Der Präsident der Industriellenvereinigung Georg Kapsch
APA/Barbara Gindl
Spitzensteuersatz

IV übt Kritik an Plänen der Regierung

Der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Kapsch, hält nichts von einer Verlängerung des Spitzensteuersatzes für Millionenverdiener von 55 Prozent. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hatte entsprechende Pläne zuletzt in Aussicht gestellt. Kapsch meinte dazu am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“: „Es ist international ein bisschen eine Blamage, wir machen uns damit lächerlich.“

Österreich sei in den Rankings bei den Spitzensteuersätzen „relativ weit oben“, so Kapsch. Die Maßnahme treffe relativ wenige Menschen, „darum hat es materiell (keine) wesentliche Bedeutung“. Österreich „scheine überall auf mit den Spitzensteuersätzen von 55 Prozent, und das schreckt dann einige Menschen ab, nach Österreich zu kommen“, sagte der IV-Chef.

Schließlich wisse im Ausland niemand, dass davon hierzulande nur wenige betroffen seien und dass der Steuersatz erst bei Beträgen über der Millionengrenze greife. Das „plakative Moment“ sei also das Problem, „nicht die Tatsache an sich“. Im Regierungsprogramm ist die Verlängerung der Maßnahme zwar nicht erwähnt, Finanzminister Blümel war in der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“ aber von einer Verlängerung ausgegangen – mehr dazu in radiothek.ORF.at.

Beurteilung des neuen Regierungsprogramms

Kapsch kritisierte in der „Pressestunde“ die mögliche Verlängerung des Spitzensteuersatzes in Österreich: „Ein bisschen eine Blamage, wir machen uns damit lächerlich.“

Hintergrund der Diskussion: Der 55-prozentige Spitzensteuersatz wurde 2016 befristet eingeführt, heuer wäre eine Verlängerung notwendig. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich am Samstag hierfür offen: „Im Fokus der neuen Regierung bleibt weiter die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen, daher soll der Spitzensteuersatz von 55 Prozent für Einkommen ab einer Million Euro bleiben“, zitierte der „Kurier“ Kurz.

„Wirkliche Steuerstrukturreform“ nötig

Kapsch betonte ferner, dass die IV schon seit Langem eine „wirkliche Steuerstrukturreform“ vorschlägt. Sie habe darauf abgezielt, „die Güter des täglichen Bedarfs“ anders zu besteuern, sie „billiger zu machen“ bzw. „die Luxusgüter zu verteuern“. Die letzte Steuerstrukturreform habe es Mitte der 1990er Jahre gegeben, „seitdem haben wir nur mehr an Tarifen gebastelt“. Auch die Lohnnebenkosten gehörten nach wie vor gesenkt. „Die Arbeitskosten sind in Österreich einfach zu hoch“, so Kapsch.

Steuerpolitik von Türkis-Grün

Kapsch nahm zur Steuerpolitik der vergangenen Jahre Stellung und wiederholte dabei Forderungen der IV. Auch bewertete er Steuerreformvorhaben der neuen Regierung.

Lob für „viele Punkte“ im Regierungsprogramm

Doch lobte der IV-Präsident am Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen „viele Punkte“. Auch mit den Grünen habe die IV den Kontakt „intensiviert“ – von „großer Furcht konnte man nicht reden“, das Ergebnis (im Regierungsprogramm) sei also „ein durchaus Gutes“ – „sowohl in Richtung Klima, Soziales und Wirtschaft“. Generell fehle ihm aber „die Vision 2035, 2040“, es sei ein „relativ biederes Programm“. Die von ihm gewünschte Staats- und Föderalismusreform sei darin nicht enthalten.

Dass es CO2-Steuern geben soll, sieht der Industrielle nicht als „gefährliche Drohung“. Dass Betriebe ein Abwandern in andere Länder in den Raum stellen, dürfe nicht als Drohszenario gesehen werden, könne aber eintreten. Dass der Umstieg auf die E-Mobilität die traditionell sehr starke Autozulieferbranche in Österreich ins Mark treffen könne, glaubt Kapsch nicht. Außerdem würden auch in zwanzig Jahren noch ausreichend Autos mit Verbrennungsmotoren herumfahren.

Arbeitskräfte: Kapsch pocht auf Zuzug

Beim Fachkräftemangel pocht Kapsch weiter auf den Zuzug von Arbeitskräften aus Staaten außerhalb der EU. Hierzulande kann er sich verschärfte Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose vorstellen. Dass etwa Köche sich weigern würden, von Wien nach Tirol zu gehen, sei nicht einzusehen. Die Industrie selbst sei weiterhin ein attraktiver Arbeitgeber, von einem Personalabbau über alle Branchen hinweg geht Kapsch nicht aus.

Fachkräftebedarf im Kontext von Migration

Zum Problem des Fachkräftemangels in Österreich verwies Kapsch in der „Pressestunde“ auf die Möglichkeit des Zuzugs von Arbeitskräften aus Staaten außerhalb der EU.

Zu seiner Nachfolge – Kapsch steht seit acht Jahren an der Spitze der IV und übergibt heuer im Sommer das Zepter – hielt er sich bedeckt. Ob er eine Frau präferieren würde, ließ er offen. Zu den möglichen großen Bauprojekten der nahen Zukunft – dem Lobautunnel sowie der dritten Piste auf dem Flughafen Wien-Schwechat – steht Kapsch weiterhin. Er geht davon aus, dass gebaut wird – auch wenn die Grünen in der Vergangenheit immer dagegen waren.