Demo in Davos
APA/AFP/Fabrice Coffrini
Weltwirtschaftsforum in Davos

Enttäuschung bei Klimaschützern

Die Klimaschutzbewegung hat das Weltwirtschaftsforum (WEF) durchgewirbelt, in seiner 50. Auflage hat sich der Gipfel thematisch neu orientiert. Viele Gespräche drehten sich statt um Wachstum um Nachhaltigkeit – das ist aber nicht genug für die Aktivistinnen und Aktivisten in Davos. Sie schlossen die Veranstaltung mit einer großen Klimademo. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) betonte bei seinem Auftritt den Einklang von Klimaschutz und Wirtschaft.

Seit Dienstag hatten rund 3.000 Köpfe aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in den Schweizer Alpen über aktuelle Herausforderungen diskutiert. Schon das heurige Motto des hochkarätigen Treffens legte die Betonung auf Umweltthemen: „Stakeholder für eine solidarische und nachhaltige Welt“. Neben vielen Staats- und Regierungschefs sowie Führungspersönlichkeiten aus der Wirtschaft wurden auch Klimaaktivistinnen und -aktivisten eingeladen, um zu sprechen, darunter auch Greta Thunberg.

Sie klagte beim WEF erneut die Spitzen der Industrienationen an, zu wenig für den Klimaschutz zu tun. Auch zum Ende des Gipfels war ihr Urteil eindeutig. „Wir hatten einige Forderungen, aber natürlich wurden diese Forderungen komplett ignoriert“, sagte sie am Freitag vor der Presse in Davos. „Wir haben nichts anderes erwartet.“ Thunberg betonte, Kritik etwa von US-Präsident Donald Trump habe keinen Einfluss auf ihre Arbeit. „Wir können auf solche Sachen keine Rücksicht nehmen“, sagte sie.

Zwei Weltanschauungen prallten aufeinander

Trump hatte die Aktivisten in Davos am Dienstag als Schwarzmaler bezeichnet und mehr Optimismus gefordert. „Wir müssen die ewigen Propheten des Untergangs und ihre Vorhersagen der Apokalypse zurückweisen“, sagte Trump und ging in seiner Rede auch auf Konfrontationskurs zu der im Publikum sitzenden Thunberg. Zudem pries er seine eigene Wirtschaftspolitik an, die stark auf fossile Energieträger setzt.

Die Schwedin Isabelle Axelsson kritisierte am Freitag, der Fokus des WEF sei nicht darauf gelegen, konkrete Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise zu finden. Vielmehr seien technische Neuerungen diskutiert worden. „Aber wir können uns nicht auf etwas verlassen, das noch nicht existiert“, sagte Axelsson. Die Schweizer Aktivistin Loukina Tille sagte, das WEF gleiche einer „geschlossenen Blase positiver Einstellungen, abgeschlossen von der Realität“. Aber solange sich die Teilnehmer weigerten, die Blase zu verlassen, werde sich nichts ändern. Am Freitag zogen sie im Rahmen einer „Fridays-for-Future“-Demo noch einmal durch Davos, um gegen Gelder für fossile Energiequellen zu protestieren.

US-Finanzminister Steven Mnuchin legte am Abschlusstag noch einmal dar, wie die offizielle US-Meinung lautet. Der Klimaschutz sei nicht das wichtigste Thema, sonder „eines von vielen“. Die USA machten hier Fortschritte dank technologischer Innovationen. Mit Blick auf den langfristig angelegten Plan der EU, bis 2050 klimaneutral sein zu wollen, sagte Mnuchin, es werde in einem solchen Zeitrahmen viele technologische Neuerungen geben, die Vorhersagen schwermachten. Die Kosten des Klimawandels würden vermutlich überschätzt, so Mnuchin.

Kurz gegen „kollektivistische Ideen“

Bundeskanzler Kurz hatte seinen Auftritt am Freitagvormittag. Bei einem Gespräch mit dem Österreicher Peter Brabeck-Letmathe, dem früheren Nestle-Chef, sagte Kurz, er sehe Wirtschaft und Klimaschutz nicht als Gegensatz, „wenn man es richtig macht“. Es sei gut, „dass Klimaschutz nun in aller Munde ist“, so Kurz, man müsse aber aufpassen, dass das Thema nicht „missbraucht wird, um für alte kollektivistische Ideen zu werben“. Das Klima würde nicht gerettet, wenn man die europäische Wirtschaft schädige, im Gegenteil. Dann würde die Produktion nur abwandern und anderswo unter schlechteren Umweltstandards durchgeführt.

Kurz im Gespräch mit Manager Brabeck-Letmathe

Der Bundeskanzler erörterte in Davos seine Standpunkte zu Wirtschaft und Umwelt.

Man müsse „das Beste aus beiden Welt“ umsetzen. Dafür setze er auf eine freie und starke Wirtschaft. „Der Schlüssel ist Innovation“, sagte Kurz. So könne Europa den Klimawandel bekämpfen und gleichzeitig Arbeitsplätze schaffen. So versuche es auch die neue Koalition aus ÖVP und Grünen, die ein Vorbild für andere Ländern sein könne. „Ich würde mich jetzt wahrscheinlich in dem Fall sogar wetten trauen, dass eine ähnliche Konstellation für Deutschland nach der nächsten Wahl nicht unwahrscheinlich ist“, sagte Kurz

Auf Kurz’ Agenda stand auch eine Reihe von Treffen, etwa mit den Chefs großer Firmen, den Chefinnen von EZB und IWF, Christine Lagarde und Kristalina Georgiewa, sowie dem selbst ernannten venezolanischen Übergangspräsidenten Juan Guaido. Auch mit Apple-Chef Tim Cook gab es zuvor ein Treffen auf dem Flughafen Zürich. Anschließend gab Kurz bekannt, dass der IT-Riese im Bereich der Modementwicklung für Smartphones „300 zusätzliche Arbeitsplätze“ in Österreich schaffen wolle. Investitionszusagen gab es auch nach Treffen mit den Chefs von ABB und Novartis.

Guterres fordert mehr Investitionen

Insgesamt nutzten viele Politikerinnen und Politiker die vier Tage im Schweizer Nobelskiort, um den Klimaschutz voranzutreiben. Neben Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres vor einem Scheitern der Klimapolitik. „Wir sind immer noch dabei, diesen Kampf zu verlieren“, sagte Guterres am Donnerstag.

Er sah einen „Mangel an politischem Willen“ und forderte eine „bedeutsame Verschiebung“ von umweltschädlichen Investitionen hin zu einer grünen Wirtschaft. „Der Planet wird nicht zerstört werden“, sagte Guterres. „Was wir zerstören werden, ist unsere Kapazität, auf diesem Planeten zu leben.“ Daher sei es „essenziell zu erkennen, dass der Klimawandel eine existenzielle Bedrohung für uns alle ist“. Die Menschheit müsse handeln, sonst sei sie „dem Untergang geweiht“, so Guterres.