Nationalratsstzung
ORF.at/Roland Winkler
In eingeschränkter Form

„Ibiza“-Ausschuss ist eingerichtet

Dem durch die „Ibiza-Affäre“ ausgelösten U-Ausschuss zur Causa Casinos steht nichts mehr entgegen. Der Geschäftsordnungsausschuss finalisierte Mittwochfrüh den Untersuchungsgegenstand. Mit dem nachfolgenden Aufruf im Plenum gilt der Ausschuss als eingesetzt.

Allerdings ging nicht die Textversion der Antragsteller – SPÖ und NEOS –, sondern die der Regierungsparteien ÖVP und Grüne durch. ÖVP und Grüne machten ihre Ankündigung vom Vortag wahr und strichen den Antrag von SPÖ und NEOS um jene Passagen zusammen, die den beiden Koalitionsparteien nicht geschäftsordnungskonform erschienen. Die Freiheitlichen stimmten dagegen mit den anderen Oppositionsfraktionen.

SPÖ und NEOS gehen nun vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser wird in den nächsten zwei, drei Monaten entscheiden, ob der ursprüngliche Minderheitsantrag rechtmäßig war. Ist das der Fall, werden die am Mittwoch herausgestrichenen Passagen umgehend in die Ausschussarbeit integriert.

Kai Jan Krainer (SPÖ), der einen schwarzen Tag für den Parlamentarismus sieht, ärgerte sich am Mittwoch darüber, dass aus einer politischen Frage, was untersucht werde, eine juridische werde. Davon abgesehen ist er zuversichtlich, vor dem VfGH recht zu bekommen. In dem Antrag stecke viel Expertise.

NEOS widerspricht Regierungsfraktionen

Dass das Gutachten der ÖVP nicht von einem Verfassungsrechtler gekommen ist, sieht NEOS-Fraktionsleiterin Stephanie Krisper als Beleg dafür, dass es keine einschlägigen Experten gäbe, die die Position der Koalitionsparteien teilten.

Bestritten wurde von ihr, dass man nicht bereit gewesen sei, mit ÖVP und Grünen deren Bedenken zu besprechen. Das sei schlicht unwahr. Ganz im Gegenteil stamme das ÖVP-Gutachten vom 4. Jänner und sei der Opposition erst gestern vorgelegt worden, sagte Krisper im APA-Gespräch.

Krainer über Grüne besonders „irritiert“

Grundsätzlich halten die Oppositionsvertreter fest, dass just jene Untersuchungsgebiete ausgespart werden, die für die ÖVP lästig seien. „Irritiert“ ist Krainer davon, dass die Grünen hier mitmachen. Denn die Volkspartei sei ja schon immer Gegnerin des Minderheitenrechts auf einen U-Ausschuss gewesen. SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried sprach gar von einem „Anschlag auf die Demokratie“: „Ibiza“ werde damit zugedeckt, Minderheitsrechte würden eingeschränkt, und ein Untersuchungsausschuss werde torpediert, so Leichtfried.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hatte es vor dem Beschluss im Ö1-Morgenjournal so formuliert: „Die ÖVP soll in dem Ausschuss so gut wie nicht untersucht werden.“ Das sei „ein roter Faden, der sich durch das Auftragsgutachten zieht“.

Kritik auch von FPÖ

Auch die FPÖ zeigte sich über das Vorgehen der Koalition beim U-Ausschuss verwundert. Der Abgeordnete Philipp Schrangl begrüßte daher in einer Aussendung, dass nun der VfGH mit der Angelegenheit befasst werde. Die Freiheitlichen treten explizit dafür ein, dass auch die sie betreffende „Ibiza-Affäre“ untersucht wird. Alleine der Wunsch, Punkte wie diesen aus der Untersuchung auszuschließen, werfe ein merkwürdiges Licht auf die Regierungsparteien und insbesondere auf die sonst so an parlamentarischer Aufklärung interessierten Grünen, meinte Schrangl.

Kogler verteidigt Einschränkung

Der grüne Vizekanzler Werner Kogler verteidigte seinerseits die Einschränkung des Untersuchungsgegenstands. Einwände gegen das Ausmaß der Untersuchungsgegenstände seien weder eine Behinderung noch eine Blockade, sagte der Grünen-Chef am Mittwoch nach dem Ministerrat. „Man muss aufpassen, dass man nicht einen Wald-und-Wiesen- oder Kraut-und-Rüben-Ausschuss hinkonstruiert“, so Kogler.

Positiv fand Kogler dagegen, dass die Opposition die Streitfragen vom VfGH klären lassen will. „Es ist gut, dass man das in die Hände des VfGH legt“, sagte er. Der Vizekanzler erinnerte daran, dass es nicht das erste Mal gewesen sei, dass bei der Formulierung „dilettiert“ worden sei. Verfassung, Geschäftsordnung und Verfahrensbestimmungen müssten gut eingehalten wäre. In Abrede stellte Kogler indes, dass die Formulierung des Untersuchungsgegenstandes eine Bedingung bei den Koalitionsverhandlungen gewesen sei.

Debatte über U-Ausschuss

Teils heftige Wortwechsel gab es im Nationalrat zur Einsetzung des neuen U-Ausschusses. Die Opposition fühlt sich von ÖVP und Grünen in ihren Kontrollrechten eingeschränkt.

Was nun untersucht wird

Laut aktuellem Beschluss konzentriert sich das Mandat des U-Ausschusses auf die Postenbesetzungen bei der Casinos Austria AG (CASAG), etwaige Gesetzesvorhaben im Glücksspielbereich sowie die Vollziehung bestimmter Teile des Glücksspielgesetzes und straf- und disziplinarrechtliche Ermittlungen im Umfeld des Glücksspielkonzerns. Außerdem können die Hintergründe, Strategien und Motive der Umwandlung der staatlichen Beteiligungsholding ÖBIB in eine Aktiengesellschaft (ÖBAG) und die Bestellung von ÖBAG-Vorstand Thomas Schmid unter die Lupe genommen werden. Laut ÖVP und Grünen lasse sich gerade noch ein Zusammenhang erkennen, weil die ÖBAG Miteigentümerin der CASAG ist.

Als Themen gestrichen wurden dagegen unter anderem Postenbesetzungen in anderen staatsnahen Unternehmen, die Neustrukturierung der Finanzaufsicht inklusive Personalentscheidungen betreffend die Oesterreichische Nationalbank und die Frage, ob es im Gegenzug für Parteispenden unzulässige Begünstigungen gab.

Erstmals Frau als Verfahrensrichterin

Gefasst wurden im Geschäftsordnungsausschuss übrigens auch personelle Beschlüsse. Die zentrale Rolle der Verfahrensrichterin übernimmt Ilse Huber, frühere OGH-Vizepräsidentin. Damit übernimmt erstmals eine Frau diese Rolle. Verfahrensanwalt wird wie schon bei einem der Eurofighter-Ausschüsse Andreas Joklik. ÖVP und Grüne haben im Ausschuss eine knappe 7:6-Mehrheit gegenüber SPÖ, FPÖ und NEOS. Der VfGH hat keine Frist, bis zu der er entscheiden muss. Allerdings soll eine Entscheidung „tunlichst“ binnen vier Wochen nach Einbringen der Beschwerde fallen, heißt es im Gesetz.

Experten der Opposition optimistisch

Die beiden Verfassungsexperten Theo Öhlinger und Heinz Mayer – sie haben in der Frage die Opposition beraten – sehen gute Chancen für die Beschwerde von SPÖ und NEOS. Öhlinger verwies vor allem auf das Kontrollrecht der Opposition. Grundsätzlich finden es beide absurd, dass nun der VfGH entscheiden müsse, was das Parlament mit der Neuordnung des U-Ausschuss-Verfahrens und der Einführung des Minderheitsrechts eigentlich gemeint habe.