Koch rührt im Kochtopf mit Schneebesen
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Arbeitslose

Feilen an Grenzen der Zumutbarkeit

Die Zahl der Sperren von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe ist im Vorjahr deutlich gestiegen, dennoch erwägt die Regierung eine Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen. Der Chef des Arbeitsmarktservice (AMS), Johannes Kopf, will die Debatte „entemotionalisieren“, setzt auf konsequenten Vollzug, gleichzeitig aber auf Anreiz statt Zwang: „Mit Zwang können Sie kein Wollen erzeugen.“

Rund 60.000 Sanktionen wurden 2019 nach Paragraf 10 verhängt: Wenn eine Arbeit oder Schulung verweigert beziehungsweise vereitelt wird, stellt das AMS die Zahlungen für sechs, im Wiederholungsfall für acht Wochen ein. Trotz des Anstiegs im Vergleich zum Vorjahr sprach sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu Wochenbeginn für einen „noch strengeren Vollzug“ beim Arbeitslosengeld aus. „Arbeitslosengeld und Sozialleistungen sind für alle da, die Unterstützung brauchen, für alle, die arbeitslos sind, weil sie keine Arbeit finden. Aber sie sind sicherlich nicht da für Menschen, die nicht arbeiten wollen“, sagte Kurz am Montag.

Es gehe darum, „Menschen, die in Ostösterreich arbeitslos sind, gerade wenn sie hier nicht verwurzelt sind, wie Asylberechtigte zum Beispiel, die erst kurz da sind“, in Westösterreich zu beschäftigen. Hintergrund der Debatte sind die regionalen Unterschiede auf dem österreichischen Arbeitsmarkt. Während es etwa in Wien vier arbeitslose Köche auf eine freie Stelle gibt, gibt es in den westlichen Bundesländern einen deutlichen Überhang an freien Stellen.

Kopf: Weniger moralisieren

Kopf riet am Donnerstag im Ö1-Mittagsjournal dazu, die Debatte zu „entemotionalisieren“: „Man muss deutlich unterscheiden zwischen der Frage, ob jemand überhaupt nicht arbeiten will, oder der Frage, ob jemand eine konkrete Stelle nicht will“ – Audio dazu in oe1.ORF.at. Es sei aus seiner Sicht nicht verwerflich, wenn jemand eine Stelle ablehne – im Sinne der Solidarität in der Arbeitslosenversicherung sei dann eben einen Zahlungsstopp vorgesehen. Wie der Kanzler trete er für einen konsequenten Vollzug ein, sagte Kopf, das sei seit Jahren auch Linie des AMS.

Johannes Kopf
APA/Hans Klaus Techt
AMS-Chef Kopf: „Es braucht konsequenten Vollzug und auf der anderen Seite Anreize“

„Mit Zwang können sie kein Wollen erzeugen“

Von neuen Verschärfungen hält Kopf dagegen weniger. Zwar könne man noch über Details bei den Zumutbarkeitsbestimmungen diskutieren, aber „das macht das Kraut nicht fett“. Arbeitssuchende müssten schließlich schon jetzt freie Arbeitsplätze in anderen Bundesländern annehmen. Voraussetzung sei, dass das Unternehmen eine Unterkunft stelle und dass keine Betreuungspflichten des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin bestünden.

Doch nicht Zwang, sondern Anreize und das Aufzeigen von Chancen seien zielführend, sagte Kopf. „Die Arbeitgeber brauchen ja nicht jemanden, der gezwungen ist, etwas zu tun, sondern jemanden, der den Job will. Mit Zwang können sie kein Wollen erzeugen.“ Bei der Frage nach möglichen Anreizen berief sich Kopf auf Petra Nocker-Schwarzenbacher, Tourismusobfrau in der Wirtschaftskammer: „Um die Mitarbeiter muss man werben wie um einen Gast.“ Arbeitszeitregelungen, Kinderbetreuungsangebot an Ort und Stelle und generell die Attraktivität des Arbeitsplatzes seien entscheidend.

Asylberechtigte nicht auffälliger

Strengere Bestimmungen nur für Asylberechtigte hält Kopf nicht für denkbar, es gebe auch keine Indizien dafür, dass in ihren Reihen mehr Jobverweigerer sitzen würden: „Wir sehen in unseren Zahlen keine Auffälligkeit in Bezug auf Nationalität. Das ist absolut gleich.“ Allerdings müssten ausländische Arbeitssuchende besser aufgeklärt werden, wie Saisonarbeit in Österreich funktioniere, was eine Lehre sei. Aber, so Kopf: „Dass wir zum Beispiel 2015 400 afghanische Lehrlinge hatten und jetzt 1.800, sehe ich als Erfolg."

Kritik hagelte es am Donnerstag von der SPÖ: Parteichefin Pamela Rendi-Wagner beklagte, dass eine Abschaffung der Notstandshilfe bisher nicht klar dementiert wurde. Auch tue Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) nichts dagegen, dass die ÖVP den Druck auf Arbeitslose erhöhen wolle. Die SPÖ-Chefin forderte die Wiedereinführung der „Aktion 20.000“: Für Langzeitarbeitslose aller Altersgruppen solle es nach einem Jahr geförderte Jobprogramme geben.

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl monierte vor allem, dass Unternehmen nach wie vor ohne Sanktionen Beschäftigte in der Arbeitslosigkeit zwischenparken könnten. „Wir brauchen keine Strafen für Arbeitslose, die es ohnehin schwer haben. Wir brauchen Strafen für Unternehmer, die das AMS als Zwischenparkplatz für Beschäftigte benutzen, die sie dann ohnehin wieder einstellen. Das ist Missbrauch des Sozialsystems.“