Neben Hubei sei die Alarmstufe auch in den Provinzen Hunan, Guangdong, Zhejiang, Anhui und Tianjin ausgerufen worden, berichtete am Freitag unter anderem der TV-Sender CGTN. Auch für Peking und Schanghai wurden umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen getroffen: Neben der Absage aller großen Neujahrsfeierlichkeiten wurden unter anderem touristische Attraktionen wie Pekings Verbotene Stadt und Disneyworld in Schanghai geschlossen. Hochbetrieb herrschte, wie Bilder mit langen Menschenschlangen aus dem Zentrum Schanghais zeigen, hingegen vor Geschäften, die Schutzmasken verkaufen.
„Level I“, die höchste Stufe für einen öffentlichen Gesundheitsnotstand, ermöglicht es Behörden, den täglichen Bedarf etwa nach Wasser, Strom und Lebensmitteln zu regeln. Die Beamten können zudem vorbeugende Maßnahmen gegen das Horten medizinischer und Schutzmittel und gegen Preistreiberei ergreifen: In den vom Coronavirus derzeit am meisten betroffenen Gebieten in der Provinz Hubei werden Schutzmasken etwa bereits knapp.
Militäreinsatz in Wuhan angelaufen
Laut der Nachrichtenagentur AP riefen etwa in Wuhan, dem Ausgangspunkt der Lungenkrankheit, mehrere Spitäler zum Spenden von Masken, Brillen, Kitteln und anderer medizinischer Schutzausrüstung auf. Berichte von Spendenaufrufen gibt es auch aus der nahe gelegenen, ebenfalls weitgehend abgeschotteten Metropole Huanggang.
Als Reaktion auf den öffentlichen Gesundheitsnotstand ist mittlerweile auch das Militär im Einsatz. In Wuhan übernahm laut staatlichem TV die Logistikabteilung der Militärkommission die Führung über die „gemeinsame Kontrollarbeit“. Zudem werde medizinisches Personal des Militärs für den Kampf gegen die Lungenkrankheit mobilisiert. Den Anfang machten 40 medizinische Kräfte von Wuhans Militärspital, die auf die Intensivstation des Spitals für Lungenkrankheiten der Stadt abkommandiert worden seien.
Zur Unterstützung des offenbar zunehmend an die Grenzen stoßenden medizinischen Personals in Wuhan ist China laut einem Medienbericht landesweit auf der Suche nach Verstärkung. Allein aus Schanghai würden über 400 Mediziner und Hilfskräfte nach Wuhan entsandt, berichtete die Zeitung „Shanghai Daily“ am Freitag. Eine erste 135-köpfige Gruppe soll den Angaben zufolge demnächst aufbrechen.
Neues Spital mit rund 1.000 Betten
In der Stadt mit den nach wie vor meisten Todes- und Krankheitsfällen wird seit Donnerstag im Schnellverfahren ein neues Spital mit rund 1.000 Betten gebaut. Baumaschinen, darunter 35 Bagger und zehn Planierraupen, seien bereits am Donnerstag auf der Baustelle in Wuhans südwestlichem Bezirk Cadian aufgefahren, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf die Zeitung „Changjiang Daily“.
Coronavirus: Wuhan baut neues Spital
In der chinesischen Metropole Wuhan ist die Zahl der durch das Coronavirus infizierten Menschen weiter gestiegen. Nun wird in der Stadt im Schnellverfahren ein neues Spital gebaut. (Videoquelle: APTN/CCTV)
Den Angaben zufolge werde der Gebäudekomplex mit vorgefertigten Elementen im Baukastenformat errichtet. Die Vorgangsweise erinnere an den Kampf gegen SARS – damals sei in Peking ebenfalls im Schnellverfahren ein Krankenhaus errichtet worden. Der nun in Wuhan im Bau befindliche Spitalskomplex soll in wenigen Tagen hochgezogen werden – spätestens am 3. Februar soll er fertiggestellt sein, berichtete die Nachrichtenagentur AP mit Verweis auf die Stadtverwaltung. Die rund elf Millionen Einwohner zählende Metropole gilt als Ausgangspunkt der von einem neuartigen Coronavirus ausgehenden Lungenkrankheit.
Leere Straßen in Wuhan
Die chinesischen Behörden hatten Wuhan am Donnerstag unter Quarantäne gestellt. Die Flug- und Zugsverbindungen aus der Stadt wurden weitgehend gestoppt. Staatliche chinesische Medien berichteten, dass die Autobahnmautstellen in der Nähe von Wuhan geschlossen würden, wodurch die Straßenausfahrten abgeschnitten seien.
Außerdem gilt in der Öffentlichkeit Schutzmaskenpflicht. Wer in Hotels, Restaurants, Einkaufszentren und Parks keine Maske trage, werde bestraft, berichtete die Tageszeitung „China Daily“. Die Stadt gleicht Beobachtern zufolge zunehmend einer Geisterstadt. „Dieses Jahr haben wir ein sehr unheimliches Neujahr“, sagte ein Taxifahrer der Nachrichtenagentur AFP: „Wegen des Virus gehen die Leute nicht außer Haus.“
Immer mehr Städte abgeschottet
Ähnliche Bilder gibt es indes aus immer mehr anderen Städten: Nach Jingzhou (5,6 Millionen Einwohner), Xiaogan (fünf Millionen Einwohner) und Dangyang (470.000 Einwohner) wurden am Freitag auch in den Metropolen Yichang (vier Millionen Einwohner) und Tianmen (1,7 Millionen) der öffentliche Verkehr und die Züge in andere Orte gestoppt.
Im Kampf gegen eine Verbreitung der Lungenkrankheit wurden somit allein in der Provinz Hubei schon in rund einem Dutzend Städte strikte Beschränkungen erlassen. Neben dem Fernverkehr ist auch der öffentliche Nahverkehr betroffen. In der 2,4-Millionen-Stadt Huangshi wurden beispielsweise auch der Fährhafen und eine Brücke über den Yangtse-Fluss gesperrt.
Zahl der Todesfälle erneut gestiegen
Laut neuen Zahlen der chinesischen Regierung stieg die Zahl der Todesopfer durch das Virus in China um acht Fälle auf 26. 24 dieser Todesfälle wurden in Hubei verzeichnet, zwei weitere in der an Russland angrenzenden Nordostprovinz Heilongjiang und der nördlichen Provinz Hebei. Die Zahl der nachgewiesenen Infizierten stieg am Freitag laut chinesischen Medienberichten in China auf 888 und weltweit auf 899.
Bei weiteren 1.072 Krankheitsfällen bestehe der Verdacht, dass sie durch das Virus ausgelöst worden sein könnten, teilte der Gesundheitsausschuss der chinesischen Regierung mit. Diese Fälle würden noch untersucht.
WHO: Noch keine „Notlage“
Auch aus anderen Ländern wurden einzelne Fälle des Virus gemeldet, darunter aus Thailand, Japan, Südkorea, Taiwan und den USA sowie seit Freitag aus Vietnam. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verzichtete dennoch in einer Krisensitzung darauf, den internationalen Gesundheitsnotstand auszurufen. Bisher gebe es außerhalb Chinas „keine Hinweise“ auf eine Übertragung des Krankheitserregers von Mensch zu Mensch, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus zur Begründung.
Der Notfallausschuss empfahl, den Informationsaustausch unter den Staaten weiter zu verbessern, wie der WHO-Vorsitzende Didier Houssin sagte. Allerdings seien sich die Mitglieder des Notfallausschusses in der Beurteilung der Situation nicht einig gewesen.
Mit einer offiziellen Notlage wären weitere konkrete Empfehlungen an Staaten verbunden gewesen, um die Ausbreitung über Grenzen hinweg möglichst einzudämmen. Zu solchen Empfehlungen kann beispielsweise gehören, dass Reisende auf Krankheitssymptome geprüft werden und dass medizinisches Personal besser geschützt wird.
Bahntickets werden rückerstattet
Es wird vermutet, dass die Quelle des Coronavirus ein Wildtier auf einem Markt in Wuhan war. Es wurde nach Expertenmeinung zunächst vom Tier auf Menschen übertragen, bevor sich das Virus an seinen neuen Wirt anpasste und es zu Übertragungen zwischen Menschen kam. Mit der Reisewelle zum chinesischen Neujahrsfest wächst die Gefahr einer Ausbreitung der Viruskrankheit. Bei der größten jährlichen Reisewelle des Landes sind einige hundert Millionen Chinesen unterwegs.
„Hohes Sicherheitsrisiko“
Das Außenministerium sieht in der Provinz Hubei ein „hohes Sicherheitsrisiko“ und rät in den Reisehinweisen von nicht notwendigen Reisen ab.
Aus Angst vor einer Epidemie wollen die Behörden die Reisetätigkeit einschränken. Bereits gekaufte Bahntickets werden landesweit rückerstattet, wie die staatliche Eisenbahngesellschaft China State Railway Group (CR) mitteilte.
Das neue Virus gehört zur selben Art wie jenes, das 2002/2003 die SARS-Pandemie ausgelöst hat. Damals kamen etwa 800 Menschen ums Leben. Das neue Virus soll nach derzeitigem Stand eine harmlosere Variante sein. SARS-Viren gehören zu den Coronaviren, die oft harmlose Erkrankungen wie Erkältungen verursachen. Allerdings gehören auch Erreger gefährlicher Atemwegskrankheiten wie MERS dazu. Eine Pandemie ist eine länder- und kontinentübergreifende Ausbreitung einer Infektionskrankheit.