Verkäuferin in einem Geschäft in Caracas händigt US-Dollar aus
AP/Ariana Cubillos
Venezuela

US-Dollar hält Maduro an der Macht

Der Bolivar ist die offizielle Währung im Krisenstaat Venezuela – doch selbst dicke Bündel aus Geldscheinen sind aufgrund der galoppierenden Inflation praktisch wertlos. Das tägliche Leben in dem völlig verarmten Land ist damit nicht zu bewerkstelligen, darum hat der US-Dollar Einzug gehalten. Die Händler des Landes stellt das vor Schwierigkeiten, die politische Elite profitiert allerdings: nicht zuletzt der amtierende Präsident Nicolas Maduro.

Für ihn ist die US-Währung der beste Krisenhelfer. Das ist insbesondere deshalb bemerkenswert, weil sich allen voran US-Präsident Donald Trump mit der Anerkennung des selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaido gegen Maduro stellte. Jetzt schwappen gigantische Dollar-Bargeldmengen ins krisengeplagte Land, in dem es an einfachster Versorgung mit Lebensmitteln fehlt.

In den Supermärkten, die in den letzten Jahren leergeräumt waren, gibt es jetzt Importwaren. Befeuert wird alles durch die Existenz der „Bodegones“ – Minigeschäfte, die gegen US-Dollar praktisch alles feilbieten. Lebensmittel, Hygieneartikel und Spirituosen der US-Handelsketten Walmart oder Costco werden per Schiff aus Florida ins Land gebracht, auch die Versorgung mit Medikamenten funktioniert auf diesen Wegen. Der Zoll lässt die Einfuhren gewähren.

Parallelsystem kaschiert Misswirtschaft

Anscheinend ein bewusster Vorgang – mit zynischem Kalkül: Denn mit den offenen Importrouten kommt das ins Land, was die Menschen zum Überleben brauchen – und der Präsident zum Machterhalt, denn staatliche Misswirtschaft wird durch dieses Parallelsystem kaschiert. Ins Land gelangen die Devisen über die vielen Exilvenezolanerinnen und -venezolaner, die ihren Verwandten Geld schicken. Derzeit befinden sich Schätzungen zufolge 2,7 Mrd. US-Dollar im Land.

Nicolas Maduro
APA/AFP/Federico Parra
Ausgerechnet die Währung der USA erweist sich als Krisenhelfer für Präsident Maduro

Für „Dollarisierung Gott danken“

Ein wahrer Geldsegen für Maduro, entsprechend euphorisch äußerte er sich dazu im vergangenen November: Die Devisen des erbitterten Rivalen USA dienten als „Ablassventil“ für das Land. Damit könne man die Wirtschaftskrise, die durch die US-Sanktionen verursacht worden sei, in den Griff bekommen, so Maduro. „Ich sehe an dem Vorgang, der als Dollarisierung bezeichnet wird, nichts Schlechtes“, so Maduro, dafür müsse man „Gott danken“.

Maduro vollzog damit eine 180-Grad-Wende – schließlich war 2018 die Nutzung des Dollars im Land noch streng untersagt. Trotz der neuen Freude über die inoffizielle Hauptwährung des Landes will Maduro den Bolivar keineswegs aufgeben, wie er sagte: „Venezuela (…) wird immer den Bolivar haben, wir werden ihn zurückgewinnen und verteidigen.“ 2018 wurden von der Regierung letztmalig offizielle Zahlen veröffentlicht: Die Inflation im laufenden Jahr liege bei 130.060 Prozent, hieß es. Und demnach lag die Teuerungsrate 2016 bei 274,4 Prozent und 2017 bei 862,6 Prozent.

Hälfte der Transaktionen in US-Dollar

Zum Vergleich: Der Internationale Währungsfonds (IWF) gab 2018 Zahlen in noch schwindelerregenderer Höhe an – die Inflation wurde mit unglaublichen 1.370.000 Prozent beziffert, also dem Zehnfachen des offiziell angegebenen Werts. Dass die Inflationsrate inzwischen etwas sank, liegt besonders an der starken Nutzung des US-Dollars, die Währung kommt bereits bei der Hälfte der Transaktionen im Land zur Anwendung.

Staßenverkäufer in Caracas
APA/AFP/Federico Parra
Kleine Unternehmerinnen und Unternehmer müssen ihre Bargeldbestände versteckt horten – es gibt keine andere Möglichkeit

Doch alle Probleme sind mit der Ersatzwährung bei Weitem nicht vom Tisch – Löhne und Pensionen werden freilich nach wie vor in Bolivares überwiesen, bezahlbar ist durch die extreme Teuerung damit praktisch nichts: Vor einem Jahr war eine Tasse Kaffee um 450 Bolivares zu erwerben, zuletzt mussten 30.000 Bolivares bezahlt werden.

„Geld gestapelt wie Pablo Escobar“

Und für die vielen kleinen Firmen im Land gestaltet sich die Lage schwierig, denn die Banken des Landes dürfen keine Fremdwährungskonten anbieten. Das Ergebnis sind gigantische Bargeldbestände. „Das Geld wird legal verdient, aber in einer Währung, die außerhalb der rechtlichen Bestimmungen des Landes existiert“, zitierte die „Businessweek“ Luis Godoy, den Ex-Vizechef der Justizwache. „Man muss sich fragen, wie viele Menschen wie Pablo Escobar jetzt Geld in ihren Häusern gestapelt haben.“

Doch das bedeutet freilich nicht, dass es der Gesellschaft kollektiv besser geht – die soziale Lage ist weiterhin katastrophal: 90 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze, viele Menschen kehren ihrem Land aus erdrückender Perspektivlosigkeit den Rücken und ergreifen die Flucht – Familien werden zerrissen, die Diaspora wird immer größer: Sechs Millionen Venezolanerinnen und Venezolaner werden laut Prognosen Ende 2020 außerhalb des Landes leben.

Geheimdienst in Guaidos Büro?

Indes drangen offenbar Geheimdienstmitarbeiter in die Büroräume Guaidos ein, während dieser auf Europareise ist. Das vermutet die Opposition. Die Räume waren nach Angaben der mit Guaido verbündeten Abgeordneten Delsa Solorzano zu diesem Zeitpunkt leer: Es gebe keine „Zeugen“ für das, was dort vor sich gehe. Das Gebäude, in dem sich die Büroräume befinden, sei zuvor von bewaffneten und maskierten Geheimdienstbeamten umzingelt worden.