Rettungskräfte neben Flugzeugwrackteilen
AP/Ebrahim Noroozi
Abschuss im Iran

Boeing offenbar von zwei Raketen getroffen

Die unmittelbar nach dem Start in Teheran abgeschossene Boeing 737-800 ist offenbar von zwei Raketen getroffen worden. Das legt ein nun aufgetauchtes Video nahe, wie mehrere US-Medien am Mittwoch berichteten. Bereits vergangene Woche wurde unter anderem mit Videoaufnahmen nachgewiesen, dass das Flugzeug mit 176 Menschen an Bord abgeschossen wurde. Laut BBC wurde im Iran nun jene Person verhaftet, von der eines der Videos stammen soll.

Das neu aufgetauchte Video soll von einer Überwachungskamera stammen und wurde nach Angaben der „New York Times“ („NYT“) in der Nacht auf Dienstag von einem iranischen Nutzer auf YouTube hochgeladen. Auf den verschwommenen Aufnahmen ist zu sehen, wie zwei Geschoße im Abstand von 20 bis 30 Sekunden das Flugzeug treffen. Beide Raketen seien aus knapp 13 Kilometer Entfernung von einem iranischen Militärstützpunkt abgefeuert worden, wie neben der „NYT“ auch das „Wall Street Journal“ („WSJ“) berichtete. Beide Blätter gaben unabhängig voneinander an, das Video verifiziert zu haben.

Das neue Video könnte den Berichten zufolge auch eine Erklärung dafür liefern, warum das Kommunikationssystem des Flugzeugs nicht funktioniert habe, bevor die Maschine von der zweiten Rakete getroffen wurde. Möglicherweise habe die erste Rakete das System außer Betrieb gesetzt, bevor das Flugzeug ein zweites Mal getroffen wurde. Keine der beiden Raketen habe die Maschine sofort zum Absturz gebracht. Vielmehr habe sie Feuer gefangen und sei zunächst in Richtung des Flughafens zurückgeflogen, bevor sie explodierte und abstürzte.

Erste Festnahmen

Der „New York Times“ zufolge soll das neue Video vom Dach eines Gebäudes im Dorf Bidkaneh gut sechs Kilometer von dem iranischen Militärstützpunkt entfernt aufgenommen worden sein. Das Flugzeug von Ukraine International Airlines war am 8. Jänner inmitten der militärischen Konfrontation mit den USA nach iranischen Angaben irrtümlich abgeschossen worden.

Zunächst hatten die iranischen Behörden tagelang von einem technischen Defekt gesprochen. Am Samstag hatte der Iran dann eingeräumt, für den Absturz des Passagierflugzeugs mit 176 Opfern verantwortlich zu sein. Unmittelbar vor dem Eingeständnis sorgte bereits ein Video, das einen Abschuss nahelegt, für Schlagzeilen.

Am Dienstag vermeldete die iranische Justiz indes erste Festnahmen in der Causa. Justizsprecher Gholamhossein Esmaili sagte, es habe bereits „umfassende“ Ermittlungen zu dem Flugzeugabschuss sowie „einige“ Festnahmen gegeben. BBC-Angaben zufolge soll sich auch jene Person unter den Festgenommenen befinden, von der das erste Video stammt.

Bericht über zurückgetretene TV-Moderatorinnen

Die iranische Führung steht wegen ihres Umgangs mit der Katastrophe auch im eigenen Land erheblich unter Druck. In den vergangenen Tagen gab es immer wieder wütende Proteste. Am Dienstagabend soll es erneut Proteste an Teheraner Universitäten gegeben haben sowie Zusammenstöße zwischen Studenten und den Basidsch-Milizen, wie in Onlinenetzwerken verbreitete Videos zeigten.

Wegen der über den staatlichen Sender IRIB verbreiteten „Lügen“ hätten „Guardian“-Angaben zufolge zudem die prominenten iranischen Nachrichtensprecherinnen Gelare Dschabbar und Shra Chatami ihren Dienst quittiert. „Vergebt mir für die 13 Jahre, in denen ich Lügen erzählt habe“, hieß es der Zeitung zufolge in einem von Dschabbar veröffentlichten Instagram-Post.

Britischer Botschafter hat Iran verlassen

Der in Zusammenhang mit Protesten am Wochenende kurzfristig festgenommene und vom iranischen Außenministerium dann vorgeladene britische Botschafter Rob Macaire hat nach Angaben der Nachrichtenagentur IRNA unterdessen den Iran verlassen.

Macaire hatte nach eigenen Angaben am Samstagabend nur an einer Trauerkundgebung in Teheran für die Absturzopfer der abgeschossenen ukrainischen Passagiermaschine teilgenommen, unter denen auch Briten waren. Die Veranstaltung habe er nach fünf Minuten verlassen, als Parolen gerufen wurden. Er habe somit nicht wie vom Iran vorgeworfen an einer Demonstration teilgenommen.

Sarif sieht weiter Mitschuld der USA

Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif warf den USA indes erneut vor, für den irrtümlichen Abschuss des ukrainischen Flugzeugs mitverantwortlich zu sein. „Warum ist es passiert? Weil es eine Krise gab. Menschen machen Fehler – unverzeihliche Fehler –, aber es passierte in Krisenzeiten“, sagte Sarif bei einer Konferenz am Mittwoch in Neu-Delhi.

Anfang Jänner hatte das US-Militär den iranischen Topgeneral Ghassem Soleimani gezielt mit einem Drohnenangriff in der irakischen Hauptstadt Bagdad getötet. Der Iran antwortete in der Nacht auf den 8. Jänner mit einem Vergeltungsangriff auf Militärstützpunkte im Irak, die vom US-Militär genutzt werden. Wenig später kam es zum Abschuss der Passagiermaschine.