Wrack der Boeing 737 nahe dem Imam Khomeini Flughafen im Iran.
APA/AFP/Akbar Tavakoli
Flugzeugabsturz

Boeing im Iran wohl nicht abgeschossen

Der Iran und westliche Sicherheitskreise gehen nach dem Absturz einer Boeing 737 im Iran nicht davon aus, dass das Flugzeug abgeschossen wurde. Es gebe keine Hinweise darauf, dass eine Rakete das ukrainische Passagierflugzeug getroffen habe.

Laut dem Iran führte eine technische Ursache zu der Katastrophe mit mehr als 170 Todesopfern. „Wegen eines technischen Defekts hat die Maschine Feuer gefangen, und das führte zum Absturz“, sagte Verkehrs- und Transportminister Mohammed Eslami der Nachrichtenagentur ISNA am Donnerstag. Spekulationen über einen „verdächtigen“ Absturz und Gerüchte über einen Abschuss der Boeing 737 oder eine Terroroperation seien alle falsch, sagte der Minister. Wie er zu diesen Erkenntnissen kam, sagte Eslami nicht.

Auch die Geheimdienste gingen von einem technischen Defekt. Alles deute darauf hin, dass die Triebwerke überhitzt gewesen seien. Einem vorläufigen Bericht der iranischen Luftverkehrsbehörde zufolge brannte die Maschine vor ihrem Absturz. Dies sollen Augenzeugen auf dem Boden und in einem anderen Flugzeug angegeben haben. Auch den iranischen Ermittlern zufolge hatte die Maschine vor dem Absturz ein technisches Problem. Es habe keine Funkverbindung mit dem Piloten gegeben.

Bei dem Absturz in der Nähe des Flughafens von Teheran waren in der Nacht auf Mittwoch alle 176 an Bord befindlichen Personen getötet worden. Nach dem Absturz gab es Spekulationen über die Ursache. Aufschlüsse sollen nun die Blackboxes geben. Der Iran werde nach gründlichen Untersuchungen die beiden Blackboxes an die Ukraine übergeben, kündigte die Luftfahrtbehörde an. Laut Staatsanwaltschaft in Teheran sollten auch die Überreste der Leichen an die ukrainischen Behörden übergeben werden.

Iran übergibt Blackboxes nicht an Boeing

Der Absturz hatte Spekulationen ausgelöst, weil er in enger zeitlicher Nähe zu iranischen Luftangriffen auf US-Militärstützpunkte im Irak erfolgte. Diese waren eine Reaktion auf die gezielte Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani bei einem US-Drohnenangriff am Freitag. Die iranische Luftfahrtbehörde hatte den Absturz allerdings nur kurze Zeit nach dem Unglück auf einen technischen Defekt zurückgeführt.

Trümmer bei der Absturzstelle des ukrainischen Flugzeugs nahe Teheran
APA/AFP
Trümmer der Maschine gingen auch über bewohntem Gebiet nieder

Aufschlüsse über die Geschehnisse könnten die beiden Blackboxes des Flugzeugs geben. Iranische Rettungskräfte fanden inzwischen die Boxen, die Flugschreiber und Stimmaufzeichnungen enthalten. Laut der iranischen Nachrichtenagentur ISNA begannen iranische Fachleute mit der Auswertung. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Mehr zufolge will die iranische Luftfahrtbehörde die Blackboxes aber „nicht dem Hersteller und den USA“ übergeben.

Ukrainische Botschaft zog Stellungnahme zurück

Befeuert wurden die Spekulationen vom Vorgehen der ukrainischen Botschaft im Iran. Diese zog am Mittwoch eine erste Stellungnahme zu dem Unglück zurück und veröffentlichte eine zweite. Darin hieß es, die Ursachen des Absturzes der Maschine der Ukraine International Airlines seien nicht ermittelt. Frühere Einschätzungen dazu seien nicht offiziell gewesen. In der ersten Stellungnahme war noch von Triebwerksversagen bei der Boeing 737 die Rede gewesen und „Terrorismus“ als Ursache ausgeschlossen worden.

Trümmer bei der Absturzstelle des ukrainischen Flugzeugs nahe Teheran
Reuters/Wana News Agency
Von der Boeing 737 blieben nur Trümmer über

In Kiew wurde der ukrainische Ministerpräsident Oleksij Hontscharuk von Journalisten gefragt, ob das Flugzeug von einer Rakete abgeschossen worden sein könnte. Er warnte daraufhin vor Spekulationen, bevor die Ergebnisse einer Untersuchung bekannt seien. Hontscharuk sagte ferner, Flüge ukrainischer Maschinen durch den iranischen Luftraum seien ab Donnerstag verboten.

Unstimmigkeiten gab es auch bezüglich der Nationalität der Opfer. Laut der Regierung in Kiew waren an Bord des Flugzeugs neben elf Ukrainern 82 Iraner, 63 Kanadier, zehn Schweden, vier Afghanen, drei Briten und drei Deutsche. Die deutsche Regierung ging allerdings davon aus, dass bei dem Flugzeugabsturz keine Deutschen an Bord waren. Iranischen Staatsmedien zufolge kamen bei dem Unglück 15 Kinder ums Leben.

Maschine erst vor vier Jahren neu gekauft

Der Präsident von Ukraine International Airlines, Jewgenio Dychne, sagte in Kiew, die Maschine habe vor dem Absturz bereits eine Höhe von 2.400 Metern erreicht. „Die Wahrscheinlichkeit für einen Fehler der Besatzung ist minimal“, hieß es vom Vizepräsidenten der Fluggesellschaft, Igor Sosnowski. Der Airline zufolge war die Maschine wenige Jahre alt und wurde erst am Montag technisch überprüft. Die Boeing 737 des Baujahres 2016 sei direkt beim Hersteller erworben worden.

Boeing reagierte kurz nach dem Absturz mit einem Tweet: „Uns sind die Medienberichte aus dem Iran bekannt, und wir tragen gerade mehr Informationen zusammen.“ Bei der Absturzmaschine handelt es sich nicht um das von Problemen gebeutelte Modell Boeing 737 Max.

„Schreckliche Nachrichten aus dem Nahen Osten“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski sprach den Hinterbliebenen sein Mitgefühl aus. „Schreckliche Nachrichten aus dem Nahen Osten“, teilte er in der Früh via Facebook mit. Niemand habe das Unglück überlebt. „Mein aufrichtiges Beileid an die Familien und Freunde aller Passagiere und Besatzungsmitglieder.“

Nach Angaben des Staatsoberhauptes will die ukrainische Botschaft im Iran nun alle Informationen über die Umstände der „Tragödie“ zusammentragen. Die Namen der Toten würden nun aufgelistet, schrieb Selenski. Der 41-Jährige brach nach dem Unglück seinen Aufenthalt in Oman auf der arabischen Halbinsel ab.

Zahlreiche Airlines meiden Luftraum

Kurz nach den iranischen Raketenangriffen auf Militärstützpunkte im Irak hatte die US-Luftfahrtbehörde (FAA) US-Jets die Nutzung des Luftraums in Teilen des Nahen Ostens untersagt. Über dem Persischen Golf, dem Golf von Oman, im Irak und im Iran dürften in den USA registrierte Flugzeuge „wegen erhöhter militärischer Aktivitäten und steigender politischer Spannungen“ nicht mehr operieren, hieß es in einer Mitteilung. Es gebe ein erhöhtes Risiko, dass ein Flugobjekt falsch identifiziert werde.

Einsatzkräfte bei der Absturzstelle des ukrainischen Flugzeugs nahe Teheran
AP/Ebrahim Noroozi
Dutzende Helfer waren an der Absturzstelle im Einsatz

Andere Fluglinien folgen dem Beispiel und streichen einige Flüge in die Region. Emirates etwa kündigte Mittwochfrüh an, einen für denselben Tag geplanten Rückflug in die irakische Hauptstadt Bagdad nicht durchzuführen. Flydubai strich ebenfalls einen Flug nach Bagdad. Lufthansa streicht vorerst den täglichen Flug von Frankfurt nach Teheran. Die Fluglinie will den betroffenen Flugraum meiden. Air France teilte am Vormittag ebenfalls mit, alle Flüge über dem irakischen und iranischen Luftraum auszusetzen. Auch Turkish Airlines setzte Flüge in die beiden Länder vorerst aus.