Wahlplakat auf einer Bundesstraße
ORF.at/Lukas Krummholz
Niederösterreich

„Mutter aller Wahlen“ – mit Eigenarten

Am Sonntag wird in 567 niederösterreichischen Gemeinden gewählt, 1.851 Listen bzw. Wahlparteien rittern um 11.640 Mandate in den Gemeinderäten. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach schon im Vorfeld von der „Mutter aller Wahlen“. Und die hat in Niederösterreich traditionell ein paar Eigenarten, die es sonst nirgendwo gibt.

„Für viele ist es die kleinste Wahl, weil die Gemeinde und nicht Land, Bund oder Europa im Mittelpunkt steht“, befand Mikl-Leitner schon Anfang Jänner. Dem sei aber nicht so, es gehe darum, „was den Menschen am wichtigsten ist: nämlich, was vor der eigenen Haustür passiert“. Es gehe nicht um abstrakte, sondern konkrete Fragen wie Kindergartenplätze, Schneeräumung und leistbares Wohnen.

Für Mikl-Leitner sind es die ersten Gemeinderatswahlen als Landeshauptfrau. Und seit ihrem Amtsantritt 2017 ist sie sichtlich bemüht, eine eigene Handschrift sichtbar zu machen. Während ihr Vorgänger Erwin Pröll auf Kunst- und Kulturoffensiven setzte, forciert sie Digitalisierung und IT-Projekte. Auch im Wahlkampf setzt sich diese Linie fort – mehr dazu in noe.ORF.at.

Und auch im Parteiauftritt gibt es sanfte Verschiebungen. Die ÖVP NÖ tritt weder im „alten“ Schwarz noch im „neuen“ Türkis, sondern wie gehabt in den Landesfarben Blau und Gelb auf. Allerdings: Das Blau wurde heller, das Gelb deutlich dunkler.

Wahlkampfkosten unklar

„Mutter aller Wahlen“ kann Beobachtern aber auch in den Sinn kommen, wenn man mancherorts den Aufwand betrachtet. Denn während in einigen Gemeinden der Wahlkampf im Ortsbild kaum wahrzunehmen ist, wird in anderenorts geklotzt statt gekleckert: Die affichierten Konterfeis von Kandidaten erinnern eher an die Materialschlachten von Landtags- oder gar Nationalratswahlen.

Wahlplakate auf einer Bundesstraße
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Intensiver Plakatwahlkampf – hier am Beispiel Purkersdorf

Wie viel der Wahlkampf kostet, ist unklar, Obergrenze gibt es keine. Und die Struktur des kleinteiligen Wahlkampfs mit Hunderten werbenden Ortsgruppen macht auch eine nachträgliche Rekonstruktion der Kosten schwierig, selbst wenn die Parteien den Aufwand kommunizieren wollten.

Immer Ärger mit dem Zweitwohnsitz

Wahlberechtigt sind 1.459.072 Bürgerinnen und Bürger – und damit um 38.455 Personen weniger als 2015. „Diese Differenz ergibt sich unter anderem durch die Bereinigung des Wählerregisters, da die Meldungen der Zweitwohnsitzerinnen und Zweitwohnsitzer überprüft wurden“, erklärte Landtagspräsident und operativer Landeswahlleiter Karl Wilfing (ÖVP) – mehr dazu in noe.ORF.at.

Genau die Entscheidung, wer wahlberechtigt ist und wer nicht, sorgt in Niederösterreich immer wieder für Streit: Die Grünen Niederösterreich prüften nach der Landtagswahl 2018 sogar eine Wahlanfechtung beim Verfassungsgerichtshof (VfGH). Zwei Drittel aller Zweitwohnsitzer hätten damals laut Spitzenkandidatin Helga Krismer nicht wählen dürfen, „weil sie von der neuen ÖVP-Regelung willkürlich gestrichen worden sind“.

Reparatur kam nicht

Der Hintergrund: Laut Gesetz waren die Bürgermeister zuständig, festzustellen, ob Zweitwohnsitzer auch in der Gemeinde integriert sind – nur dann sind sie wahlberechtigt. Diese Einschätzung wurde aber je nach Gemeinde sehr unterschiedlich ausgelegt. Die ÖVP hatte eigentlich angekündigt, die Regelung reparieren zu wollen, dazu kam es aber nicht. Grüne, NEOS und SPÖ kritisierten nun im Vorfeld der Wahl mangelnde Transparenz und sprachen von Willkür. Der ÖVP-Landtagsklub wies das zurück: Die Gemeindewahlbehörden würden das „auf Basis klarer Gesetze“ entscheiden.

Wahlplakate auf einer Bundesstraße
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Vor allem Durchfahrtsstraßen sind von Plakaten gesäumt

Der nicht amtliche Stimmzettel

Und auch eine zweite Eigenart der niederösterreichischen Wahlordnung sorgt immer wieder für Debatten: Neben dem amtlichen Stimmzettel können nämlich auch nicht amtliche Stimmzettel verwendet werden – zumeist sind das Vordrucke der Parteien, die an potenzielle Wählerinnen und Wähler im Vorfeld ausgegeben werden. Auch daran gibt es seit Jahren Kritik von Grünen, SPÖ, FPÖ und NEOS. NEOS-Landessprecherin Indra Collini meinte zuletzt etwa, das System „‚Kaszettl‘ schlägt Stimmzettel“ sei „wirklich traurig“.

Mitunter für Verwirrung sorgen zudem die Regelungen der Gemeinderatswahlordnung, wonach Wählerinnen und Wähler auf den nicht amtlichen Stimmzetteln eine gereihte Liste von Kandidaten durch „Umstellung oder Streichung eines oder mehrerer Bewerber derselben abändern“ können. Allerdings: Offizielle Folgen bei der Auszählung hat das praktisch keine.

Wahlleiter Wilfing sagte am Donnerstag, er sehe den nicht amtlichen Stimmzettel sogar „als Stärkung der Demokratie und des persönlichen Mandats“. Selbstverständlich müsse bei den Gemeinderatswahlen niemand den nicht amtlichen Stimmzettel verwenden.

Eine klare Sache?

Die Ausgangslage ist in Niederösterreich traditionell eine klare Sache: Die ÖVP und ihr nahestehende Listen haben derzeit in 426 der 567 Gemeinden, in denen gewählt wird, die Mehrheit und stellen aktuell 431 Bürgermeister. Die SPÖ hat 128 Mehrheitsgemeinden und 119 Stadt- bzw. Ortschefs. Namenslisten lagen vor fünf Jahren 13-mal an erster Stelle, sie stellen derzeit 17 Bürgermeister.

Die ÖVP tritt laut Landeswahlleiter Wilfing als einzige Partei in allen 567 Gemeinden an. Sie ist dabei sogar 570-mal vertreten: In Pöggstall, Münichreith-Laimbach sowie in Tullnerbach gibt es jeweils zwei ÖVP-nahe Listen. Die SPÖ hat 546 Kandidaturen in 545 Gemeinden. In Spitz treten zwei „rote“ Listen an. Wilfing berichtete zudem von 365 Kandidaturen der FPÖ, 126 der Grünen und 37 der NEOS. Außerdem sprach er von 207 unabhängigen Listen, „die keiner Partei zuzuordnen sind“.

Ibiza-Liste in Amstetten

Das größte Gerangel gibt es in Amstetten, wo sich gleich neun Gruppierungen um Stimmen und Mandate bewerben. Ein Grund dafür ist, dass gleich zwei FPÖ-Abspaltungen antreten. Den Freiheitlichen machen diesmal die Alternative für Amstetten (ALFA) und die Liste mit dem blumigen Namen Mutige Amstettner nachtaktiv in Ibiza (MANI) Konkurrenz.

Originelle Abkürzungen gibt es jede Menge: GNADE steht für Die Gnadendorfer Demokraten, MUT für die Liste Miteinander, unabhängig, transparent in Ladendorf. Die Liste unabhängiges soziales Steinakirchen kürzt sich mit LUST ab, die SPÖ und Team Spannberg mit STS. Das Umweltforum in Wiener Neudorf tritt als UFO an, die Bürgerliste Enns-Donauwinkel als BED und auch eine ZIB als Zwölfaxings initiative Bürgerinnen und Bürger. ZZ steht für Zillingdorf zuerst, LOP und TOP sind Langenrohr ohne Parteibuch bzw. Tullner ohne Parteibuch – mehr dazu in noe.ORF.at.

Sechs Gemeinden wählen nicht

Eine ungewöhnliche Kombination findet sich auf dem Wahlzettel in Schönkirchen-Reyersdorf, dort treten die Sozialdemokraten als SPÖ – Team Kurz an. Des Rätsels Lösung: Der SPÖ-Spitzenkandidat und Vizebürgermeister heißt Werner Kurz.

Nicht gewählt wird in den Statutarstädten St. Pölten, Krems und Waidhofen/Ybbs, dort wird traditionell zu anderen Terminen gewählt. In Stockerau, Wolkersdorf im Weinviertel und Pillichsdorf wurde wegen der Auflösung der Gemeinderäte schon am 24. März des Vorjahrs gewählt.