Krankenhauspersonal in Wuhan, China
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Infizierte durch Coronavirus

Chinesische Ärzte vermuten Vertuschung

Die Zahl der Toten und Infizierten in China wegen des Coronavirus ist weiter im Steigen. Das chinesische Staatsfernsehen berichtete am Samstag über mittlerweile 41 Todesopfer und knapp 1.300 Infizierte in der Volksrepublik – rund ein Drittel mehr als noch am Vortag. Doch die wahren Zahlen könnten vertuscht worden sein: Ärzte in Wuhan äußerten den Verdacht, dass sich dort schon wesentlich mehr Menschen angesteckt haben dürften als offiziell angegeben.

Auch sei offenkundig weitaus mehr Krankenhauspersonal betroffen als jene 15 Beschäftigten, von denen bisher offiziell die Rede sei. „Es lassen sich infizierte Krankenhausmitarbeiter in fast allen größeren Krankenhäusern in Wuhan finden“, sagte ein Arzt der Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“.

Wegen des sich rasant ausbreitenden Virus haben die chinesischen Behörden landesweite Maßnahmen für Züge, Flugzeuge und Busse angeordnet. Wie die nationale Gesundheitsbehörde am Samstag mitteilte, werden im gesamten öffentlichen Verkehr Messstationen eingerichtet. Passagiere und Passagierinnen mit Verdacht auf eine Infektion müssten „sofort“ in eine medizinische Einrichtung gebracht werden. Veranstaltugen zum chineschen Neujahrsfest wurden aus Sicherheitsgründen abgesagt.

Krankenhauspersonal in Wuhan, China
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Patienten in einem Spital in Wuhan

Erste Fälle in Europa

Auch Europa ist bereits betroffen: Drei Patienten befinden sich in Frankreich derzeit unter Quarantäne im Krankenhaus, wie das französische Gesundheitsministerium mitteilte. Ein Fall trat in Bordeaux auf, die anderen beiden Lungenerkrankungen wurden in Paris diagnostiziert. Alle Patienten hätten sich zuvor in China aufgehalten, hieß es.

Ein Polizist auf einer menschenleeren Straße in Wuhan
APA/AFP/Hector Retamal
In Wuhan steht das öffentliche Leben vielerorts still

Jeder, der in engem Kontakt mit den drei Infizierten stand, solle überprüft werden. Die Regierung werde alles unternehmen, um eine Ausbreitung des Erregers einzudämmen, sagte Gesundheitsministerin Agnes Buzyn. „Wir müssen eine Epidemie behandeln wie einen Flächenbrand.“

Eine Grafik zeigt Länder mit Corona-Virus-Erkrankungen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

In Bordeaux handelt es sich den Angaben zufolge um einen 48-jährigen Mann, der über Wuhan aus China zurückgekehrt war. In der chinesischen Millionenmetropole waren Anfang des Jahres die ersten Fälle der neuen Lungenkrankheit aufgetreten.

Fälle auch in den USA und Australien

Bestätigte Fälle wurden zuletzt auch aus anderen asiatischen Ländern wie Japan, Thailand, Vietnam, Singapur und Taiwan gemeldet. Aus den US-Großstädten Seattle und Chicago wurde bis Freitag jeweils eine Erkrankung gemeldet. Am Samstag bestätigte dann auch Australien einen Fall der vom neuen Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit: Der Erreger sei bei einem Chinesen nachgewiesen worden, der vergangene Woche aus China nach Melbourne gereist und zuvor in Wuhan gewesen sei, sagte Gesundheitsministerin Jenny Mikakos.

„Hohes Sicherheitsrisiko“

Das Außenministerium sieht in der Provinz Hubei ein „hohes Sicherheitsrisiko“ und rät in den Reisehinweisen von nicht notwendigen Reisen ab.

Frankreichs Gesundheitsministerin Buzyn rief zur Achtsamkeit auf und appellierte an alle aus China zurückkehrenden Reisenden, genau darauf zu achten, ob sie Lungenprobleme oder Fieber bekämen. Im Fall der Fälle sollten sie unter keinen Umständen einen Arzt oder Notdienst aufsuchen, sondern den Notdienst kontaktieren. Dieser würde die Betroffenen zu Hause abholen und direkt ins Krankenhaus bringen.

Mit Schnelltest zügig identifiziert

Buzyn schloss bereits am frühen Abend nicht aus, dass es noch weitere Fälle geben könnte. Die bisher Erkrankten seien aufgrund der effektiven Schnelltests zügig identifiziert worden. Man werde nun täglich über die laufenden Entwicklungen informieren. Frankreichs Außenministerium erklärte, in Wuhan werde ein Busdienst eingerichtet, mit dem französische Staatsbürger die Großstadt verlassen könnten.

Ausnahmezustand in China

In China werden aus Angst vor dem Coronavirus ganze Regionen abgeschottet. Mehrere Metropolen wurden abgeriegelt, mehr als 43 Millionen Menschen stehen damit unter Quarantäne.

Drastische Maßnahmen in China

Hongkong rief wegen der Ausbreitung des Coronavirus den Notstand und damit die höchste Warnstufe der Stadt aus. „Bisher haben wir keine schweren und weitverbreiteten Infektionen. Aber wir nehmen das ernst und hoffen, der Epidemie einen Schritt voraus zu sein“, sagte Regierungschefin Carrie Lam am Samstag.

Um die Ausbreitung des Virus zu bremsen, hat China den 43 Millionen Bewohnern von zwölf Städten in der schwer betroffenen Provinz Hubei drastische Restriktionen auferlegt. Nah- und Fernverkehr wurden gestoppt, Ausfallstraßen gesperrt, zudem sollen in der Öffentlichkeit Schutzmasken getragen werden. In Wuhan gibt es besonders viele Infektionen, weil das Virus dort – vermutlich auf einem Markt – von einer Wildtierart auf den Menschen übersprang.

Gesundheitskontrolle an U-Bahn-Station
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Auch in Peking wird bei Menschen die Temperatur gemessen

Wie chinesische Medien berichteten, erreichten am Samstag mehr als 400 Ärzte des Militärs per Flugzeug die Stadt, um im Kampf gegen das Virus zu helfen. Auch zusätzliches medizinisches Personal aus Schanghai und anderen Städten kam in der Metropole an. Wie das Staatsfernsehen berichtete, gehörte zu den jüngsten Opfern der Lungenkrankheit auch ein 62-jähriger Arzt, der sich während der Arbeit in einem Wuhaner Krankenhaus infiziert hatte.

Auch USA ziehen Personal aus Wuhan ab

Die USA kündigten an, das Personal ihres Generalkonsulats und deren Familien aus Wuhan abzuziehen. Die Anordnung erfolge wegen der Ausbreitung des Coronavirus, der logistischen Probleme durch Verkehrseinschränkungen und der „überwältigten Krankenhäuser“ der Stadt, sagte ein Botschaftssprecher.

US-Präsident Donald Trump bescheinigte den Behörden der Volksrepublik großes Engagement im Kampf gegen die Verbreitung des Erregers: „China hat sehr hart daran gearbeitet, das Coronavirus einzudämmen. Die Vereinigten Staaten schätzen die Bemühungen und Transparenz sehr“, schrieb er auf Twitter. Es werde sich alles gut entwickeln.

Bagger auf der Baustelle
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Hier soll in wenigen Tagen ein neues Krankenhaus stehen

Chinesische Staatsmedien berichteten, in der elf Millionen Einwohner zählenden Provinzhauptstadt Wuhan werde ein neues Krankenhaus mit 1.000 Betten errichtet – in nur sechs Tagen. Der Gebäudekomplex wird demnach aus vorproduzierten Bauteilen zusammengesetzt. Das Krankenhaus soll Anfang Februar die ersten Patienten aufnehmen.

Furcht in der Bevölkerung

Die Stadt Wuhan ist so gut wie von der Außenwelt abgeriegelt. Andrang herrscht in den Spitälern der Stadt. Die Furcht der Bevölkerung, infiziert zu sein, ist groß. (Videoquelle: EBU/AFP)

Versorgung für Wuhan „gesichert“

In Wuhan wird jetzt auch der Autoverkehr weitgehend gestoppt. Wie das Staatsfernsehen am Samstag unter Hinweis auf die Krisenzentrale in Wuhan berichtete, werden die größeren Bezirke von Sonntag an für Fahrzeuge geschlossen. Ausnahmen gebe es nur für Autos mit besonderen Genehmigungen, für Behördenfahrzeuge und Versorgungstransporte.

Die Versorgung in Wuhan ist nach amtlichen Angaben gesichert. Der Nachschub für die Märkte und die Reserven seien ausreichend und von der Stilllegung des öffentlichen Verkehrs nicht besonders betroffen, so der Gouverneur der Provinz Hubei, Wang Xiaodong, nach Angaben der Staatsmedien. „Die Versorgung der Märkte ist gesichert.“ Die Frachtkanäle blieben offen. Auch würden weiter landwirtschaftliche Produkte aus anderen Provinzen nach Wuhan transportiert, sagte der Gouverneur. Die Stadt habe zudem fünf Millionen Kilogramm Reis, 4.000 Tonnen Speiseöl und mehr als 10.000 Tonnen Schweine- und Rindfleisch auf Lager.

Leere Straßen in Wuhan

Die chinesischen Behörden hatten Wuhan am Donnerstag unter Quarantäne gestellt. Die Flug- und Zugsverbindungen aus der Stadt wurden weitgehend gestoppt. Staatliche chinesische Medien berichteten, dass die Autobahnmautstellen in der Nähe von Wuhan geschlossen würden, wodurch die Straßenausfahrten abgeschnitten seien.

Drei Infizierte in Frankreich

Das Coronavirus hat erstmals Europa erreicht. In Frankreich sind drei Menschen erkrankt, sie waren zuvor in China. Die Furcht vor einer Ausbreitung ist in China groß.

Außerdem gilt in der Öffentlichkeit Schutzmaskenpflicht. Wer in Hotels, Restaurants, Einkaufszentren und Parks keine Maske trage, werde bestraft, berichtete die Tageszeitung „China Daily“. Die Stadt gleicht Beobachtern zufolge zunehmend einer Geisterstadt. „Dieses Jahr haben wir ein sehr unheimliches Neujahr“, sagte ein Taxifahrer der Nachrichtenagentur AFP: „Wegen des Virus gehen die Leute nicht außer Haus.“

Immer mehr Städte abgeschottet

Ähnliche Bilder gibt es unterdessen aus immer mehr anderen Städten: Nach Jingzhou (5,6 Millionen Einwohner), Xiaogan (fünf Millionen Einwohner) und Dangyang (470.000 Einwohner) wurden am Freitag auch in den Metropolen Yichang (vier Millionen Einwohner) und Tianmen (1,7 Millionen) der öffentliche Verkehr und die Züge in andere Orte gestoppt.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verzichtete in einer Krisensitzung darauf, den internationalen Gesundheitsnotstand auszurufen. Bisher gebe es außerhalb Chinas „keine Hinweise“ auf eine Übertragung des Krankheitserregers von Mensch zu Mensch, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus zur Begründung.