Bundeskanzler Sebastian Kurz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen
APA/Roland Schlager
Besuch in Brüssel

Kurz blickt „optimistischer“ in Richtung EU

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist am Sonntag zum Antrittsbesuch in Brüssel, wo Treffen mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Brexit-Chefverhandler Michel Barnier auf dem Programm gestanden sind. Vor Medien sagte Kurz, er blicke heute „optimistischer als damals“ in Richtung Brüssel. Ende 2017, als er das erste Mal Kanzler war, habe eine „sehr schlechte Stimmung“ geherrscht, so Kurz.

Doch bezog er sich dabei weniger auf seine damalige Koalition mit der FPÖ, die aus Brüsseler Sicht durchaus kritisch beäugt worden war, als vielmehr auf den Brexit. „Das war eine Phase, in der alle ratlos dem Votum der Briten gegenüber gestanden sind, es waren die Auswirkungen der falschen Migrationspolitik in vielen Ländern spürbar, es gab Spannungen mit Russland und große Gräben zwischen Ost und West“, sagte der Kanzler.

Letztere seien immer noch vorhanden, räumte Kurz ein. Daher werde er auch in Abstimmung mit von der Leyen das Gipfel-Treffen der gegenüber Brüssel oft extrem kritischen „Visegrad-Vier“ Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn in Prag besuchen. Österreich müsse als „Land im Herzen der EU“ als Vermittler eine Brückenfunktion einnehmen, begründete der Kanzler seine Reise zu dem Treffen. 30 Jahre nach dem Abbau des Eisernen Vorhangs sei es ganz entscheidend, die neu entstandenen Gräben zwischen Ost und West zu reduzieren.

Kommission hofft bei „Dublin-Reform“ auf Österreich

Bei der Reform des europäischen Asylrechts hoffe von der Leyen auf die Unterstützung Österreichs, wie sie sagt. Bis Ende März will die Kommissionspräsidentin dieses vorlegen. Dabei geht es vor allem um die „Dublin-Verordnung“, also die Zuständigkeiten, welcher Mitgliedsstaat sich um ein Asylverfahren zu kümmern hat. „Da brauchen wir eure Unterstützung“, sagte von der Leyen in Richtung Österreich. Sie attestierte Österreich diesbezüglich schon jetzt eine „hohe Glaubwürdigkeit“.

Bundeskanzler Sebastian Kurz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen
Reuters/Johanna Geron
Kurz und von der Leyen – alte Bekannte, die vor allem beim Klimaschutz Einigkeit zeigen

Kurz hob unterdessen vor Medien in Brüssel ähnlich wie schon bei seinen Besuchen während der ÖVP-FPÖ-Koalition seine „konsequente Linie im Kampf gegen illegale Migration“ hervor. Er freue sich auf die Initiativen der Kommission, stellte aber einmal mehr klar, dass „eine Verteilung (von Flüchtlingen, Anm.) auf Europa nicht die Lösung sein wird“, so Kurz. Vielmehr gehe es darum, dass Menschen sich nicht „illegal auf den Weg über das Mittelmeer“ machen würden.

Daher wolle er mit Küstenwachen zusammenarbeiten sowie gegen Schlepperei vorgehen. „Rettung soll nicht mit einem Ticket nach Mitteleuropa verbunden sein, sondern mit Rückführung“, so der Kanzler. Es gehe darum, Todeszahlen zu verhindern, aber auch die Überforderung in Europa.

„Wenn schon Brexit, dann zeitnah“

Bezüglich des Brexit meinte Kurz im Vorfeld seines Gesprächs mit Barnier, es sei „allen Beteiligten“ zu gratulieren, dass sich eine Lösung für den Austritt der Briten aus der Union abzeichne. „Ich bin kein Freund des Brexit, aber wenn er schon stattfindet, dann geordnet und zeitnah.“ Dann gelte es, sich zügig neuen Themen zu widmen.

Diesbezüglich sollte sich die EU neu orientieren. Aus seiner Sicht sei es vordringlich, die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union zu stärken. Schließlich sei das die Basis „für alles Weitere“. Nur mit wirtschaftlichem Erfolg könnten Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden. Diese seien wiederum die Grundlage für Steuereinnahmen, aus denen sozialstaatliche Ausgaben finanziert werden könnten. Geopolitisch müsse auf Herausforderungen wie die „Digitalisierung“ und auf eine „neue Weltordnung“ durch den Aufstieg Chinas zur Wirtschaftsmacht adäquat reagiert werden.

„Atomenergie nicht nachhaltig“

Weiters nannte der Kanzler die Klimapolitik als wichtigen Schwerpunkt. Dieser deckt sich durchaus auch mit von der Leyens Fokus auf den europäischen „Green Deal“. Wörtlich sprach Kurz auch vom „Umgang mit unserer Schöpfung“. Zum Erreichen des Ziels der Klimaneutralität sei es begrüßenswert, dass auch die EU den in Österreich bereits beschlossenen Ausstieg aus der Energiegewinnung durch Kohlekraftwerke vorantreiben wolle. Es dürfe aber nicht im Gegenzug die Atomenergie forciert werden, warnte Kurz. „Das ist nicht nachhaltig.“

Michel Barnier und Sebastian Kurz
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Mit Barnier sprach Kurz über den noch im Jänner anstehenden Brexit

Von der Leyen sieht durchaus im Sinne des „Green Deal“ Österreich als Vorbild für die EU. „Es ist beeindruckend zu sehen, dass Österreich es sich zum Ziel gesetzt hat, 2040 klimaneutral zu sein“, so die Kommissionspräsidentin. „Ich hoffe, dass das österreichische Modell mit diesen ambitionierten Zielen Schule macht bei uns.“

Der Regierungschef bekräftigte weiters die Unterstützung Österreichs für die EU-Beitrittsambitionen der Westbalkan-Staaten. Es könne nicht sein, dass etwa ein Land wie Nordmazedonien, das „Großes“ geleistet habe, um sich der EU anzunähern, durch das Veto Frankreichs keine Perspektive mehr sehe, sagte der Bundeskanzler unter Bezug auf die von der Regierung in Skopje erzielte Einigung im Namensstreit mit Griechenland.

Treffen mit Ratspräsidenten verschoben

Außerdem wiederholte der ÖVP-Chef seine Forderung, dass die EU dem Prinzip der „Subsidiarität“ folgen müsse. „Sie soll sich auf die großen Fragen fokussieren, in regionalen Fragen aber die jeweiligen Länder selbst entscheiden lassen.“ Das würde auch zu einer Reduktion der Bürokratie führen, so Kurz. Die EU könne aber durchaus auch weltpolitisch eine größere Rolle spielen als jetzt. „Ich glaube, wir können relevanter werden, wenn wir unsere Politik wirtschaftlich und entwicklungspolitisch mehr einbringen.“ Die EU könne ein wichtiger Player werden. „Das geht aber nur, wenn man Mittel, die man hat, nützt.“

Kurz auf Einstandsbesuch in Brüssel

Bei seiner ersten Auslandsreise seit der Angelobung traf Kurz in Brüssel Barnier und von der Leyen.

Die Atmosphäre bei seinen Treffen in Brüssel beschrieb Kurz übrigens als ähnlich wie auch schon bei seinem letzten Antrittsbesuch als Kanzler der ÖVP-FPÖ-Regierung. „Auch damals bin ich sehr freundlich empfangen worden“, sagte der Kanzler zu Medien. Damals äußerte jedoch nicht zuletzt der frühere Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auch seine Bedenken gegenüber einer Regierung mit der FPÖ.

Am Sonntag hingegen herrschte ein durchwegs amikaler Ton. Einzig zu einer Terminabsage ist es gekommen, denn neben den Treffen mit von der Leyen und Barnier war eigentlich auch eines mit dem EU-Ratspräsidenten Charles Michel vorgesehen. Es wurde aber auf einen späteren Termin verschoben, weil Michel am Sonntag in Kairo mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi die sich zuspitzende Lage im Bürgerkriegsland Libyen erörtern wollte.