Eingang zum Untersuchungsausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz
Regierung gegen Opposition

„Ibiza“-U-Ausschuss soll abgespeckt starten

Der von SPÖ und NEOS verlangte „Ibiza-Untersuchungsausschuss“ wird zumindest fürs Erste nicht zur Gänze so kommen, wie es die beiden Oppositionsfraktionen beantragt haben. Teile des Verlangens seien unzulässig, argumentieren ÖVP und Grüne, die sich dabei auf Bestimmungen in Verfassung und Verfahrensordnung berufen. Eingesetzt wird er dennoch schon am Mittwoch. SPÖ und NEOS zeigen sich empört – und wollen nun den Verfassungsgerichtshof anrufen.

Die beiden Regierungsfraktionen pochen darauf, dass es beim U-Ausschuss um einen „bestimmten abgeschlossenen Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes“ gehen muss. Zudem sei die „Sammlung nicht direkt zusammenhängender Themenbereiche“ unzulässig.

Damit sollen etwa Teile der „Ibiza-Ermittlungen“, aber auch die Mehrheit aller Gesetzesbeschlüsse der ÖVP-FPÖ-Regierung, die Organbestellungen in Unternehmen mit Bundesbeteiligungen und die Neustrukturierung der FMA weggelassen werden müssen.

Verfassungsgerichtshof könnte entscheiden

Bevor der U-Ausschuss im Nationalrat auf den Weg gebracht wird, wird der Geschäftsordnungsausschuss aber mit türkis-grüner Mehrheit die nur partielle Zulässigkeit des Untersuchungsgegenstands feststellen. SPÖ und NEOS können in der Folge die weggelassenen Teile beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) einklagen. NEOS und SPÖ kündigten das bereits an. Sie pochen darauf, von führenden Verfassungsexperten die Rechtskonformität ihres Antrags bestätigt bekommen zu haben.

Sigrid Maurer über den „Ibiza“-U-Ausschuss

Sigrid Maurer, die Klubobfrau der Grünen, spricht über die seitens der Regierungsparteien gewünschte Änderung des Untersuchungsgegenstandes des „Ibiza“-U-Ausschusses.

Gibt der VfGH den von ihnen geforderten Untersuchungsgegenständen recht, so könne man die zusätzlichen Punkte sofort in den laufenden U-Ausschuss übernehmen und mit untersuchen, hieß es seitens der Regierungsfraktionen. De facto gäbe es dann nur einige Wochen Verzögerung bei der Aktenbeschaffung.

Sowohl ÖVP als auch Grüne sehen im U-Ausschuss-Verlangen verschiedenste Themen zusammengefasst, zwischen denen kein ausreichender Konnex zu finden sei. Den Komplex rund um Casinos, Glücksspiel und ÖBIB/ÖBAG halten die beiden Regierungsfraktionen aber für okay, weil hier ein klarer Zusammenhang bestehe.

Maurer: „Rein rechtliche Klärung“

Die Grünen sehen zudem ein Problem in der Formulierung des Untersuchungsgegenstands: Für die Behörden müsse klar erkennbar sei, welche Akten sie liefern müssen. Das sei hier nicht der Fall. Aus ihrer Sicht muss einer der acht aufgezählten Untersuchungsgegenstände – nämlich jener zu Organbestellungen – gänzlich wegfallen, bei drei weiteren müssen einzelne Punkte gestrichen werden. Auch die Beweisthemen dazu seien teilweise unzulässig.

Dass eine Minderheit einen U-Ausschuss einsetzen kann, sei den Grünen zu verdanken, sagte die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer am Dienstagabend in der ZIB2. Nun entscheide eben eine unabhängige Stelle, der Verfassungsgerichtshof, über die Zulässigkeit. Es gehe dabei rein um eine rechtliche Klärung, nicht um eine politische. „Uns fällt aber auch kein Zacken aus der Krone, wenn der Verfassungsgerichtshof sagt, SPÖ und NEOS haben recht“, so Maurer.

ÖVP mit Gutachten

Die ÖVP hat in dieser Sache auch ein Rechtsgutachten des Grazer Unijuristen Christoph Bezemek eingeholt. Dieser vermisst im U-Ausschuss-Verlangen inhaltlich zusammenhängende Sachverhalte und ortet nur lose miteinander verknüpfte Einzelvorgänge.

„Ibiza“-U-Ausschuss soll eingeschränkt werden

Die Regierungsparteien sprechen sich dafür aus, den Untersuchungsgegenstand des „Ibiza“-U-Ausschusses einzuschränken.

Dass – wie im Verlangen von NEOS und SPÖ selbst festgehalten – „geschätzt 60 Prozent“ der Regierungsvorlagen der ÖVP-FPÖ-Regierung umfasst sein sollen, stehe im Konflikt mit der in der Verfassung verlangten Bestimmbarkeit und Abgrenzbarkeit. Schon allein der Titel des Verlangens „betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“ mache das deutlich.

SPÖ erbost

Die SPÖ zeigte sich erbost. Mandatar Jan Krainer sprach von Willkür. Man werde nun den Verfassungsgerichtshof anrufen und sei zuversichtlich, recht zu bekommen. Die Regierungsfraktionen seien offensichtlich der Meinung, dass das Parlament den „größten innenpolitischen Skandal der Zweiten Republik“ nicht ansehen dürfe, so Krainer. Zur Untersuchung zugelassen würden nur jene Teile, die genehm seien. „Auffälligerweise sind jene Punkte draußen, die für die ÖVP unangenehm sind.“ Die Grünen wiederum beteiligten sich an der „Amputation des Minderheitenrechts“.

Ganz anders sah dies naturgemäß die ÖVP. Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl ortete Verfassungswidrigkeit im Antrag. „Das Verlangen der Opposition ist so breit und ungenau formuliert, dass sogar die Arbeit der Übergangsregierung noch untersucht werden müsste. Das wäre ein nicht zu bewältigender Aktenberg, der keine Ergebnisse zu den eigentlich wichtigen Causen Casinos, Glücksspielgesetz und Personalbesetzungen liefern kann“, meinte er.

Scharfe NEOS-Kritik an Grünen

NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper hatte sich, schon bevor die Entscheidung bekanntwurde, über die „prolongierte Blockadehaltung“ der Grünen irritiert gezeigt. Die Partei unterstütze die ÖVP im Bemühen, Aufklärung zu verhindern, erklärte sie in einer Aussendung. Krisper wertete das als „Selbstaufgabe“.

„Wir hören, dass die Partei, die sich immer Aufklärung und Antikorruption zugeschrieben hat, nun vorhat, der ÖVP die Mauer zu machen und im Ergebnis den U-Ausschuss auf die Causa Casinos zurückzustutzen“, sagte Krisper. Dass sie das vorab über Medien habe erfahren müssen, sei ein besonders schlechter neuer Stil.

Krisper verteidigt Antrag

Inhaltlich könne sie die kolportierten Einsprüche absolut nicht nachvollziehen, erklärte die designierte NEOS-Fraktionsführerin im U-Ausschuss. „Wenn man den Untersuchungsausschuss auf die Casinos beschränkt, können die fragwürdigen Postenbesetzungen in der ÖBAG, FMA und Nationalbank sowie die Ermittlungen rund um ,Ibiza’ nicht untersucht werden, mögliche Absprachen bleiben somit im Dunkeln.“ Die Öffentlichkeit habe aber das Recht zu erfahren, was in staatlichen und staatsnahen Unternehmen geschehe und ob Einfluss auf die Ermittlungen rund um „Ibiza“ genommen worden sei.

Der erste Antrag auf die Einsetzung des U-Ausschusses war bereits Anfang Jänner im Geschäftsordnungsausschuss im Streit über den Untersuchungsgegenstand vertagt worden. SPÖ und NEOS sprachen von einer „Verzögerungstaktik“.