Joaquin Phoenix in „Joker“
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Nominierungen

„Joker“ führt Rennen um Oscars an

Todd Phillips’ Anti-Superhelden-Thriller „Joker“ ist mit elf Nominierungen Oscar-Favorit. Aber auch „The Irishman“, „1917“ und „Once Upon a Time in Hollywood“ sind mit zehn Nominierungen gut im Rennen, wie die Oscar-Akademie am Montag mitteilte. Insgesamt sind die Nominierungen würdig ausgefallen – und dabei fast schon etwas zu „altehrwürdig“. Von wegen „Good old Hollywood is dying“.

„Joker“ war nach dem Kinostart im Vorjahr nicht umsonst in aller Munde. Der düstere Thriller von Regisseur Phillips hat unter anderem Chancen auf Auszeichnungen in den Kategorien „Bester Film“ und „Beste Regie“ sowie für Hauptdarsteller Joaquin Phoenix.

Jeweils zehn Nominierungen heimsten „The Irishman“ (Martin Scorsese), „1917“ (Sam Mendes) und „Once Upon a Time in Hollywood“ (Quentin Tarantino) ein, „Little Women“ (Greta Gerwig) immerhin sechs. Diese Favoriten sind neben „Joker“ allesamt in der Königskategorie für den besten Film nominiert. Außerdem haben sowohl Phillips als auch Scorsese, Mendes und Tarantino Chancen auf den besonders begehrten Regie-Oscar.

Regisseurin Greta Gerwig und Schauspielerin Meryl Streep am Set von „Little Women“
AP/Sony Pictures/Wilson Webb
„Little Women“: Regisseurin Greta Gerwig mit Darstellerin Meryl Streep

Von Kathy Bates bis Laura Dern

Gleich doppelt im Rennen um die Oscars ist heuer Scarlett Johansson, die einerseits mit ihrer Leistung in Noah Baumbachs „Marriage Story“ bei den besten Schauspielerinnen hoffen darf und andererseits bei den Nebendarstellerinnen für „Jojo Rabbit“ nominiert wurde. Bei den Hauptdarstellerinnen bilden Cynthia Erivo („Harriet“), Saoirse Ronan („Little Women“), Charlize Theron („Bombshell“) und Renee Zellweger („Judy“) die Konkurrenz.

Bei den Nebendarstellerinnen sieht sich Johansson Hollywood-Legenden wie Kathy Bates („Richard Jewell“) und Laura Dern („Marriage Story“) sowie Florence Pugh („Little Women“) und Margot Robbie („Bombshell“) gegenüber.

Altbewährte Darstellerriege

Im Gegenzug kann sich bei den Herren Antonio Banderas für seine Rolle in Pedro Almodovars „Leid und Herrlichkeit“ Hoffnungen auf den Preis als bester Darsteller machen. Das gilt auch für Leonardo DiCaprio für seine Leistung in „Once Upon a Time in Hollywood“, Adam Driver als Johanssons Scheidungsgatte in „Marriage Story“ und neben Phoenix auch Jonathan Pryce in „Die zwei Päpste“.

Bei den männlichen Nebendarstellern entspinnt sich heuer ein Kampf der älteren und echten Altstars, treffen hier doch Tom Hanks („Der wunderbare Mr. Rogers“), Anthony Hopkins („Die zwei Päpste“), Al Pacino („The Irishman“), Joe Pesci („The Irishman“) und Brad Pitt („Once Upon a Time in Hollywood“) aufeinander.

Joaquin Phoenix mit einem Golden Globe
APA/AFP/Getty Images/Kevin Winter
„Joker“-Darsteller Phoenix kürzlich mit seinem Golden Globe – oder besser einem Bild davon

„Es gibt keinen verfickten besten Schauspieler“

Bei den Golden Globes wurden kürzlich „1917“ als bestes Filmdrama und „Once Upon a Time in Hollywood“ als beste Komödie ausgezeichnet. Den Globe für den besten Schauspieler erhielt Phoenix – und verstörte angeblich bei der Verleihung das Publikum mit einer vor „Fucks“ nur so strotzenden Dankesrede. Unter anderem: „Es gibt keinen verfickten besten Schauspieler!“

Wer bei den Oscars seine Nominierungen in Preise ummünzen kann, entscheidet sich jedenfalls in der Nacht auf den 10. Februar, wenn im Dolby Theatre von Hollywood zum 92. Mal die begehrten Goldstatuetten in 24 Kategorien vergeben werden. Wie im Vorjahr verzichten die Veranstalter dabei auf einen offiziellen Gastgeber, sondern setzen auf mehrere prominente Präsentatoren.

Regisseur Martin Scorsese mit den Schauspielern Al Pacino und Robert De Niro
Reuters/Henry Nicholls
Das angegraute „rat pack“, bestehend aus Pacino, Scorsese und De Niro

Hoffen auf neue Gesichter

Aus heimischer Sicht kann man ganz entspannt zuschauen (auch der ORF wird übertragen). Für den besten nicht englischsprachigen Film ist dieses Mal kein österreichischer Streifen nominiert. Subadeh Mortezais Migrantinnenfilm „Joy“ wurde disqualifiziert, weil der englischsprachige Anteil zu groß sei. Es geht in dem Film um nigerianische Migrantinnen – die sich nun einmal auf Englisch unterhalten. Mortezai stolperte also über einen Formalismus, an der Qualität ihres ansonsten hochgelobten Films scheiterte die Nominierung nicht.

Insgesamt hinterlassen die Nominierungen des Jahres 2020 den Eindruck, es hätten auch die Nominierungen des Jahres 2010, 2000 oder sogar 1990 sein können. Scorsese, Pesci, dann Pitt, Bates und Johansson – frisches Blut oder gar neue Ideen oder unkonventionelle Ansätze beim Filmemachen sind rar, gar keine Frau ist als beste Regisseurin nominiert, trotz eines starken diesbezüglichen Jahrgangs (immerhin ist Gerwigs „Little Women“ als bester Film im Rennen). Ein Lichtblick ist „Parasite“, die Familientragikomödie des südkoreanischen Regisseurs Bong Joon Ho, sie ist sechsmal nominiert, auch als bester Film. Das bringt (hoffentlich) neue Gesichter auf die Oscar-Bühne.

Der (Mini-)Obama-Anteil am Oscar

Eine Fußnote in Sachen Prominenz: Der frühere US-Präsident Barack Obama hat Grund zur Freude: Der von seiner Produktionsfirma Higher Ground produzierte Dokumentarfilm „American Factory“ ist für einen Oscar nominiert worden. Der einst mächtigste Politiker der Welt zeigte sich am Montag im Kurzbotschaftendienst Twitter „glücklich“ über die Nachricht. „Glückwünsche an die unglaublichen Filmmacher und das gesamte Team.“

Obama hatte Higher Ground nach dem Ende seiner Amtszeit zusammen mit seiner Frau Michelle gegründet. In „American Factory“ geht es um die Übernahme einer geschlossenen Autofabrik im Bundesstaat Ohio durch einen chinesischen Milliardär – und den folgenden Kulturschock. Es handle es sich „um die Art von Geschichten, die wir nicht oft genug sehen“, schrieb der Ex-Präsident. „Genau das ist es, was Michelle und ich mit Higher Ground erreichen wollen.“