Sozialminister Rudolf Anschober
APA/Georg Hochmuth
Mindestsicherung und Pflege

Anschobers Pläne für das Sozialressort

Der neue Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) hat in mehreren am Dienstag veröffentlichten Interviews seine Pläne skizziert. In Sachen Pflegereform, dem ersten großen inhaltlichen Thema der türkis-grünen Regierung, soll es bereits im nächsten Ministerrat einen ersten Beschluss geben. Bei der Mindestsicherung liebäugelt Anschober mit einer Verländerung.

Es gebe in etlichen Bundesländern wie Tirol, Vorarlberg und Wien jetzt schon sehr spannende Lösungen. Sozialpolitisch wäre das der bessere Weg, sagte Anschober der APA. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte Mitte Dezember Kernelemente der Mindestsicherungsreform der ÖVP-FPÖ-Regierung zu Fall gebracht. Anschober hat eine Rechtsprüfung eingeleitet, was auf Basis des VfGH-Entscheids nun notwendig sei.

Entweder es werde das Grundsatzgesetz minus aufgehobene Passagen, die vor allem gegen Bezieherinnen und Bezieher aus dem Ausland gerichtet waren, gelten, oder man gebe die Verantwortlichkeiten eben wieder den Ländern, sagte Anschober. Er sehe bei Zweiterem größeren Charme. „Die Rahmenbedingungen etwa bei den Wohnkosten sind je nach Bundesland aber unterschiedlich. Das kann man auf Landesebene belassen“, so Anschober im Interview mit der „Presse“. Mehr wissen sollte man nach einem informellen Treffen mit den Sozialreferenten der Bundesländer Anfang Februar.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte bereits Anfang Jänner gesagt, dass die Länder die Mindestsicherung künftig wieder selbst gestalten könnten. Die von ihm und seinem vorigen Koalitionspartner FPÖ angestrebte Vereinheitlichung werde es in dieser Form nicht geben, sagte Kurz. „Ich finde das schlecht, aber es ist zu respektieren.“

Dialog mit Sozialpartnern und Zivilgesellschaft

Anders als die ÖVP-FPÖ-Regierung will Anschober indes die Sozialpartner wieder mehr in die politischen Entscheidungen einbeziehen und auch die Zivilgesellschaft ins Boot holen. Er strebe eine „neue Kultur des Dialogs“ an, versprach der Minister. Die Sozialpartnerschaft will Anschober modernisieren und erweitern. In dieser neuen Form sollen nicht nur Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern auch die Zivilgesellschaft eine stärkere Rolle spielen als noch unter der ÖVP-FPÖ-Regierung: „Ich möchte sie auf Augenhöhe am Tisch haben.“

„Österreich-Dialog“ bei Pflegereform

Im Bereich der Pflege werden das etwa die verschiedenen NGOs sein, bei der Gesundheit die dort maßgeblichen Interessenvertreter. In einem „Österreich-Dialog“ will Anschober nun alle Partner kennenlernen, sich ihre Vorschläge anhören und danach in die Arbeit einbeziehen. Ab Ende März sollen dann auf dieser Basis Entscheidungen getroffen werden. Der neue Sozialminister strebt jedenfalls „eine andere Art der Entscheidungsfindung an“ und lehnt das „Drüberfahren“ unter der ÖVP-FPÖ-Koalition ab.

Schon im ersten inhaltlichen Ministerrat am Mittwoch strebt Anschober einen Beschluss für das große Thema Pflege an. Neben der Pflegeassistenz und der Pflegefachassistenz solle es auch eine dritte Ausbildungsmöglichkeit geben. In Sachen Finanzierung der Pflege steht Anschober zu einem „hauptsächlich steuerbasierten System“, weil man damit auch der „öffentlichen Verantwortung“ gerecht werde. Eine ausschließliche Finanzierung über eine Versicherungslösung wie in Deutschland werde es nicht gehen – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Bei der im Koalitionsabkommen angeführten Versicherung, sollte es nach Ansicht Anschobers stark in Richtung Sozialversicherung gehen. Die ÖVP hat hier vor allem die Unfallversicherung AUVA im Auge. Details dazu will Anschober jedenfalls der geplanten Taskforce überlassen, die zum Thema Pflege eingesetzt werden soll. Dabei sollen gemeinsam mit Ländern und Gemeinden neben der Finanzierung auch die Bereiche Qualität und Personal geklärt werden. Eine Wiedereinführung des Pflegeheimregresses werde es nicht geben, sagte Anschober in der „Kleinen Zeitung“.

Pensionsbereich als Baustelle

Im Pensionsbereich sei noch einiges offen, so der Minister. So sind im Regierungsprogramm beim Pensionssplitting eine automatische und eine freiwillige Variante niedergeschrieben. Dass nicht beides geht, bestätigte Anschober. Eine Passage im Programm sei hier mehr türkis und die andere mehr grün. „Keine Patentlösung“ hat der Ressortchef vorerst auch dafür, was das formulierte Ziel einer Annäherung des faktischen an das gesetzliche Antrittsalter angeht.

Nicht vollkommen verschließt sich Anschober Änderungen bei der Sozialversicherungsreform. Nicht alles, was beschlossen und vom VfGH bestätigt wurde, solle aufgedröselt werden. Er wolle aber etwa genau schauen, ob sich die Arbeitgeber-Dienstnehmer-Parität bewähre. Auch den fehlenden Risikoausgleich, der der Gesundheitskasse (ÖGK) die Kosten etwa für Asylwerberinnen und Asylwerber sowie Gefangene alleine überantwortet, will sich Anschober anschauen.

Anschober bedauert Verlust der Arbeitsagenden

Bedauerlich ist für den Minister, dass die Arbeitsagenden von ihm wegwandern, gleichzeitig ist er zuversichtlich, habe er doch großes Vertrauen in die dafür zuständige Sektion und auch in den AMS-Vorstand. Mit Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) will er intensiv zusammenarbeiten.

Dass im Regierungsprogramm von einer Weiterentwicklung des Arbeitslosengeldes die Rede ist, wird laut Anschober auf keinen Fall zu einer Verschlechterung für die Betroffenen führen. Auch die Abschaffung der Notstandshilfe, die die ÖVP-FPÖ-Regierung geplant hatte, sei nicht sein Ziel.

Pflege: Interessante Ansätze, aber „kein großer Wurf“

Was die Pflege betrifft, orten Fachleute unterdessen „interessante Ansätze“ im Regierungsprogramm, aber nicht den „großen Wurf“. Positiv sei etwa der Fokus auf Prävention und die Unterstützung pflegender Angehöriger, so Martin Nagl-Cupal vom Institut für Pflegewissenschaften der Uni Wien gegenüber Ö1.

Ebenfalls als gute Maßnahme sieht Nagl-Cupal die Etablierung von „Community Nurses“. Das sind Ansprechpersonen, die Hausbesuche machen und Angehörigen bei der Auswahl des richtigen Pflegeangebotes helfen. Ähnlich äußerte sich gegenüber Ö1 auch Gerhard Müller vom Institut für Pflegewissenschaft der Tiroler Privatuni UMIT. Ein interessanter Gedanke sei auch die Einführung einer Pflegeversicherung, so Müller.

Eine weitreichende Reform, die Angebot und Finanzierung österreichweit sicherstellt, vermisste Nagl-Cupal freilich. Auch Müller sagte, die große Pflegereform fehle immer noch, die Interessen von Bund und Ländern im Bereich der Pflege seien nach wie vor zu unterschiedlich. Auch in der Einführung einer Pflegelehre sehen die beiden Experten laut Ö1 den falschen Weg – Audio dazu in oe1.ORF.at