Boeing-Fabrik von außen
APA/AFP/Oli Scarff
Boeing-Mitarbeiter

737 Max „von Clowns designt“

Die Kritik an der mit einem Flugverbot belegten Boeing 737 Max reißt nicht ab: In internen Nachrichten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde schon lange vor den Abstürzen zweier Maschinen über das Modell gespottet. Die 737 Max sei „von Clowns designt, die von Affen beaufsichtigt werden“, schrieben Boeing-Angestellte in den am Donnerstag von US-Kongressabgeordneten veröffentlichten Mails.

Nach zwei Abstürzen von Passagiermaschinen des Typs Boeing 737 Max, bei denen insgesamt 346 Menschen ums Leben kamen, gilt seit März 2019 ein Flugverbot für das Modell. Die neuen Dokumente dürften die Beziehungen von Boeing zu den Aufsichtsbehörden weiter verschlechtern, während sich das Unternehmen bemüht, die Genehmigung für die erneute Inbetriebnahme des Unglücksmodells zu bekommen.

„Würden Sie Ihre Familie in ein Flugzeug setzen, dessen Crew am Max-Simulator trainiert hat? Ich würde das nicht“, schrieb ein Boeing-Mitarbeiter in einem Austausch mit einem Kollegen. „Nein“, antwortete dieser.

Kritik auch an Unternehmenskultur

„Gott hat mir noch immer nicht für das vergeben, was ich im vergangenen Jahr vertuscht habe“, hieß es von einem weiteren Mitarbeiter in einer Nachricht aus dem Jahr 2018 in Bezug auf den Umgang mit der FAA. Im August 2015 schrieb ein Angestellter über die Behörde: „Ich weiß, aber das ist es, was diese Regulierungsbehörden bekommen, wenn sie versuchen, sich in den Weg zu stellen. Sie behindern den Fortschritt.“

Produktion der Boeing 737
Reuters/Jason Redmond
Die 737 Max ist seit Monaten ein Problemfall für den US-Flugzeughersteller

In anderen Mails beklagen sich die Boeing-Angestellten über die Unternehmenskultur. Der Hersteller versuche immer den billigsten Lieferanten zu finden und sage Zeitpläne zu, die nicht einzuhalten seien, hieß es in einer internen E-Mail mit Bezug auf den Flugsimulator für die 737 Max. „Ich weiß nicht, wie man das wieder hinkriegen soll … das ist systemisch. Es ist Tatsache, dass wir ein Führungsteam haben, das sehr wenig vom Geschäft versteht und uns doch zu bestimmten Zielen steuert“, schrieb ein Mitarbeiter im Juni 2018.

Nachrichten im Hinblick auf Transparenz publik gemacht

Boeing erklärte zum Bekanntwerden der internen Dokumente, einige davon würden sich auf die Entwicklung von Boeings Max-Flugsimulatoren in den Jahren 2017 und 2018 beziehen. Die Mitteilungen seien im Interesse der Transparenz an die Untersuchungsbeauftragten des Kongresses geschickt worden, hieß es von Boeing. Auch die US-Flugaufsicht FAA habe die Dokumente bereits im Vormonat erhalten, schrieb die BBC.

„Diese neu veröffentlichten E-Mails sind unglaublich vernichtend“, sagte Peter DeFazio, der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im US-Repräsentantenhaus. „Sie zeichnen ein zutiefst beunruhigendes Bild davon, wie weit Boeing offenbar bereit war zu gehen, um sich der Kontrolle der Aufsichtsbehörden, der Flugbesatzungen und der fliegenden Öffentlichkeit zu entziehen.“

Boeing: Kommunikation „inakzeptabel“

Boeing selbst nannte die Nachrichten „inakzeptabel“. „Diese Gesprächsverläufe spiegeln nicht das wider, was wir als Unternehmen sind und sein müssen“, zitierte die BBC den US-Flugzeughersteller. Von der FAA hieß es, dass „alle potenziellen Sicherheitsmängel in den Dokumenten adressiert“ wurden. „Der Tonfall und Inhalt“ seien jedoch „enttäuschend“, so die Behörde.

Seit Monaten in der Krise

Boeing steckt seit den Abstürzen einer Maschine der indonesischen Fluggesellschaft Lion Air im Oktober 2018 und eines Flugzeugs der Ethiopian Airlines im vergangenen März in einer tiefen Krise. Ermittler vermuten, dass die Unglücksfälle mit dem Stabilisierungssystem MCAS zusammenhängen, das bei einem drohenden Strömungsabriss die Flugzeugnase nach unten drückt.

Wegen des weltweiten Flugverbots mussten Fluggesellschaften Tausende Flüge streichen und auf andere Maschinen zurückgreifen. Sie verlangen von Boeing deswegen Entschädigungen. Das Unternehmen stellte im Juli 5,6 Milliarden Dollar (knapp 5,1 Mrd. Euro) für solche Zahlungen zurück. Im Dezember setzte Boeing dann seinen umstrittenen Chef Dennis Muilenburg ab. Künftig soll der bisherige Verwaltungsratsvorsitzende David Calhoun den Konzern führen.

Zulieferer kündigt 2.000 Personen

Die Causa stürzt auch andere Unternehmen in die Krise. Am Freitag teilte der Boeing-Zulieferer Spirit AeroSystems mit, aufgrund des Produktionsstopps bei der 737 Max 2.800 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entlassen zu müssen. Das entspreche 16 Prozent der Belegschaft, erklärte das US-Unternehmen am Freitag. Die Max-Maschinen stünden für die Hälfte des jährlichen Umsatzes, und Boeing habe bisher nicht mitgeteilt, wie lange der Produktionsstopp andauern werde. Spirit AeroSystems baut unter anderem den Flugzeugrumpf für die Boeing 737 Max.