Windräder vor dem Braunkohle-Kraftwerk Niederaussem in Deutschland
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Klimaneutral bis 2050

Das kostet der „Green Deal“

Als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Dezember den „Green Deal“ präsentiert hat, hat sie vom „Mann-auf-dem-Mond-Moment“ für Europa gesprochen. Denn der ambitionierte Plan soll den Kontinent bis 2050 klimaneutral machen. Was das kostet und wer am meisten profitieren wird, wurde am Dienstag in Straßburg dargelegt.

So will die EU-Kommission bis 2030 zumindest eine Billion Euro an Investitionen für den Kampf gegen die Klimakrise aufbringen, das sind rund 100 Milliarden pro Jahr. Die Vorhaben seien „zum großen Vorteil all unserer Mitgliedsstaaten“, sagte von der Leyen am Dienstag im Europaparlament. Denn die Kosten des Nichthandelns seien „so viel höher und die Folgen so viel schwerer, dass man diese kluge Investition in unsere Zukunft leisten sollte“.

„Der Klimawandel ist eine enorme Herausforderung, daher müssen wir groß denken und handeln“, sagte zuvor schon Valdis Dombrovskis, geschäftsführender Vizepräsident und Wirtschaftskommissar, und gab gegenüber Medien zu, dass am Dienstag der erste „Glaubwürdigkeitstest“ für die neue Kommission vorgelegt wird. „Wir haben den Green Deal letzten Monat auf den Tisch gelegt, und, um es ganz klar auszudrücken, wir müssen unseren Worten Taten folgen lassen“, so Dombrovskis.

Hahn: „Klima-Cash gegen Klima-Crash“

Dazu müssten „zusätzliche Investitionen von 260 Milliarden Euro pro Jahr“ mobilisiert werden, heißt es in einem Dokument der Behörde. Der für Klimaschutz zuständige EU-Kommissionsvize Frans Timmermans sagte, 30 bis 50 Mrd. Euro für neue Investitionen sollen aus dem mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) kommen, den EU-Budgetkommissar Johannes Hahn (ÖVP) zu verhandeln hat.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
APA/AFP/Frederick Florin
Keine Rede ohne den „Green Deal“, das Herzensprojekt von der Leyens

Die Höhe wird aber von ebendiesem abhängen, denn der MFR ist noch nicht fixiert. Hahn verweist immer wieder auf den höheren Finanzierungsbedarf unter anderem für den Kampf gegen die Klimakrise, wohingegen die österreichische Regierung sowie weitere Nettozahlerländer weiterhin maximal ein Prozent der Wirtschaftsleistung beitragen wollen. „Wir brauchen Klima-Cash gegen den Klima-Crash“, sagte Hahn zu Reuters. Die EU-Kommission will indes den Haushaltsrahmen von 2021 bis 2027 auf 1,11 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anheben.

„Juncker-Plan“ mit grünem Mascherl?

Investitionen sollen insbesondere über das InvestEU-Programm erfolgen. Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll zudem „Europas Klimabank“ werden und ihre Kredite in diesem Bereich verdoppeln. Die EU-Kommission zeigt sich überzeugt, dass Geldgeber investieren würden, weil Garantien durch die EU potenzielle Risiken mildern sollen. Das Vorhaben soll eine Eigendynamik entwickeln und erinnert durchaus an den „Juncker-Plan“, einen Investitionsplan für Europa des früheren EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker – „mit grünem Mascherl“, wie es eine EU-Beobachterin gegenüber ORF.at formulierte.

Kohleabbau in Hambach, Deutschland
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Im Hambacher Forst in Deutschland wird noch Braunkohle abgebaut

Dombrovskis ist aber überzeugt: „Der Plan wird alle – von der öffentlichen Hand bis hin zu privaten Investoren – ermutigen, umweltbewusst zu denken. Es ist auch wichtig, dass wir diesen Übergang inklusiv und fair gestalten, damit wir alle an Bord holen können.“ Und weiter: „Der Mechanismus für den gerechten Übergang wird den Regionen, die ihn am dringendsten benötigen, direkte Unterstützung bieten, um neue innovative Sektoren zu entwickeln und die Umschulung von Arbeitnehmern und vieles mehr zu unterstützen.“ Timmermans ergänzte, etwa 45 Mrd. Euro sollen aus privaten Fonds kommen.

Weg von der Kohle

Der „Gerechte Übergangsfonds“, mit dem Regionen, die etwa von Kohle abhängig sind, im Wandel unterstützt werden, soll mehrere Milliarden Euro mobilisieren. Doch komme es auch dabei darauf an, über wie viele Eigenmittel ein Mitgliedsstaat verfüge, gab die Kommission zu. Das relativ reiche Deutschland etwa werde beim Kohleausstieg weniger unterstützt als beispielsweise Polen. Vom Geld für den Kohleausstieg dürfte auch Tschechien profitieren. Die Kommission geht davon aus, dass das übrige benötigte Geld für den Strukturwandel von den Mitgliedsstaaten selbst bezahlt werden wird. Timmermans rechnet mit einer nationalen Finanzierung in Höhe von 114 Mrd. Euro.

Das Atomkraftwerk Dukovany in Tschechien
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Neue Innovationen zu Atomkraft sollen mit dem Übergangsfonds nicht finanziert werden

Laut Kommission könnten in der ganzen EU theoretisch 108 Kohleregionen mit 237.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern betroffen sein. Außerdem stark im Wandel unterstützt werden sollen Torf- und Ölschieferregionen, aber auch Gebiete mit CO2-intensiven Industrien. Ob auch österreichische Regionen für Hilfen infrage kommen, wurde noch nicht spezifiziert. „Bewerben“ könne sich aber jedes Land, so die Kommission.

Der Übergangsfonds ist auch als diplomatisch wichtig zu deuten. Auf dem EU-Gipfel im Dezember hatte Polen die Klimaziele der EU nur mitgetragen, nachdem es eine Sonderregelung für sich durchsetzen konnte. Das Land bezieht 77 Prozent seines Stroms aus Kohle und darf sich mit dem Umstieg per Ausnahme noch länger Zeit lassen. Die Gelder aus dem Übergangsfonds sind jedenfalls mit Vorsicht zu betrachten. Denn etliche Mittel daraus seien sowieso schon als Struktur- und Investitionsfördermittel eingeplant gewesen, kritisiert so manche EU-Beobachterin bzw. so mancher EU-Beobachter.

Kommission: Kein zusätzliches Geld für Kernkraft

Was die Kommission aber festhält, ist, dass sie mit dem Übergangsfonds auf keinen Fall Atomstrom finanzieren will. Für Kernkraftwerke werde kein Geld fließen, heißt es. Ob das auch im gesamten „Investitionsplan für ein nachhaltiges Europa“ so sein wird, ist wegen der notwendigen Zustimmung der Mitgliedsstaaten offen. Jedenfalls dürfte die klare Haltung gegen Kernkraft Tschechien, Ungarn und auch Frankreich stark irritieren. Sie fordern, Atomstrom als grünen Strom anzuerkennen. Österreich, Deutschland und Luxemburg etwa sind hingegen klar gegen Atomstrom.

Inhaltlich gesehen bildet das Dach des „Green Deal“ die Klimaneutralität. Das bedeutet, dass die EU mit all ihren Mitgliedsstaaten bis 2050 nicht mehr Treibhausgas produziert, als sie an Ausgleichsmaßnahmen wie Aufforstung und CO2-Speicherung anbietet. Die Maßnahmen sollen alle Politikbereiche betreffen – Steuern, Verkehr, Landwirtschaft, Industrie, den Gebäudesektor und so weiter. Fossile Energieträger, in erster Linie Erdöl und Kohle, sollen so rasch wie möglich durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Am Mittwoch werden die EU-Abgeordneten in Straßburg über eine nicht legislative Entschließung zum "Grünen Deal“ abstimmen. Erst letztes Jahr hatte das EU-Parlament den Klimanotstand ausgerufen.