Helfer am Ort des Flugzeugunglücks bei Teheran
AP/Ebrahim Noroozi
Nach Flugzeugabschuss

Iran weist Vertuschungsvorwurf zurück

Erst am Samstag, am vierten Tag nach dem Absturz der ukrainischen Passagiermaschine kurz nach dem Start vom Flughafen von Teheran, hat das iranische Militär zugegeben, das Flugzeug irrtümlich abgeschossen zu haben. 176 Menschen starben bei dem Absturz. Nach großen regierungskritischen Demonstrationen am Wochenende im Iran weist die Regierung nun Vertuschungsvorwürfe zurück.

„In diesen betrüblichen Tagen wurde viel Kritik an Verantwortlichen und Autoritäten unseres Landes laut“, sagte Regierungssprecher Ali Rabiei am Montag im Staatsfernsehen. „Einige Verantwortliche wurden sogar der Lüge und Vertuschung bezichtigt – das war jedoch, in aller Ehrlichkeit, nicht der Fall.“

Bei den Demonstrationen gab es zudem Rücktrittsaufrufe für alle an dem Abschuss Beteiligten. US-Präsident Donald Trump stellte sich via Twitter demonstrativ hinter die Proteste. Trump warnte die iranische Führung davor, gewaltsam gegen protestierende Regierungskritiker vorzugehen.

Protestierende vor der britischen Botschaft in Teheran
AP/Ebrahim Noroozi
Bis zu 3.000 regierungskritische Demonstranten gingen am Wochenende in Teheran auf die Straße

Trumps „Krokodilstränen“

„Töten Sie nicht Ihre Demonstranten“, schrieb Trump am Sonntag in Großbuchstaben auf Twitter. „Tausende sind von Ihnen bereits getötet oder inhaftiert worden.“ Die USA und die ganze Welt würden zuschauen, warnte Trump. Später ließ er die Twitter-Nachricht auf Persisch wiederholen.

Der US-Präsident vergieße „Krokodilstränen“, reagierte Teheran auf den Tweet Trumps. „Stehen Sie an der Seite der Iraner oder gegen sie, wenn Sie ihren Nationalhelden (General Kassem Soleimani, Anm.) in einer Terroraktion töten lassen?“, fragte Außenamtssprecher Abbas Mussawi ebenfalls via Twitter. Außerdem habe Trump kein Recht, auf Persisch zu twittern, nachdem er jahrelang das iranische Volk mit Drohungen und Sanktionen terrorisiert habe.

Umgang mit Demonstrierenden „Gratwanderung“

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, warnte im ZDF-Interview am Montag vor zu viel Unterstützung für die Demonstranten. Das könne auch dazu führen, dass der Konflikt eskaliert. Damit kritisierte er Trumps Verhalten. Der richtige Umgang mit den Demonstrierenden im Iran sei eine der „schwersten Gratwanderungen“, so Ischinger. Neben Zurückhaltung und Vorsicht müsse man der iranischen Bevölkerung auch zeigen, dass der Protest in der Welt gesehen werde.

Irans Außenminister Dschawad Mohammed Sarif
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Der iranische Außenminister Sarif machte das „Abenteurertum der USA“ für den Abschuss mitverantwortlich

Der iranische Präsident Hassan Rouhani hatte den Abschuss „zutiefst“ bedauert. Auch Außenminister Mohammed Dschawad Sarif entschuldigte sich, machte aber das „Abenteurertum der USA“ für die Katastrophe mitverantwortlich. Sarif bezog sich dabei auf die von US-Präsident Trump angeordnete Tötung des hochrangigen iranischen Generals Soleimani Anfang Jänner in Bagdad.

Zweifel an Trumps Darstellung

In den USA wachsen indes die Zweifel an der Begründung Trumps für die Tötung Soleimanis. US-Verteidigungsminister Mark Esper sagte dem US-Sender CBS am Sonntag auf die Frage nach einem Beweis für die von Trump angeführten angeblichen Angriffspläne auf vier US-Botschaften: „Ich habe in Bezug auf vier Botschaften keinen gesehen.“ Auch die US-Demokraten meldeten Zweifel an der Begründung an und kritisierten, dass der Kongress vorab nicht konsultiert worden war.

Proteste im Iran weiten sich aus

Die regierungskritischen Proteste in Teheran weiten sich nach dem Abschuss einer Passagiermaschine durch den Iran aus. Bis zu 3.000 Menschen demonstrierten am Sonntag laut der Nachrichtenagentur ILNA.

Trump hatte dem Sender Fox News am Freitagabend gesagt, dass „wahrscheinlich“ die Botschaft in der irakischen Hauptstadt Bagdad angegriffen werden sollte. Dann ergänzte der Republikaner: „Ich kann verraten, dass ich glaube, dass es wahrscheinlich vier Botschaften gewesen wären.“ Trump hatte die gezielte Tötung Soleimanis am 3. Jänner in Bagdad mit einer unmittelbar bevorstehenden Bedrohung für Amerikaner gerechtfertigt, womit die Operation aus US-Sicht ein legitimer Anti-Terror-Einsatz gewesen wäre.

Offenbar weitere Proteste im Iran

Wie Videos in Social-Media-Kanälen zeigen, gehen die Proteste in Teheran am Montag den dritten Tag in Folge weiter. Reuters konnte die Authentizität dieser Bilder aber nicht bestätigen. Andere im Internet verbreitete Videos zeigen Schüsse, die in unmittelbarer Nähe von Kundgebungen zu hören waren. Auch Blutlacken waren zu sehen.

In einigen Videos schlagen Einsatzkräfte mit Schlagstöcken auf Demonstranten ein. Menschen rufen: „Schlagt sie nicht!“ Bei diesen Videos konnte die Authentizität der Videos zunächst ebenfalls nicht überprüft werde. Die iranische Polizei dementierte am Montag, auf Demonstranten geschossen zu haben. Die Polizei in Teheran habe die Anweisung gehabt, sich zurückzuhalten.

Ischinger: An Atomabkommen festhalten

Auch wenn das Atomabkommen mit dem Iran seit dem Ausstieg der USA wackelt, appellierte Ischinger dennoch an die EU, an der 2015 geschlossenen Vereinbarung mit Teheran festzuhalten: „Ich würde es für falsch halten, wenn wir Europäer irgendwelche Zweifel an dem Nuklearabkommen aufkommen lassen würden.“ Die Europäer drohen dem Iran dabei mit härteren Schritten. Der Iran müsse zur Einhaltung des Vertrages zurückkehren, forderten die Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens in der Nacht auf Montag.

Zugleich sagten sie: „Wir behalten uns vor, auf alle in der Vereinbarung vorgesehenen Maßnahmen zurückzugreifen, um diese Vereinbarung zu erhalten und Fragen in Bezug auf Irans Umsetzung seiner Verpflichtungen aus der Vereinbarung zu klären.“ Das lässt sich als Drohung der Europäer lesen, den im Atomabkommen enthaltenen Mechanismus zur Konfliktlösung auszulösen. Dieser Prozess könnte, muss aber nicht in eine Wiedereinsetzung der UNO-Sanktionen gegen den Iran münden.

Diplomatische Krise mit Großbritannien

Das britische Außenministerium bestellte den iranischen Botschafter Hamid Baeidinedschad ein, um gegen die vorübergehende Festsetzung des britischen Botschafters in Teheran am Samstag zu protestieren. Dem Botschafter sollten die „schweren Einwände“ gegen diese Maßnahme vorgetragen werden, die einen „nicht hinnehmbaren Bruch“ der diplomatischen Gepflogenheiten darstellten, teilte das Amt von Premierminister Boris Johnson in London mit.

Die iranischen Behörden hatten den britischen Botschafter Rob Macaire kurzzeitig in Gewahrsam genommen und ihm vorgeworfen, sich an illegalen Protesten beteiligt und diese provoziert zu haben. Macaire wies die Vorwürfe zurück. Vielmehr sei er zu einer Trauerwache für die Opfer des abgeschossenen ukrainischen Flugzeugs gegangen und habe diese verlassen, als dort regierungskritische Rufe laut geworden seien.

EU-Behörde rät von Flügen über Iran ab

Unterdessen fand in Kanada eine Trauerfeier für 57 kanadische Passagiere statt. Premier Justin Trudeau versprach den Hinterbliebenen „Gerechtigkeit“. „Diese Tragödie hat unsere iranisch-kanadische Gemeinde getroffen, aber es war wahrhaftig eine kanadische Tragödie“, sagte Trudeau bei der Zeremonie an der Universität Edmonton.

Knapp eine Woche nach dem Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine bei Teheran rät nun die EU-Flugsicherheitsbehörde EASA von Flügen jeder Höhe über dem Iran ab. Das sei eine mit der EU-Kommission abgesprochene Vorsichtsmaßnahme. Schon am Freitag hatte sich die EASA gegen Flüge in einer Höhe von weniger als 25.000 Fuß (7.620 Meter) ausgesprochen.