Bauern demonstrieren mit Traktoren
APA/AFP/dpa/Carsten Rehder
Strenge Umweltschutzregeln

Deutsche Bauern auf den Barrikaden

In Deutschland haben die Landwirte und Landwirtinnen zu landesweiten Protesten aufgerufen. In Sternfahrten steuerten Hunderte Traktoren auf Berlin, wo die Verbrauchermesse „Grüne Woche“ startete, und andere deutsche Metropolen zu. Sie wenden sich gegen strengere Umweltschutzregeln der Politik – anderen gehen die Vorgaben nicht weit genug.

Die „Internationale Grüne Woche“ ist die jährliche Messe der Agrarindustrie. Heuer war ihr Auftakt nicht nur durch die Proteste begleitet, sondern auch von einer Panne: Eine Messehalle musste vorübergehend gesperrt werden, weil dort bei Kontrollen mutmaßlich Schweinefleisch aus Russland entdeckt wurde. Für Fleischprodukte aus Nicht-EU-Ländern gelten Einfuhrverbote, damit das Risiko für eingeschleppte Tierseuchen, etwa die Afrikanische Schweinepest, kleiner wird.

Draußen vor der Messe Berlin fanden sich indes Traktoren ein. Inmitten der deutschen Hauptstadt waren Bauern aus dem ganzen Land zusammengekommen. Umfangreiche Aktionen der Landwirte waren am Freitag auch in Bayern, Niedersachsen, Bremen, Baden-Württemberg und Hessen geplant. Die größten Proteste waren in Nürnberg erwartet worden. Allein dort gingen die Veranstalter von 5.000 Traktoren und 10.000 Teilnehmern aus.

Aufgerufen zu den Protesten hatte die Bauerninitiative „Land schafft Verbindung“. Die Landwirte demonstrieren für die Interessen der Agrarbetriebe und gegen aus ihrer Sicht zu harte Umweltschutzvorgaben.

Düngeverordnung im Zentrum der Proteste

Der Protest richtet sich gegen das Agrarpaket der deutschen Regierung, das etwa ein staatliches Tierwohllabel und ein Aktionsprogramm Insektenschutz mit Einschränkungen beim Pestizideinsatz vorsieht. Und sie kritisieren die geplante Verschärfung der deutschen Düngeverordnung. Sie argumentieren, die neuen Vorschriften führten zu Ertragseinbußen, weil sie nicht mehr genügend Mist oder Gülle ausbringen dürften. Von den Äckern wird zu viel Nitrat ins Grundwasser geschwemmt, vor allem in Gebieten, in denen viele Nutztiere gehalten werden und entsprechend viel Gülle anfällt.

Damit verstößt Deutschland vielerorts gegen die Grundwasserrichtlinie der EU, die einen Grenzwert von maximal 50 Milligramm Nitrat je Liter Wasser vorschreibt. Laut deutschem Umweltbundesamt (UBA) wurde dieser Wert zuletzt an rund 18 Prozent der Messstellen überschritten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verurteilte Deutschland im Juni 2018 wegen unzureichender Umsetzung der Nitratrichtlinie.

Wasseraufbereiter sehen höhere Kosten

Die deutsche Wasserwirtschaft auf der anderen Seite fürchtet immer höhere Kosten für die Aufbereitung von Trinkwasser. Die Qualität des deutschen Trinkwassers ist dem UBA zufolge zwar durchwegs „gut bis sehr gut“ – auch bei den Nitratwerten. Die Wasserversorger müssen belastetes Grundwasser aber aufwendig aufbereiten. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) warnt deshalb vor einem deutlichen Anstieg der Wasserpreise für Verbraucher in einigen Regionen.

Die deutsche Regierung überarbeitete die Düngeverordnung 2017, doch laut EU-Kommission nicht ausreichend. Erneut wurden Nachbesserungen nötig, die derzeit geprüft werden.

Gegenproteste geplant

Der Chef der deutschen Grünen, Robert Habeck, äußerte Verständnis für die Proteste gegen die Agrarpolitik. „Die Bauern und Bäuerinnen leiden selbst unter dem System“, sagte Habeck dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag-Ausgabe). „Die Förderpolitik der EU und die Exportorientierung der Wirtschaft setzen darauf, dass sie immer mehr zu immer kleineren Preisen produzieren. Da schmälert jede neue Verordnung die Einnahmen, mit der sie ihre Familien ernähren oder Schulden begleichen müssen.“ Die Landwirte würden zerrieben: „Aber die Antwort weniger Klima- oder Tierschutz wäre falsch.“

Bauern blockieren mit Traktoren eine Straße in Dresden
Reuters/Matthias Rietschel
Auch in Dresden kamen Hunderte Traktoren zusammen

Während die Landwirte sich von strengeren Klimaschutzvorgaben bedroht sehen, gehen diese anderen nicht weit genug. Am Samstag hat das Bündnis „Wir haben es satt“ in Berlin zu Gegenprotesten aufgerufen. Dazu werden mehrere tausend Umwelt- und Tierschützer in Berlin erwartet. Sie wollen strengere Gesetze für die Landwirtschaft und argumentieren gegen Massentierhaltung. Auch hier werden einige Bauern mit Traktoren erwartet.

Aufruf an Ministerin

Schon am Freitag protestierte Greenpeace vor dem Messegelände der „Grünen Woche“ in Berlin. Einige Aktivisten kletterten auf das Dach der Eingangshalle und hielten dort ein Transparent mit dem Schriftzug hoch: „Schluss mit der Show, Frau Klöckner! Billigfleisch stoppen!“ Deutschlands Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) weise dem Verbraucher die Verantwortung für die Herstellung von Fleisch zu. Bei der Eröffnungsveranstaltung der „Grünen Woche“ am Donnerstagabend hatte Klöckner gesagt, dass für eine nachhaltige Landwirtschaft nicht nur Bauern in der Pflicht seien, sondern auch Politik, Handel und Verbraucher.