Donald Trump
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Angriff auf Kulturgüter

Trump zieht Drohung gegen Iran zurück

US-Präsident Donald Trump hat sich von seiner Drohung mit Angriffen auf iranische Kulturgüter distanziert. Die USA würden sich bei möglichen Vergeltungsschlägen gegen den Iran an geltendes Recht halten, sagte Trump am Dienstag im Weißen Haus während des Besuchs des griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis. Wenn Angriffe auf Kulturstätten verboten seien, werde er sich daran halten.

„Ich befolge gerne Gesetze“, sagte Trump. Kritiker sahen Trumps Drohung vom Wochenende mit Angriffen auf kulturell bedeutende Ziele im Iran als Aufruf zu einem Kriegsverbrechen. Trump hatte am Samstag mit Angriffen auf Dutzende iranische Ziele gedroht, darunter auch kulturell bedeutende Orte. Die Drohung – eine Reaktion auf Kampfansagen aus Teheran wegen der Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani bei einem US-Angriff im Irak – sorgte im In- und Ausland für Entrüstung.

Zuvor hatten bereits Außenminister Mike Pompeo und Pentagon-Chef Mike Esper erklärt, die USA würden sich an internationales Recht halten. „Jede Maßnahme, die wir ergreifen, wird im Einklang mit internationaler Rechtsstaatlichkeit stehen“, sagte Pompeo am Dienstag in Washington. „Das amerikanische Volk kann sich darauf verlassen.“

Drohung mit „starken Konsequenzen“

Trump stellte es jedoch als unfair dar, dass sich die USA an internationales Recht halten müssten, während der Iran wahllos Amerikaner angreife. „Sie dürfen unsere Bürger töten, sie dürfen unsere Bürger zu Krüppeln machen, sie dürfen alles in die Luft sprengen, das wir haben – und nichts stoppt sie. Und wir sollen verschiedenen Gesetzen zufolge sehr vorsichtig mit ihrem kulturellen Erbe umgehen“, sagte Trump. „Aber es ist für mich okay“, sagte der Präsident weiter. Gleichzeitig warnte er die Führung in Teheran: „Falls der Iran irgendetwas macht, was er nicht tun sollte, werden sie die Konsequenzen erleben. Und das sehr stark.“ Washington hatte den Luftschlag gegen Soleimani damit gerechtfertigt, dass der Chef der Al-Kuds-Einheiten folgenschwere Angriffe auf US-Bürger geplant habe.

Teilabzug der NATO angekündigt

Angesichts anhaltender Spannungen im Nahen Osten kündigte die NATO unterdessen am Dienstag einen Teilabzug aus dem Irak an. Es würden „alle notwendigen Vorkehrungen zum Schutz“ des Personals getroffen, so ein NATO-Sprecher.

Der NATO-Sprecher bestätigte einen Bericht des deutschen „Spiegel“, der zuerst über den Abzug der Truppen berichtet hatte. „Dazu gehört die vorübergehende Verlegung einiger Mitarbeiter an verschiedene Standorte innerhalb und außerhalb des Irak“, hieß es. Der Einsatz umfasste zuletzt rund 500 Streitkräfte.

Die NATO bildet seit Anfang 2017 im Irak Sicherheitskräfte aus. Diese wurden von der NATO bisher insbesondere in der Entschärfung von Sprengsätzen, der Instandhaltung und medizinischer Versorgung geschult. Zudem berät die NATO das irakische Verteidigungsministerium und andere Sicherheitsbehörden.

Ausbildung schon am Wochenende ausgesetzt

Die NATO hatte die Ausbildung irakischer Soldaten wegen der Spannungen in der Region bereits am Wochenende ausgesetzt. „Bei allem, was wir tun, steht die Sicherheit unseres Personals an erster Stelle“, erklärte der NATO-Sprecher. Er machte keine Angaben zum Umfang des Abzugs aus dem Irak und verwies auf Sicherheitsgründe.

Er bekräftigte jedoch, dass das Bündnis „bereit“ sei, „unsere Ausbildung und den Aufbau von Kapazitäten fortzusetzen, wenn es die Situation erlaubt“. Die NATO sei „dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus stark verpflichtet“.

Irakisches Parlament stimmte für Truppenabzug

Am Sonntag hatte das Parlament im Irak für eine Resolution gestimmt, nach der die Regierung den Abzug aller ausländischen Truppen im Land einleiten soll, die Teil des US-geführten Bündnisses zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sind. Die deutsche Bundeswehr zog ihre im Zentralirak eingesetzten Soldaten bereits am Dienstag ab. Auch die kanadischen Streitkräfte beschlossen am Dienstag, einen Teil ihrer Soldaten vorläufig aus dem Irak abzuziehen. Von den 500 Armeeangehörigen in dem Land würde ein Teil in den kommenden Tagen in den Golfstaat Kuwait verlegt, hieß es.

Das US-Militär hegt trotz der Forderung des irakischen Parlaments keine entsprechenden Pläne. „Die US-Politik in Bezug auf unsere Truppenpräsenz im Irak hat sich nicht verändert“, sagte Pentagon-Sprecherin Alyssa Farah am Montagabend. Damit trat sie dem – durch einen Brief an das irakische Verteidigungsministerium entstandenen – Eindruck entgegen, das Militär habe Vorbereitungen für einen Abzug der US-Soldaten angekündigt. Generalstabschef Mark Milley bezeichnete den Brief später als Entwurf, der versehentlich publik geworden sei. Am Dienstag bestätigte der irakische Premier Adil Abdul Mahdi, er habe einen entsprechenden Brief erhalten. Die englischsprachige Version unterscheide sich von der arabischen, hieß es. Deshalb habe man um Klärung angefragt.

Dutzende Tote bei Trauerzug

Im Iran wurden unterdessen die Trauerfeiern für Soleimani fortgesetzt. Bei einer Massenpanik in seinem Geburtsort Kerman kam es am Dienstag zu einer Massenpanik mit mehreren Toten. Mehr als 50 Menschen seien getötet worden, berichtete das Staatsfernsehen am Dienstag unter Berufung auf die örtlichen Behörden. Außerdem wurden mehr als 200 Menschen verletzt.

Wegen der riesigen Menschenmenge musste die Beisetzung Soleimanis verschoben werden. Es bestehe keine Möglichkeit, den Leichnam zum Friedhof zu transportieren, hieß es zur Begründung am frühen Nachmittag. Die Behörden baten die Menschen, den Weg vom Asadi-Platz zum Friedhof frei zu machen, damit die Beerdigung stattfinden kann. Hunderttausende Menschen hatten sich vor der Beisetzung zu der Trauerfeier versammelt.

Der Sarg von Solemei wird durch die Menschenmenge in Kerman in Iran geführt
AP/Tasnim News Agency/Erfan Kouchari
Hunderttausende nehmen von Soleimani in seiner Geburtsstadt Kerman Abschied

Der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, Hussain Salami, drohte dabei den „Feinden“ des Iran mit Vergeltung. „Wir werden Rache nehmen, und sie wird konsequent und hart sein, sodass die Amerikaner ihre Tat bitter bereuen“, sagte Salami. Die Masse erwiderte den Aufruf mit „Rache, Rache“- und „Allahu akbar“ (Gott ist unvergleichlich groß)-Rufen.

Hunderttausende feiern Soleimani als Märtyrer

Hunderttausende haben den Sarg von Soleimani in seinem Geburtsort Kerman begleitet. Er wird als Märtyrer gesehen. (Videoquelle: EBU/IRPRES)

Millionen in Hauptstadt Teheran

Der Marsch führte am Dienstag durch das Zentrum der Stadt im Südosten des Landes zum Märtyrerfriedhof. Die Zeremonie wurde erneut in fast allen Fernsehkanälen des Landes live übertragen. Wegen des erwarteten Massenandrangs war der Dienstag in Kerman zum örtlichen Feiertag erklärt worden – wie zuvor schon der Montag in der Hauptstadt Teheran. Damit wollte die Regierung möglichst vielen Menschen die Möglichkeit geben, sich von dem General zu verabschieden.

Der Sarg von Solemei wird durch die Menschenmenge in Kerman in Iran geführt
AP
Die Särge Soleimanis und eines weiteren getöteten hohen Militärs werden durch die Stadt geführt

Es hatte in mehreren iranischen Städten große Trauerzüge gegeben. Allein in Teheran nahmen am Montag laut Medienberichten Millionen Menschen Abschied von Soleimani. Zuvor hatten Hunderttausende an den Trauerzeremonien in Ahwas, Maschhad und Ghom teilgenommen.

Trauerzug für Generals Kassam Soleimani
APA/AFP/Atta Kenare
Zu der Massentrauer in Teheran kamen laut Medienberichten Millionen

Auch im Irak wurde ein Opfer des US-Angriffs beerdigt. Rund 30.000 Menschen gaben dem getöteten irakischen Milizenführer Dschamal Dschafar Ibrahimi das letzte Geleit. Ibrahimi wurde gemeinsam mit Soleimani getötet und war sein Verbündeter im Irak. Ibrahimi wurde in seiner Heimatstadt Basra zu Grabe getragen. Die Menschen riefen „Nein, nein Amerika“ und „Nein, nein Israel“ und schworen Rache.

Sarif: Läuft auf bewaffneten Angriff auf den Iran hinaus

Bei der Tötung von Soleimani handelt es sich nach Aussagen des iranischen Außenministers Mohammed Dschawad Sarif um staatlichen Terrorismus. „Das ist eine Aggression gegen den Iran und läuft auf einen bewaffneten Angriff auf den Iran hinaus, auf den wir reagieren werden“, sagte Sarif im Interview mit CNN: „Wir werden verhältnismäßig reagieren.“

Die USA verweigerten Sarif nach dessen Angaben das Visum für eine Reise zu den Vereinten Nationen. „Der amerikanische Außenminister hat der UNO angeblich mitgeteilt, dass sie keine Zeit hatten, für Sarif ein Visum auszustellen“, sagte der iranische Chefdiplomat am Dienstag der Nachrichtenagentur ISNA. Dem Außenminister eines UNO-Mitgliedsstaats das Visum zu verweigern sei ein Zeichen für den „politischen Bankrott“ der derzeitigen US-Regierung, fügte er hinzu.

Die UNO forderte inzwischen die USA auf, Diplomaten Zugang zur UNO zu gewähren. „Wir glauben, dass das Abkommen mit dem Gastland (…) eingehalten werden muss“, sagte Sprecher Stephane Dujarric am Dienstag in New York. Das Abkommen mit den USA sei sehr spezifisch und gelte ohne Einschränkungen. Sarif war vom vietnamesischen Außenminister zu einer Sitzung des UNO-Sicherheitsrats am Donnerstag in New York eingeladen worden.

Iran stuft US-Truppen als „Terroristen“ ein

Als eine erste Reaktion auf die Tötung Soleimanis stufte der Iran sämtliche US-Truppen als „Terroristen“ ein. Das Parlament in Teheran verabschiedete am Dienstag ein entsprechendes Gesetz. Das iranische Parlament erhöhte auch das Budget der Revolutionsgarden (IRGC) bis zum Ende des persischen Jahres (20. März 2020). Das gab Parlamentspräsident Ali Laridschani bekannt.

Auf Anweisung des obersten iranischen Führers Ajatollah Ali Chamenei wurde das Budget der Garden um 200 Millionen Euro erhöht, sagte Laridschani nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA.

Iranische Abgeordnete im Teheraner Parlament
AP/Vahid Salemi
Das iranische Parlament stimmte für die Einstufung der US-Truppen als Terroristen

Mehrere Szenarien für Rache

Auch die Erhöhung stehe in Zusammenhang mit der Umsetzung des Plans der „harten Rache“ gegen die USA für die Tötung Soleimanis. Der Iran prüft Berichten von Dienstag zufolge 13 Racheszenarien. Das berichtete die Nachrichtenagentur Fars unter Berufung auf einen hochrangigen Sicherheitsbeamten.

Laut „Washington Post“ hatte Chamenei einen seiner seltenen Auftritte im Nationalen Sicherheitsrat. Dort wurden Vergeltungsmaßnahmen gegen die USA debattiert. Es müsse ein direkter und verhältnismäßiger Angriff auf die US-Interessen sein, sagte er. Weiters sollte die Vergeltung offen von den iranischen Streitkräften selbst ausgeführt werden, so Chamenei.

Rouhani mit Appell an andere Länder

Der iranische Präsident Hassan Rouhani drohte weiterhin mit Vergeltung. „Die Verantwortung für diesen Terrorakt tragen die USA.“ Die Amerikaner müssten wissen, dass sie vor den Konsequenzen dieses schweren Verbrechens nicht geschützt seien, sagte Rouhani am Dienstag in einem Telefonat mit seinem französischen Amtskollegen Emmanuel Macron weiter. Der Iran erwarte daher auch von allen Ländern, die für Frieden seien, sich gegen diesen „terroristischen Akt der USA“ zu positionieren.

Eine Iranerin hält ein Transparent mit der Aufschrift „Wir wollen Rache“
APA/AFP/Atta Kenare
Eine Frau fordert auf einem Plakat Vergeltung für die gezielte Tötung von Soleimani

Stellvertretender Außenminister: An Vereinbarung halten

Der Iran signalisiert unterdessen offenbar auch Bereitschaft, die Vorgaben des internationalen Atomabkommens nach mehreren Verstößen und einer angekündigten weiteren Abkehr doch wieder zu respektieren. Der Iran sei bereit, sich wieder vollständig an die Vereinbarung zu halten, so der stellvertretende Außenminister Abbas Araktschi laut einem Twitter-Eintrag, der am Dienstag auf der Website seines Ministeriums veröffentlicht wurde.

Details oder etwaige Bedingungen wurden nicht genannt. Seit dem Ausstieg der USA aus dem 2015 geschlossenen Abkommen hat der Iran mehrfach Verpflichtungen aus der Vereinbarung zurückgeschraubt. Am Sonntag kündigte er an, sich auch nicht mehr an die Beschränkungen bei der Urananreicherung zu halten. Man wolle aber weiter mit der UNO-Atomaufsicht zusammenarbeiten.