Film Produzent Harvey Weinstein
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Schlagabtausch zu Prozessbeginn

Weinstein für Anklägerin „Vergewaltiger“

Vor zwei Jahren haben die Missbrauchsvorwürfen gegen Harvey Weinstein die „#MeToo“-Bewegung ins Rollen gebracht. In einem ersten Prozess gegen den Filmproduzenten in New York ist es nun an der Staatsanwaltschaft, die schweren Anschuldigungen auch zu beweisen. Im Eröffnungsplädoyer am Mittwoch zeichnete die Staatsanwältin von Weinstein das detailreiche Bild eines Vergewaltigers. Die Verteidigung versuchte hingegen von Beginn weg, Zweifel an der Glaubwürdigkeit der mutmaßlichen Opfer zu wecken.

Beweise würden zeigen, „dass dieser Mann ein Sexualstraftäter und Vergewaltiger ist“, sagte Anklägerin Meghan Hast am Mittwoch bei ihrem Auftaktplädoyer. Hast legte die Fälle von mehreren Frauen dar, die Weinstein sexuell bedrängt haben soll. Laut der Anklage hat er „seine Macht in der Unterhaltungsindustrie dazu genutzt, ihr Schweigen sicherzustellen“. Die Staatsanwältin kündigte an, dass die mutmaßlichen Opfer ihre Geschichten der Angst und Erniedrigung während des Prozesses erzählen werden – „endlich werden ihre Stimmen gehört werden“, so Hast.

In dem Prozess gegen Weinstein geht es vor allem um zwei Frauen: Der heute 67-Jährige soll eine von ihnen im Jahr 2006 zum Oralsex gezwungen, die andere 2013 vergewaltigt haben. Bei einer Verurteilung droht ihm lebenslange Haft. Insgesamt hatten mehr als 80 Frauen Weinstein in den vergangenen Jahren sexuelle Übergriffe vorgeworfen und damit die weltweite „#MeToo“-Bewegung ausgelöst. Viele der mutmaßlichen Taten fanden jedoch nicht in New York statt oder sind zu lange her, um verhandelt zu werden. Der Prozess soll etwa zwei Monate dauern. Weinstein hatte immer wieder gesagt, die sexuellen Kontakte seien einvernehmlich erfolgt.

Staatsanwältin Meghan Hast
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Anklägerin Hast kündigte die Aussagen zahlreicher mutmaßlicher Opfer Weinsteins an

Staatsanwältin Hast ging bei der Beschreibung dieser und auch anderer mutmaßlicher Taten Weinsteins am Mittwoch ins Detail. Sie beschrieb, wie Weinstein die Schauspielerin Annabella Sciorra vergewaltigt haben soll. Außerdem schilderte Hast, wie Weinstein sich mit seinen etwa 135 Kilo Körpergewicht auf die zierliche Produktionsassistentin Mimi Haleyi „gestürzt“ haben soll, obwohl diese „Ich bin nicht interessiert“ und „Nein“ gesagt habe. „Nichts hat geholfen“, sagte Hast.

Äußerlich ruhiger Weinstein

Schließlich beschrieb die Anklägerin auch den Fall von Schauspielerin Jessica Mann und wie Weinstein gegen ihren Willen Oralverkehr an ihr ausgeübt und auch sie vergewaltigt haben soll. Er habe mit dem Versprechen von großen Rollen in seinen Filmen versucht, sie gefügig zu machen.

Gerichtszeichnung zeigt Staatsanwältin Meghan Hast die auf Harvey Weinstein zeigt
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Weinstein zeigte während des Plädoyers der Anklage kaum eine Regung

Während Hast über die mutmaßlichen Opfer in dem aufsehenerregenden Fall sprach, wurden auf einem großen Bildschirm im Gerichtssaal Fotos der Frauen gezeigt. Weinstein verhielt sich während des Plädoyers äußerlich ruhig, schaute manchmal Richtung Boden oder raunte einer Mitarbeiterin seines Teams etwas zu. Der ehemalige Filmproduzent war zuvor ohne seine Gehhilfe – anders als in den vergangenen Wochen – in den Gerichtssaal in Manhattan gekommen. Er ging gestützt auf einen Mitarbeiter seines Teams zu seinem Platz vor der Richterbank.

Aufregung über Clinton-Fotos

Für Aufregung bei der Verteidigung sorgte ein Foto, das die Staatsanwaltschaft im Gerichtssaal gezeigt hatte. Darauf zu sehen war Weinstein zusammen mit dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton. „Präsident Clinton hat überhaupt nichts mit dem diesem Fall zu tun“, schimpfte Anwalt Arthur Aidala. Er vermutete, dass die Anklage die Jury damit an Clintons Impeachment-Verfahren wegen einer unangebrachten Beziehung mit einer Praktikantin erinnern wollte – schließlich laufe gerade ein weiteres Amtsenthebungsverfahren ab, diesmal gegen US-Präsident Donald Trump.

Staatsanwältin Joan Illuzzi-Orbon sagte daraufhin, dass Clinton für den Prozess sehr wohl eine Rolle spiele, weil Weinstein seine gute Beziehung zu dem Politiker als Mittel der Einschüchterung gegenüber einer Frau benutzt habe. Richter James Burke lehnte den Versuch der Verteidigung ab, den Prozess unter anderem wegen der Clinton-Fotos platzen zu lassen.

Verteidigung zweifelt an Glaubwürdigkeit

Sein Verteidigungsteam war im Anschluss an die Anklage am Wort – und versuchte vor allem, die Aussagen der mutmaßlichen Opfer zu diskreditieren. Es gebe Beweise von den Zeuginnen selbst, die zeigten, dass ihre Vorwürfe nicht wahr seien, sagte Weinstein-Anwalt Damon Cheronis bei seinem Eröffnungsplädoyer. Weinstein sei kein „meisterhafter Manipulator“ gewesen. „Alles, was Frau Hast ihnen gerade erzählt hat, sind keine Beweise. Sie war nicht da“, sagte Cheronis.

Der Verteidiger zeigte eine Reihe von Botschaften von Zeuginnen der Anklage, die diese nach den mutmaßlichen Taten an Weinstein geschickt haben sollen. So habe Haley nach Darstellung der Anwälte eine Mail an Weinstein geschickt, in der sie Bedauern darüber äußerte, dass sie sich so lange nicht gesehen hätten. Die Nachricht sei mit „Peace & Love“ (Dt.: „Frieden und Liebe“) unterschrieben. Über die Schauspielerin Mann sagte Cheronis, sie habe zu Weinstein nach der mutmaßlichen Vergewaltigung „Ich liebe dich, das tue ich immer“ geschrieben.

Bereits zuvor hatte Hauptanwältin Donna Rotunno dem Magazin „Variety“ gesagt, Weinstein sei der Typ gewesen, „der die Schlüssel für das Schloss hatte, in das jeder rein wollte. Und die Leute haben ihn benutzt und benutzt und benutzt.“ Weinstein galt als einer der mächtigsten Männer Hollywoods. Er produzierte Filme wie „Pulp Fiction“, „Kill Bill“, „Gangs of New York“ und „Shakespeare in Love“.

Schwierige Suche nach Geschworenen

In dem Prozess waren in den ersten Wochen zwölf Geschworene und drei Ersatzjuroren aus einem Pool von ursprünglich mehr als 600 Personen ausgewählt worden. Ein großer Teil war ausgeschieden, weil sich viele potenzielle Geschworene für befangen erklärten. Staatsanwältin Illuzzi-Orbon unterdessen warf der Verteidigung bei der Auswahl der Geschworenen vor, systematisch jüngere weiße Frauen ausschließen zu wollen. Richter James Burke redete den Kandidaten ins Gewissen: „Dieser Prozess ist kein Referendum über die ‚#MeToo‘-Bewegung.“

Die Anschuldigungen Dutzender Frauen gegen Weinstein hatten 2017 die globale Bewegung ausgelöst. Überall auf der Welt erkannten Frauen und auch einige Männer ihre eigenen Geschichten in denen der mutmaßlichen Weinstein-Opfer wieder und begannen, sie unter dem Schlagwort „Me too“ („Ich auch“) zu sammeln. Ihr Einfluss reichte in viele Gesellschaften und stieß Diskussionen über sexualisierte Gewalt und männlichen Machtmissbrauch an.