Pamela Rendi-Wagner
ORF.at/Roland Winkler
„Ibiza“-U-Ausschuss

SPÖ kritisiert „Kalkül“ zugunsten der ÖVP

Der Nationalrat hat am Mittwoch den Weg zum U-Ausschuss in der „Ibiza-Affäre“ und der Causa Casinos frei gemacht. Allerdings wurde das Gremium nicht vollständig mit jenem Antrag eingesetzt, den SPÖ und NEOS eingebracht hatten, sondern mit einem von ÖVP und Grünen gekürzten. Teile des Verlangens seien unzulässig, so die Regierungsseite. Die Opposition zeigte sich empört – SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ortete ein „Kalkül“.

„Die ÖVP soll in dem Ausschuss so gut wie nicht untersucht werden“, sagte Rendi-Wagner im Ö1-Morgenjournal. Das sei „ein roter Faden, der sich durch das Auftragsgutachten zieht“. Dass das Verlangen von SPÖ und NEOS zu unpräzise bzw. breit formuliert gewesen wäre wie von der Regierungsseite argumentiert, ließ die Chefin der größten Oppositionspartei nicht gelten: „Das sind vorgeschobene Argumente“ – Audio dazu in radiothek.ORF.at.

Das Verlangen von SPÖ und NEOS sei „wasserdicht gewesen“, das hätten „viele Verfassungsjuristen qualitätsgeprüft“. Die Grünen – bei vergangenen U-Ausschüssen in der Aufklärungsarbeit sehr aktiv – „treten ihre Werte mit Füßen“, so Rendi-Wagner. Der Gang zum Verfassungsgerichtshof (VfGH) stehe „in den nächsten 14 Tagen“ an – SPÖ und NEOS wollen die weggelassenen Teile einklagen. Schließlich gehe es darum, die politische Verantwortung für diesen größten Skandal der Zweiten Republik zu klären.

„Ibiza“ als „Klammer“ über allen Untersuchungspunkten

Über allem stehe das „Ibiza-Video“ als „Klammer“ aller Untersuchungspunkte, die Frage sei, ob die dort gemachten Ankündigungen der Gefälligkeiten von Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ Chef Heinz-Christian Strache und der damaligen Koalition mit der ÖVP politisch umgesetzt wurden. „Die große Frage ist: Haben seine dubiosen Ankündigungen auch in Taten gemündet mit Hilfe der ÖVP?“, so Rendi-Wagner.

Die beiden Regierungsfraktionen pochen darauf, dass es beim U-Ausschuss um einen „bestimmten abgeschlossenen Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes“ gehen müsse. Zudem sei die „Sammlung nicht direkt zusammenhängender Themenbereiche“ unzulässig. Damit sollen etwa Teile der „Ibiza-Ermittlungen“, aber auch die Mehrheit aller Gesetzesbeschlüsse von ÖVP und FPÖ, die Organbestellungen in Unternehmen mit Bundesbeteiligungen und die Neustrukturierung der FMA weggelassen werden müssen.

ÖVP und Grüne: Kein ausreichender Konnex bei Themen

Gibt der VfGH den von SPÖ und NEOS geforderten Untersuchungsgegenständen recht, so könne man die zusätzlichen Punkte sofort in den laufenden U-Ausschuss übernehmen und ebenso untersuchen, hieß es seitens der Regierungsfraktionen. De facto gäbe es dann nur einige Wochen Verzögerung bei der Aktenbeschaffung.

Sowohl ÖVP als auch Grüne sehen im U-Ausschuss-Verlangen verschiedenste Themen zusammengefasst, zwischen denen kein ausreichender Konnex zu finden sei. Den Komplex rund um Casinos, Glücksspiel und ÖBIB/ÖBAG halten die beiden Regierungsfraktionen aber für okay, weil hier ein klarer Zusammenhang bestehe.

Kogler verteidigt Vorgehen

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) verteidigte am Mittwoch das Vorgehen der Regierungsparteien. Einwände gegen das Ausmaß der Untersuchungsgegenstände seien weder eine Behinderung noch eine Blockade, sagte der Grünen-Chef am Mittwoch nach dem Ministerrat. „Man muss aufpassen, dass man nicht einen Wald-und-Wiesen- oder Kraut-und-Rüben-Ausschuss hinkonstruiert“, so Kogler.

Positiv ist für Kogler, dass sich nun der VfGH auf Verlangen der Minderheitsfraktionen mit dem Thema befassen wird. „Es ist gut, dass man das in die Hände des VfGH legt“, sagte er. Der Vizekanzler erinnerte daran, dass es nicht das erste Mal gewesen sei, dass bei der Formulierung „dilettiert“ worden sei. Verfassung, Geschäftsordnung und Verfahrensbestimmungen müssten gut eingehalten wäre.

In Abrede stellte Kogler auch, dass die Formulierung des Untersuchungsgegenstandes eine Bedingung bei den Koalitionsverhandlungen gewesen sei. „Das hat keine Rolle gespielt“, meinte er dazu.

Maurer: „Rein rechtliche Klärung“

Die Grünen sahen ein Problem in der Formulierung des Untersuchungsgegenstands: Für die Behörden müsse klar erkennbar sein, welche Akten sie liefern müssen. Das sei hier nicht der Fall. Aus ihrer Sicht muss einer der acht aufgezählten Untersuchungsgegenstände – nämlich jener zu Organbestellungen – gänzlich wegfallen, bei drei weiteren müssen einzelne Punkte gestrichen werden. Auch die Beweisthemen dazu seien teilweise unzulässig.

Klubchefin Maurer über den „Ibiza“-U-Ausschuss

Sigrid Maurer, die Klubobfrau der Grünen, spricht über die seitens der Regierungsparteien gewünschte Änderung des Untersuchungsgegenstandes des „Ibiza“-U-Ausschusses.

Dass eine Minderheit einen U-Ausschuss einsetzen kann, sei den Grünen zu verdanken, sagte die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer am Dienstagabend in der ZIB2. Nun entscheide eben eine unabhängige Stelle, der Verfassungsgerichtshof, über die Zulässigkeit. Es gehe dabei rein um eine rechtliche Klärung, nicht um eine politische. „Uns fällt aber auch kein Zacken aus der Krone, wenn der Verfassungsgerichtshof sagt, SPÖ und NEOS haben recht“, so Maurer.

ÖVP mit Gutachten

Die ÖVP hat in dieser Sache auch ein Rechtsgutachten des Grazer Unijuristen Christoph Bezemek eingeholt. Dieser vermisst im U-Ausschuss-Verlangen inhaltlich zusammenhängende Sachverhalte und ortet nur lose miteinander verknüpfte Einzelvorgänge.

Dass – wie im Verlangen von NEOS und SPÖ selbst festgehalten – „geschätzt 60 Prozent“ der Regierungsvorlagen der ÖVP-FPÖ-Regierung umfasst sein sollen, stehe im Konflikt mit der in der Verfassung verlangten Bestimmbarkeit und Abgrenzbarkeit. Schon allein der Titel des Verlangens „betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“ mache das deutlich.

„Amputation des Minderheitsrechts“

Bereits am Vortag hatte sich SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer erbost gezeigt und Willkür geortet. Die Regierungsfraktionen seien offensichtlich der Meinung, dass das Parlament den „größten innenpolitischen Skandal der Zweiten Republik“ nicht ansehen dürfe, so Krainer. Zur Untersuchung zugelassen würden nur jene Teile, die genehm seien. „Auffälligerweise sind jene Punkte draußen, die für die ÖVP unangenehm sind.“ Die Grünen wiederum beteiligten sich an der „Amputation des Minderheitsrechts“.

Ganz anders sah das naturgemäß die ÖVP. Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl ortete Verfassungswidrigkeit im Antrag. „Das Verlangen der Opposition ist so breit und ungenau formuliert, dass sogar die Arbeit der Übergangsregierung noch untersucht werden müsste. Das wäre ein nicht zu bewältigender Aktenberg, der keine Ergebnisse zu den eigentlich wichtigen Causen Casinos, Glücksspielgesetz und Personalbesetzungen liefern kann“, meinte er.

Scharfe NEOS-Kritik an Grünen

NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper hatte sich, schon bevor die Entscheidung bekanntwurde, über die „prolongierte Blockadehaltung“ der Grünen irritiert gezeigt. Die Partei unterstütze die ÖVP im Bemühen, Aufklärung zu verhindern, erklärte sie in einer Aussendung. Krisper wertete das als „Selbstaufgabe“.

„Wir hören, dass die Partei, die sich immer Aufklärung und Antikorruption zugeschrieben hat, nun vorhat, der ÖVP die Mauer zu machen und im Ergebnis den U-Ausschuss auf die Causa Casinos zurückzustutzen“, sagte Krisper. Dass sie das vorab über Medien habe erfahren müssen, sei ein besonders schlechter neuer Stil.

Krisper verteidigt Antrag

Inhaltlich könne sie die kolportierten Einsprüche absolut nicht nachvollziehen, erklärte die designierte NEOS-Fraktionsführerin im U-Ausschuss. „Wenn man den Untersuchungsausschuss auf die Casinos beschränkt, können die fragwürdigen Postenbesetzungen in der ÖBAG, FMA und Nationalbank sowie die Ermittlungen rund um ,Ibiza’ nicht untersucht werden, mögliche Absprachen bleiben somit im Dunkeln.“ Die Öffentlichkeit habe aber das Recht zu erfahren, was in staatlichen und staatsnahen Unternehmen geschehe und ob Einfluss auf die Ermittlungen rund um „Ibiza“ genommen worden sei.

Der erste Antrag auf die Einsetzung des U-Ausschusses war bereits Anfang Jänner im Geschäftsordnungsausschuss im Streit über den Untersuchungsgegenstand vertagt worden. SPÖ und NEOS sprachen von einer „Verzögerungstaktik“.