Tote in Kerman

Massenpanik bei Soleimani-Trauerzug

Beim Trauerzug für den bei einem US-Drohnenangriff getöteten iranischen General Kassem Soleimani ist es am Dienstag in seinem Geburtsort Kerman zu einer Massenpanik mit mehreren Toten gekommen. Mindestens 50 Menschen seien getötet worden, berichtete das Staatsfernsehen am Dienstag unter Berufung auf die örtlichen Behörden. Außerdem wurden mehr als 200 Menschen verletzt.

Zuvor war in unterschiedlichen Quellen von 30 bis 35 Toten, später von über 40 die Rede gewesen. Wegen der riesigen Menschenmenge musste die Beisetzung Soleimanis verschoben werden. Es bestehe keine Möglichkeit, den Leichnam zum Friedhof zu transportieren, hieß es zur Begründung am frühen Nachmittag. Die Behörden baten die Menschen, den Weg vom Asadi-Platz zum Friedhof frei zu machen, damit die Beerdigung stattfinden kann. Hunderttausende Menschen hatten sich vor der Beisetzung zu der Trauerfeier versammelt.

Der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, Hussain Salami, drohte dabei den „Feinden“ des Iran mit Vergeltung. „Wir werden Rache nehmen, und sie wird konsequent und hart sein, sodass die Amerikaner ihre Tat bitter bereuen“, sagte Salami. Die Masse erwiderte den Aufruf mit „Rache, Rache“- und „Allahu akbar“ (Gott ist unvergleichlich groß)-Rufen. „Der Märtyrer Kassem Soleimani ist mächtiger und lebendiger, jetzt wo er tot ist“, sagte Salami weiter. „Der Feind hat ihn zu Unrecht getötet.“

Der Sarg von Solemei wird durch die Menschenmenge in Kerman in Iran geführt
AP/Tasnim News Agency/Erfan Kouchari
Hunderttausende nehmen von Soleimani in seiner Geburtsstadt Kerman Abschied

Millionen in Hauptstadt Teheran

Der Marsch führte am Dienstag durch das Zentrum der Stadt im Südosten des Landes zum Märtyrerfriedhof. Die Zeremonie wurde erneut in fast allen Fernsehkanälen des Landes live übertragen. Wegen des erwarteten Massenandrangs war der Dienstag in Kerman zum örtlichen Feiertag erklärt worden – wie zuvor schon der Montag in der Hauptstadt Teheran. Damit wollte die Regierung möglichst vielen Menschen die Möglichkeit geben, sich von dem General zu verabschieden.

Der Sarg von Solemei wird durch die Menschenmenge in Kerman in Iran geführt
AP
Die Särge Soleimanis und eines weiteren getöteten hohen Militärs werden durch die Stadt geführt

Es hatte in mehreren iranischen Städten große Trauerzüge gegeben. Allein in Teheran nahmen am Montag laut Medienberichten Millionen Menschen Abschied von Soleimani. Zuvor hatten Hunderttausende an den Trauerzeremonien in Ahwas, Maschhad und Ghom teilgenommen. Washington rechtfertigte den Luftschlag gegen Soleimani damit, dass der Chef der Al-Kuds-Einheiten folgenschwere Angriffe auf US-Bürger geplant habe. Soleimani war der wichtigste Vertreter der iranischen Streitkräfte im Ausland und galt als Architekt der iranischen Militärstrategie in den Nachbarländern.

Trauerzug für Generals Kassam Soleimani
APA/AFP/Atta Kenare
Zu der Massentrauer in Teheran kamen laut Medienberichten Millionen

Auch im Irak wurde ein Opfer des US-Angriffs beerdigt. Rund 30.000 Menschen gaben dem getöteten irakischen Milizenführer Dschamal Dschafar Ibrahimi das letzte Geleit. Ibrahimi wurde gemeinsam mit Soleimani getötet und war sein Verbündeter im Irak. Ibrahimi wurde in seiner Heimatstadt Basra zu Grabe getragen. Die Menschen riefen „Nein, nein Amerika“ und „Nein, nein Israel“ und schworen Rache.

Sarif: Läuft auf bewaffneten Angriff auf den Iran hinaus

Bei der Tötung von Soleimani handelt es sich nach Aussagen des iranischen Außenministers Mohammed Dschawad Sarif um staatlichen Terrorismus. „Das ist eine Aggression gegen den Iran und läuft auf einen bewaffneten Angriff auf den Iran hinaus, auf den wir reagieren werden“, sagt Sarif im Interview mit CNN: „Wir werden verhältnismäßig reagieren.“

Die USA haben Sarif nach dessen Angaben das Visum für eine Reise zu den Vereinten Nationen verweigert. „Der amerikanische Außenminister hat den UN angeblich mitgeteilt, dass sie keine Zeit hatten, für Sarif ein Visum auszustellen“, sagte der iranische Chefdiplomat am Dienstag der Nachrichtenagentur ISNA. Dem Außenminister eines UNO-Mitgliedsstaates das Visum zu verweigern sei ein Zeichen für den „politischen Bankrott“ der derzeitigen US-Regierung, fügte er hinzu. Sarif war vom vietnamesischen Außenminister zu einer Sitzung des UNO-Sicherheitsrats am Donnerstag in New York eingeladen worden.

Iran stuft US-Truppen als „Terroristen“ ein

Als eine erste Reaktion auf die Tötung Soleimanis stufte der Iran sämtliche US-Truppen als „Terroristen“ ein. Das Parlament in Teheran verabschiedete am Dienstag ein entsprechendes Gesetz. Das iranische Parlament erhöhte auch das Budget der Revolutionsgarden (IRGC) bis zum Ende des persischen Jahres (20. März 2020). Das gab Parlamentspräsident Ali Laridschani heute bekannt. Auf Anweisung des obersten iranischen Führers Ajatollah Ali Chamenei wurde das Budget der Garden um 200 Millionen Euro erhöht, sagte Larijani nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA.

Iranische Abgeordnete im Teheraner Parlament
AP/Vahid Salemi
Das iranische Parlament stimmte für die Einstufung der US-Truppen als Terroristen

Auch die Erhöhung stehe in Zusammenhang mit der Umsetzung des Plans der „harten Rache“ gegen die USA für die Tötung Soleimanis. Soleimani, der die für Auslandseinsätze zuständigen Al-Kuds-Brigaden der Revolutionsgarden befehligt hatte, war am Freitag bei einem US-Drohnenangriff in Bagdad getötet worden. Der Iran prüft Berichten von Dienstag zufolge 13 Racheszenarien. Das berichtete die Nachrichtenagentur Fars unter Berufung auf einen hochrangigen Sicherheitsbeamten.

Chamenei ruft nach Vergeltung

Der iranische Staatschef Hassan Rouhani richtete am Montag eine neue scharfe Warnung an die USA. „Bedrohen Sie niemals die iranische Nation“, schrieb Rouhani auf Twitter als Reaktion auf die jüngsten Drohungen von US-Präsident Donald Trump. Dieser hatte mit Angriffen auf 52 iranische Ziele, darunter möglicherweise Kulturstätten, gedroht, sollte der Iran als Vergeltung für die Tötung Soleimanis Bürger und Einrichtungen der USA angreifen.

Eine Iranerin hält ein Transparent mit der Aufschrift „Wir wollen Rache“
APA/AFP/Atta Kenare
Eine Frau fordert auf einem Plakat Vergeltung für die gezielte Tötung von Soleimani

Laut „Washington Post“ hatte Chamenei einen seiner seltenen Auftritte im Nationalen Sicherheitsrat. Dort wurden Vergeltungsmaßnahmen gegen die USA debattiert. Es müsse ein direkter und verhältnismäßiger Angriff auf die US-Interessen sein, sagte er. Weiters sollte die Vergeltung offen von den iranischen Streitkräften selbst ausgeführt werden, so Chamenei.

Hunderttausende feiern Soleimani als Märtyrer

Hunderttausende haben den Sarg von Soleimani in seinem Geburtsort Kerman begleitet. Er wird als Märtyrer gesehen. (Videoquelle: EBU/IRPRES)

Stellvertretender Außenminister: An Vereinbarung halten

Der Iran signalisiert unterdessen offenbar auch Bereitschaft, die Vorgaben des internationalen Atomabkommens nach mehreren Verstößen und einer angekündigten weiteren Abkehr doch wieder zu respektieren. Der Iran sei bereit, sich wieder vollständig an die Vereinbarung zu halten, so der stellvertretende Außenminister Abbas Araktschi laut einem Twitter-Eintrag, der am Dienstag auf der Seite seines Ministeriums veröffentlicht wurde.

Details oder etwaige Bedingungen wurden nicht genannt. Seit dem Ausstieg der USA aus dem 2015 geschlossenen Abkommen hat der Iran mehrfach Verpflichtungen aus der Vereinbarung zurückgeschraubt. Am Sonntag kündigte er an, sich auch nicht mehr an die Beschränkungen bei der Urananreicherung zu halten. Man wolle aber weiter mit der UNO-Atomaufsicht zusammenarbeiten.

US-Warnung für Persischen Golf

Die US-Regierung warnte indes Handelsschiffe auf den für die globale Energieversorgung wichtigen Wasserstraßen im Nahen Osten vor möglichen iranischen Aktionen. Die US-Seebehörde MARAD sprach in einer auf ihrer Website veröffentlichten Warnung von Berichten über mehrere Bedrohungen, unter anderem im Persischen Golf und in der Straße von Hormus sowie im Indischen Ozean. Die Warnung gelte seit Montag und bleibe eine Woche lang aktiv, hieß es weiter.

In der Straße von Hormus war es im Sommer 2019 zu mehreren Angriffen auf Öltanker gekommen, hinter denen die USA den Iran vermuten. Der Iran dementiert hingegen, etwas mit den Angriffen zu tun gehabt zu haben.

Pentagon distanziert sich von Trump-Drohung

Das Pentagon distanzierte sich unterdessen von der Drohung von Trump, im Falle iranischer Angriffe auf US-Ziele auch bedeutende Kulturstätten im Iran zu attackieren. „Wir werden die Gesetze des bewaffneten Konflikts befolgen“, hieß es bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von Verteidigungsminister Mark Esper und Generalstabschef Mark Milley am Montag (Ortszeit).

Auf die Frage, ob das den Angriff auf Ziele mit kultureller Bedeutung ausschließe, hieß es weiter: „Das sind die Gesetze des bewaffneten Konflikts.“ In einer vom US-Verteidigungsministerium verbreiteten Mitschrift wurden die Zitate Generalstabschef Mark Milley zugeschrieben. Mehrere US-Medien sprachen sie allerdings Verteidigungsminister Esper zu.

Trump: So funktioniert das nicht

Trump hatte am Samstag mit Angriffen auf Dutzende iranische Ziele gedroht, darunter auch kulturell bedeutende Orte. Die Drohung des Republikaners sorgte im In- und Ausland für Entrüstung. In seinem Tweet hatte Trump von 52 potenziellen Ziele im Iran gesprochen, sollte Teheran Vergeltung üben. Einige davon seien sehr bedeutend und wichtig für den Iran und die iranische Kultur.

Die „New York Times“ berichtete unter Bezug auf einen namentlich nicht genannten Regierungsbeamten hingegen, dass es sich bei diesen Zielen nicht um Kulturstätten handle. Am Sonntagabend hatte Trump seine Drohung dann bekräftigt. Der Iran töte Amerikaner, foltere sie und sprenge sie mit Bomben in die Luft – „und wir sollen ihre Kulturstätten nicht anrühren dürfen? So funktioniert das nicht“, sagte Trump nach Angaben von Journalisten. Die Aussagen von Trump sind delikat: Attacken auf Kulturstätten, etwa die Zerstörung von Tempeln im syrischen Palmyra durch die islamistische Terrormiliz Islamischer Staat (IS), gelten als Kriegsverbrechen.

NATO zieht Teil der Soldaten aus dem Irak ab

Am Nachmittag verkündete unterdessen die NATO, dass ein Teil ihrer Streitkräfte aus dem Irak abgezogen wird. Das bestätigte ein Sprecher des Militärbündnisses gegenüber der dpa in Brüssel. Zuvor hatte der „Spiegel“ darüber berichtet.