Einsatzkräfte bei der Absturzstelle des ukrainischen Flugzeugs nahe Teheran
AP/Ebrahim Noroozi
Flugzeugabsturz im Iran

Rätseln über Unfallursache

176 Menschen sind in der Nacht auf Mittwoch bei dem Absturz einer ukrainischen Passagiermaschine im Iran ums Leben gekommen. Die Unfallursache ist weiter Inhalt von Spekulationen. Als gesichert gilt bisher nur, dass das Flugzeug kurz nach dem Start vom Flughafen in Teheran abstürzte. Aufschlüsse sollen nun die Blackboxes geben – die Teheran allerdings nicht an Boeing weitergeben will.

Die ukrainische Botschaft im Iran zog am Mittwoch eine erste Stellungnahme zu dem Unglück zurück und veröffentlichte eine zweite. Darin hieß es, die Ursachen des Absturzes der Maschine der Ukraine International Airlines seien nicht ermittelt. Frühere Einschätzungen dazu seien nicht offiziell gewesen. In der ersten Stellungnahme war noch von Triebwerksversagen bei der Boeing 737 die Rede gewesen und „Terrorismus“ als Ursache ausgeschlossen worden.

Trümmer bei der Absturzstelle des ukrainischen Flugzeugs nahe Teheran
Reuters/Wana News Agency
Von der Boeing 737 blieben nur Trümmer über

In Kiew wurde der ukrainische Ministerpräsident Oleksij Hontscharuk von Journalisten gefragt, ob das Flugzeug von einer Rakete abgeschossen worden sein könnte. Er warnte daraufhin vor Spekulationen, bevor die Ergebnisse einer Untersuchung bekannt seien. Hontscharuk sagte ferner, Flüge ukrainischer Maschinen durch den iranischen Luftraum seien ab Donnerstag verboten.

Grund für Absturz ungeklärt

Noch ist unklar, ob der Absturz im Zusammenhang mit iranischen Raketenangriffen auf US-Militärstützpunkte im Irak steht.

Unstimmigkeiten gab es auch bezüglich der Nationalität der Opfer. Laut der Regierung in Kiew waren an Bord des Flugzeugs neben elf Ukrainern 82 Iraner, 63 Kanadier, zehn Schweden, vier Afghanen, drei Briten und drei Deutsche. Die deutsche Regierung ging allerdings davon aus, dass bei dem Flugzeugabsturz keine Deutschen an Bord waren. „Wir haben derzeit keine Erkenntnisse, nach denen sich deutsche Staatsangehörige unter den Opfern des Flugzeugabsturzes in Iran befinden“, hieß es am Mittwochnachmittag aus dem Auswärtigen Amt. Iranischen Staatsmedien zufolge kamen bei dem Unglück 15 Kinder ums Leben.

Iran übergibt Blackboxes nicht an Boeing

Der Absturz hatte Spekulationen ausgelöst, weil er in enger zeitlicher Nähe zu iranischen Luftangriffen auf US-Militärstützpunkte im Irak erfolgte. Diese waren eine Reaktion auf die gezielte Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani bei einem US-Drohnenangriff am Freitag. Die iranische Luftfahrtbehörde hatte den Absturz allerdings nur kurze Zeit nach dem Unglück auf einen technischen Defekt zurückgeführt. Wie diese so kurz nach dem Absturz zu dem Schluss gekommen war, blieb allerdings offen.

Trümmer bei der Absturzstelle des ukrainischen Flugzeugs nahe Teheran
APA/AFP
Trümmer der Maschine gingen auch über bewohntem Gebiet nieder

Aufschlüsse über die Geschehnisse könnten die beiden Blackboxes des Flugzeugs geben. Iranische Rettungskräfte fanden inzwischen die Boxen, die Flugschreiber und Stimmaufzeichnungen enthalten. Laut der iranischen Nachrichtenagentur ISNA begannen iranische Experten mit der Auswertung. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Mehr zufolge will die iranische Luftfahrtbehörde die Blackboxes aber „nicht dem Hersteller und den USA“ übergeben.

Maschine erst vor vier Jahren neu gekauft

Der Präsident von Ukraine International Airlines, Jewgenio Dychne, sagte in Kiew, die Maschine habe vor dem Absturz bereits eine Höhe von 2.400 Metern erreicht. „Die Wahrscheinlichkeit für einen Fehler der Besatzung ist minimal“, hieß es vom Vizepräsidenten der Fluggesellschaft, Igor Sosnowski. Der Airline zufolge war die Maschine wenige Jahre alt und wurde erst am Montag technisch überprüft. Die Boeing 737 des Baujahres 2016 sei direkt beim Hersteller erworben worden.

Boeing reagierte kurz nach dem Absturz mit einem Tweet: „Uns sind die Medienberichte aus dem Iran bekannt, und wir tragen gerade mehr Informationen zusammen.“ Bei der Absturzmaschine handelt es sich nicht um das von Problemen gebeutelte Modell Boeing 737 Max.

„Schreckliche Nachrichten aus dem Nahen Osten“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski sprach den Hinterbliebenen sein Mitgefühl aus. „Schreckliche Nachrichten aus dem Nahen Osten“, teilte er in der Früh via Facebook mit. Niemand habe das Unglück überlebt. „Mein aufrichtiges Beileid an die Familien und Freunde aller Passagiere und Besatzungsmitglieder.“

Nach Angaben des Staatsoberhauptes will die ukrainische Botschaft im Iran nun alle Informationen übe die Umstände der „Tragödie“ zusammentragen. Die Namen der Toten würden nun aufgelistet, schrieb Selenski. Der 41-Jährige brach nach dem Unglück seinen Aufenthalt im Oman auf der arabischen Halbinsel ab.

Zahlreiche Airlines meiden Luftraum

Kurz nach den iranischen Raketenangriffen auf Militärstützpunkte im Irak hatte die US-Luftfahrtbehörde FAA US-Jets die Nutzung des Luftraums in Teilen des Nahen Ostens untersagt. Über dem Persischen Golf, dem Golf von Oman, im Irak und im Iran dürften in den USA registrierte Flugzeuge „wegen erhöhter militärischer Aktivitäten und steigender politischer Spannungen“ nicht mehr operieren, hieß es in einer Mitteilung. Es gebe ein erhöhtes Risiko, dass ein Flugobjekt falsch identifiziert werde.

Einsatzkräfte bei der Absturzstelle des ukrainischen Flugzeugs nahe Teheran
AP/Ebrahim Noroozi
Dutzende Helfer waren an der Absturzstelle im Einsatz

Auch zahlreiche andere Fluglinien stoppten vorerst Flüge über dem Iran und dem Irak. Neben der französischen Air France strich etwa auch die deutsche Lufthansa Group jegliche Überflüge. Das betrifft auch die AUA, die vorsorglich den Flug nach Erbil im Nordirak strich. Der Flug nach Teheran werde hingegen mit rund sechs Stunden Verspätung um 19.25 Uhr durchgeführt, da der Flughafen Teheran offen sei und es für die Anflugroute sowie den Bereich um den Flughafen keine Sicherheitseinschränkungen gebe, hieß es von einer Sprecherin.