Greta Thunberg
AP/Michael Probst
Thunberg in Davos

„Unser Haus brennt noch immer“

Klimaaktivistin Greta Thunberg hat am Dienstag auf der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos Topmanagern und Spitzenpolitikern trotz anhaltender Forderungen nach mehr Klimaschutz Tatenlosigkeit vorgeworfen. „Leere Worte und Versprechen“ sollten den Eindruck erwecken, dass etwas für das Klima getan werde, sie brächten aber nichts gegen die Klimakrise, sagte die 17 Jahre alte Schwedin.

„Unser Haus brennt noch immer. Eure Untätigkeit heizt die Flammen stündlich an“, sagte sie. „Wir sagen euch immer noch, dass ihr in Panik geraten und so handeln sollt, als ob ihr eure Kinder über alles liebt.“ Es bringe nichts, auf Technologien zu vertrauen, die heutzutage noch gar nicht existierten, sagte die Klimaaktivistin. Die junge Generation wolle auch nicht, dass weiter über CO2-Neutralität geredet und dabei in Wirklichkeit bei den tatsächlichen Werten getrickst werde.

„Lasst uns das deutlich machen: Wir müssen die Emissionen nicht verringern. Unsere Emissionen müssen gestoppt werden“, sagte Thunberg. Dazu müssten unter anderem sofort alle Investitionen in die Gewinnung fossiler Brennstoffe gestoppt werden. „Wir wollen nicht, dass diese Dinge bis 2050, 2030 oder selbst 2021 erledigt werden. Wir wollen, dass das jetzt geschieht.“

Thunbergs Rede in Davos

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hat bei ihrem Auftritt in Davos die aus ihrer Sicht völlig unzureichenden Maßnahmen für den Klimaschutz kritisiert.

„Leere Worte und Versprechen“

Thunberg hatte auf dem Weltwirtschaftsforum vor einem Jahr eine ihrer ersten international beachteten Reden gehalten. „Ich will, dass ihr in Panik geratet. Ich will, dass ihr handelt, als würde euer Haus brennen, denn das tut es“, hatte die junge Schwedin damals gesagt, um so auf die Dringlichkeit der Klimakrise hinzuweisen. Ein Jahr später warnt Thunberg nun erneut vor „leeren Worten und Versprechen“.

Greta Thunberg
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Nur kurz nach Trump hatte auch Thunberg ihren großen Davos-Auftritt

Bäume zu pflanzen, wie es das WEF vorsehe, sei jedenfalls zu wenig, sagte Thunberg nach Angaben der „Neuen Zürcher Zeitung“ („NZZ“). Damit setzte Thunberg auch einen Seitenhieb auf US-Präsident Donald Trump, der kurz zuvor in seiner Rede neben einer Unterstützung der WEF-Initiative „Eine Billion Bäume“ auch auf direkten Konfrontationskurs mit der dort noch im Publikum sitzenden Thunberg ging.

„Ewige Propheten des Untergangs“

„Wir müssen die ewigen Propheten des Untergangs und ihre Vorhersagen der Apokalypse zurückweisen“, sagte zuvor Trump, der in seiner mit Spannung erwarteten Rede allerdings vor allem die unter seiner Führung erbrachten Leistungen der USA hervorhob. Erst zum Ende seines Auftritts bekannte sich Trump zur Bewahrung der Natur. Trotz der anstehenden weltweiten Herausforderungen forderte Trump aber auch eine positivere Einstellung von Politik und Wirtschaft.

Angst und Zweifel seien nicht gut, man sollte optimistischer nach vorne schauen, sagte Trump zur Eröffnung der 50. WEF-Jahrestagung, ohne das Wort Klimawandel in den Mund zu nehmen. Es gebe ja immer Schwarzseher, die sehen wollten, wie man scheitere. Es dürfe aber nicht zu viel Skepsis geben. Die USA hätten Wachstum, Kreativität und die Bereitschaft, jeder Herausforderung zu begegnen.

Davos-Auftakt mit Rede von Trump

US-Präsident Donald Trump stand beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos als einer der Eröffnungsredner auf der Bühne. In den Fokus seiner Rede stellte er seine Leistungen für die USA.

„Amerika gewinnt wieder wie niemals zuvor“

Zuvor widmete sich Trump in seiner Rede der wirtschaftlichen Entwicklung der USA in seiner Amtszeit. „Amerika wächst und gedeiht, und ja: Amerika gewinnt wieder wie niemals zuvor“, sagte Trump. Im Vergleich zur Vorgängerregierung mit geringem Wachstum und stagnierenden oder fallenden Löhnen sei die Entwicklung nach Trumps Worten nun „spektakulär“. Der US-Wirtschaft prognostizierte Trump auch für die Zukunft „gewaltige“ Chancen. Das „amerikanische Modell“ werde die größten Gewinne im 21. Jahrhundert erzeugen.

Geht es nach dem US-Präsidenten, seien auch die Beziehungen zu China „niemals besser“ gewesen. Die Verhandlungen mit China über die zweite Phase des Handelsabkommens würden schon sehr bald beginnen. Präsident Xi Jinping trete für die Interessen Chinas ein, er für jene der USA. „Ansonsten lieben wir uns.“

Bilaterale Treffen

Der erst in der Früh auf dem Flughafen Zürich-Kloten gelandete und dann per Hubschrauber nach Davos gebrachte Trump kündigte mit indiretem Verweis auf das angelaufene Impeachment-Verfahren unmittelbar vor seiner Rede eine schnelle Abreise an.

Donald Trump steigt aus Hubschrauber
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Trump bei seiner Ankunft in Davos

Für Trump, der auch am Mittwoch noch in Davos verweilte, standen bereits am Dienstagnachmittag erste bilaterale Gespräche auf dem Programm, darunter ein Treffen mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Die beiden Seiten seien sich einig, globalen Herausforderungen wie „Chinas unfairen Handelspraktiken“ gemeinsam zu begegnen. Zudem erwarte die US-Regierung „in naher Zukunft messbare Fortschritte“ beim Abschluss eines gemeinsamen Handelsabkommens.

Von der Leyen zeigte sich davon „überzeugt, dass wir uns auf eine positive US-EU-Agenda für Handel, Technologie, Energie und vieles mehr einlassen können“. Auch in einem Gespräch mit der Schweizer Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga ging es Trump zufolge um eine mögliche Vertiefung der gegenseitigen Handelsbeziehungen.

Ursula von der Leyen und Donald Trump
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Von der Leyens Treffen mit Trump in Davos

„Ein Arbeitstreffen, keine Quasselbude“

Als erster Redner der Eröffnungszeremonie rief WEF-Gründer Klaus Schwab zuvor die Teilnehmer zu gemeinsamen Anstrengungen auf. Jeder könne dazu beitragen, eine bessere Welt zu bilden. „Wir können nicht nur eine bessere Welt schaffen, wir müssen“, sagte Schwab. Er betonte erneut, das 50. Jahrestreffen solle Ergebnisse liefern. „Dies ist ein Arbeitstreffen, keine Quasselbude.“

Schwab forderte, auch junge Aktivisten wie Thunberg anzuhören. „Wir müssen gemeinsam nach Lösungen suchen.“ Es gehe nicht um Polarisierung, sondern um einen Austausch. Schwab kündigte an, dass beim WEF jede Stimme gehört und respektiert werde. Das Forum will heuer aber auch Resultate erreichen.

Klaus Schwab bei der Eröffnungsrede
Reuters/Denis Balibouse
Auch 50 Jahre nach der Gründung ist Schwab der Mann hinter dem WEF

„Nur ein rotes Fleischmenü“

Die meisten Veranstaltungen zielten auf „greifbare Fortschritte“ ab. Auf dem Gipfel, der bis Freitag geht, ist der Start von zwei Initiativen geplant. Zum einen sollen in der kommenden Dekade weltweit eine Milliarde Menschen geschult werden, damit sie den Anforderungen der Vierten Industriellen Revolution – also Digitalisierung der industriellen Produktion sowie Vernetzung von Dingen – gewachsen sind. Zum anderen sollen bis Ende der 2020er Jahre weltweit eine Billion Bäume gepflanzt werden.

„Das WEF meint es mit dem Klima auch beim Catering ernst“, hieß es im Schweizer Fernsehen (SEF). Es gebe heuer auf dem Speiseplan des ersten WEF-Tages „nur ein rotes Fleischmenü und viele vegetarische Optionen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer“.

Andreas Pfeifer (ORF) über das Weltwirtschaftsforum

ZIB-Außenpolitikchef Andreas Pfeifer spricht über das Weltwirtschaftsforum in Davos – einen Gipfel der Gegensätze.

Sommaruga über Zustand der Welt „besorgt“

Nach Schwab stellte auch Sommaruga und damit die Präsidentin des Gastgeberlandes den Kampf gegen die Klimakrise in den Mittelpunkt ihrer Eröffnungsrede. Die Welt stehe in Flammen: „Wir können nicht länger tatenlos zusehen.“ Politik und Wirtschaft müssten handeln, um Biodiversität zu schützen und die Erderwärmung zu stoppen. „Ich sehe den Zustand der Welt mit Sorge“, sagte Sommaruga mit Blick auf Hass, Ungleichheit und Abschottung in der Welt.

Papst Franziskus wünschte den Teilnehmern in einer Grußbotschaft viel Erfolg. „Mögen Ihre Beratungen zu wachsender Solidarität führen, vor allem für diejenigen, die am meisten in Not sind“, hieß es darin – mehr dazu in religion.ORF.at.

„Winterwanderung“ nach Davos

Geschätzte 600 bis 700 Klimaaktivisten sind Medienberichten zufolge unterdessen am Dienstagvormittag in Klosters zur letzten Etappe ihrer „Winterwanderung“ aufgebrochen. Diese führte nach „NZZ“-Angaben über Wander- und Schlittenwege nach Davos, da die Protestbewegung Strike-WEF keine Genehmigung für die Hauptstraße erhalten habe. Ab 15.00 Uhr war Davos dann auch Schauplatz einer bis zum Abend genehmigter Anti-WEF-Demonstration.

Bereits am frühen Vormittag luden Klimaaktivisten in Davos zu einer Diskussion mit dem Titel „Einen nachhaltigen Weg für eine gemeinsame Zukunft schaffen“. Neben Aktivisten aus Costa Rica, Südafrika und Kanada hatte auch Thunberg hier ihren ersten Auftritt. So wie bei ihrem Auftritt am Nachmittag warf die 17-Jährige den Spitzenvertretern aus Politik und Wirtschaft Versagen im Kampf gegen den Klimawandel vor.

TV-Hinweis

Die Rede von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wird am Freitag um 11.25 Uhr in ORF III und im Livestream in tvthek.ORF.at übertragen.

Rund 3.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen

Das diesjährige WEF-Treffen steht unter dem Motto „Stakeholder für eine solidarische und nachhaltige Welt“. Insgesamt diskutieren 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bis Freitag in Davos über Lösungen für internationale Probleme. Aus Österreich ist Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag und Freitag dabei.