Geldscheine auf einem Haufen
ORF.at/Christian Öser
Eine Milliarde Budgetplus

„Überflussillusion“ ist fehl am Platz

Der Budgetüberschuss 2019 wird um fast eine Milliarde höher ausfallen als ursprünglich veranschlagt. Während die Opposition am Wochenende eine „bewusste Täuschung“ witterte, zeigen sich Wirtschaftsforscher wenig überrascht – und warnen davor, sich „einer Überflussillusion hinzugeben“.

Aus aktuellen Zahlen des Finanzministeriums geht hervor, dass der vorläufige administrative Überschuss bei 1,4 Milliarden Euro liegt – veranschlagt war nur ein Plus von 514 Millionen Euro. Der Betrag, der 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht, sei „ein Startbonus für die neue Regierung“, sagte Martin Kocher, Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS) am Montag im Ö1-Mittagsjournal – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Es wäre aber falsch, sich nun „einer Überflussillusion hinzugeben“ und zu glauben, man könnte „ein Füllhorn ausschütten“. Kocher: „Wir haben Spielraum, das ist gut, aber der Spielraum ist nur kurzfristig gegeben aus meiner Sicht.“ Noch nüchterner sieht das Hans Pitlik vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO): Nachdem schon damit gerechnet worden sei, dass Zusatzeinnahmen bevorstünden, hätten sich kaum zusätzliche Spielräume eröffnet.

„Großartig versteckt wurde die Milliarde nicht“

Auch für Lukas Sustala von der Agenda Austria kommt die zusätzliche Milliarde im Budget nicht überraschend. Es habe sich schon im Laufe des Vorjahres abgezeichnet, dass die Steuereinnahmen aufgrund der guten Beschäftigung und der stabilen Konjunktur höher ausfallen werden als ursprünglich budgetiert. „Wirklich großartig versteckt wurde diese Milliarde nicht“, sagte Sustala.

Ebendies hatte die SPÖ am Sonntag nach Bekanntwerden des Überschusses gemutmaßt: „Ein Budgetüberschuss von einer Milliarde kommt nicht von heute auf morgen. Sebastian Kurz und sein Team kannten diese Zahlen wohl schon länger und haben sie den Grünen bewusst vorenthalten“, hielt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch fest. FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl wiederum zeigte sich über die Schlagzeile der „Kronen Zeitung“ verärgert, wonach „Türkis-Grün eine Milliarde gefunden“ habe. „Es würde mich nicht wundern, wenn diejenigen, die dieses Geld jetzt angeblich gefunden haben, es selbst schon vor längerer Zeit versteckt hätten“, so Kickl.

Teilweise schon verplant

Sustala erinnerte am Montag daran, dass ein Teil der zusätzlichen Milliarde außerdem schon verplant sei durch diverse Maßnahmen, die das Parlament im freien Spiel der Kräfte vor dem Wahltag abgesegnet hatte – wie die höhere Pensionsanpassung oder die, nun wieder wackelnde, Hacklerregelung. Dazu kämen, sagte Kocher, die großen „strukturellen Fragen“ – Pflege, Gesundheit, Pensionen –, die das Budget immer stärker belasten würden.

Zudem, sind sich die Wirtschaftsforscher einig, fänden sich im türkis-grünen Regierungsprogramm viele teure Maßnahmen – Investitionen in den öffentlichen Verkehr und den Klimaschutz, Senkung von Lohn- und Unternehmenssteuern – deren Gegenfinanzierung noch unklar sei. Wie viel die Investitionen tatsächlich ausmachen, werde sich aber erst zeigen, sagte Kocher: „Dafür ist das Regierungsprogramm jetzt noch nicht budgetär genug unterlegt“.

Banger Blick auf Konjunktur

Große Unbekannte bleibt die Konjunktur: Für dieses Jahr ist eine Abschwächung prognostiziert, „aber sie sollte sich im zweiten Halbjahr wieder verbessern“, sagte Kocher. „Die Arbeitslosigkeit wird hoffentlich, wenn unsere Prognosen stimmen, nur leicht ansteigen. Das heißt, es gibt weiterhin recht gute Voraussetzungen. Aber das ist unter der Annahme, dass nichts Außergewöhnliches passiert.“ Nachdem auch Länder und Gemeinden im Vorjahr gut gehaushaltet haben dürften – Wien meldete am Wochenende überraschend ein ausgeglichenes Budget –, stehen die Chancen für ein zumindest ausgeglichenes Budget 2020 gut.

Einen erfreulichen budgetären Lauf nahm das vergangene Jahr auch in Deutschland: Die dortige Regierung nimmt aus dem Haushalt 2019 trotz schwacher Konjunktur einen Rekordüberschuss in Höhe von 13,5 Milliarden Euro mit in das neue Jahr. Ein wichtiger Grund dafür war laut Finanzressort, dass der Bund weniger als erwartet an Zinsen für den Schuldendienst zahlen musste. Außerdem fielen die Steuereinnahmen um 3,5 Milliarden Euro höher aus als geplant. Minister Olaf Scholz (SPD): „Wir hatten ein bisschen Glück, und natürlich haben wir auch gut gewirtschaftet.“