Ankunftsbereich des Londoner Großflughafens Heathrow
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Coronavirus

Briten suchen 2.000 Fluggäste aus China

Im Kampf gegen das gefährliche Coronavirus, das in China bereits Dutzende Menschen getötet hat, wollen Gesundheitsexperten in Großbritannien etwa 2.000 Fluggäste aus China aufspüren. Gesucht werden Reisende aus der zentralchinesischen Millionenstadt Wuhan, die in den vergangenen zwei Wochen ins Vereinigte Königreich geflogen sind. Das britische Gesundheitsministerium will „so viele Passagiere wie möglich“ finden.

Mediziner halten es für wahrscheinlich, dass sich Infizierte bereits in Großbritannien aufhalten. Professor Chris Whitty, der die Regierung in Gesundheitsfragen berät, sprach von einem „reellen Risiko“. 14 Verdachtsfälle in Großbritannien hatten sich kürzlich aber nicht bestätigt.

Nach Medienberichten vom Samstag wurden auf dem Londoner Großflughafen Heathrow die Sicherheitsmaßnahmen ausgebaut. Dort wird medizinisches Personal nun in sieben Schichten arbeiten, um Fluggästen zu helfen. Fiebermessen bei allen ankommenden Passagieren ist aber wegen der mehrtägigen Inkubationszeit – also dem Zeitraum zwischen der Infektion und dem Ausbruch der Krankheit – nicht vorgesehen.

Informationsblatt am Londoner Flughafen Heathrow
APTN
Informationen werden auf dem britischen Flughafen Heathrow verteilt

China: Ärzte vermuten Vertuschung

Die Zahl der Toten und Infizierten in China wegen des Coronavirus ist weiter im Steigen. Das chinesische Staatsfernsehen berichtete am Samstag über mittlerweile 41 Todesopfer und mehr als 1.370 Infizierte in der Volksrepublik – rund ein Drittel mehr als noch am Vortag. Doch die wahren Zahlen könnten vertuscht worden sein: Ärzte in Wuhan äußerten den Verdacht, dass sich dort schon wesentlich mehr Menschen angesteckt haben dürften als offiziell angegeben.

Krankenhauspersonal in Wuhan, China
Reuters
Patienten in einem Spital in Wuhan

Auch sei offenkundig weitaus mehr Krankenhauspersonal betroffen als jene 15 Beschäftigten, von denen bisher offiziell die Rede sei. „Es lassen sich infizierte Krankenhausmitarbeiter in fast allen größeren Krankenhäusern in Wuhan finden“, sagte ein Arzt der Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“.

Ein Polizist auf einer menschenleeren Straße in Wuhan
APA/AFP/Hector Retamal
In Wuhan steht das öffentliche Leben vielerorts still

Sondersitzung des Politbüros

Die chinesische Führung setzte auf höchster Parteiebene eine leitende Arbeitsgruppe zum Umgang mit der neuen Lungenkrankheit ein. Der Beschluss fiel am Samstag nach Angaben des Staatsfernsehens auf einer Krisensitzung des Politbüros unter Leitung von Staats- und Parteichef Xi Jinping. Mit dem Vorgehen demonstriert die kommunistische Führung die Bedeutung, die sie dem Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus beimisst.

Wegen des sich rasant ausbreitenden Virus haben die chinesischen Behörden landesweite Maßnahmen für Züge, Flugzeuge und Busse angeordnet. Wie die nationale Gesundheitsbehörde am Samstag mitteilte, werden im gesamten öffentlichen Verkehr Messstationen eingerichtet. Passagiere und Passagierinnen mit Verdacht auf eine Infektion müssten „sofort“ in eine medizinische Einrichtung gebracht werden. Veranstaltugen zum chineschen Neujahrsfest wurden aus Sicherheitsgründen abgesagt.

Eine Grafik zeigt Länder mit Corona-Virus-Erkrankungen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Erste Fälle in Europa

Auch Europa ist bereits betroffen: Drei Patienten befinden sich in Frankreich derzeit unter Quarantäne im Krankenhaus, wie das französische Gesundheitsministerium mitteilte. Ein Fall trat in Bordeaux auf, die anderen beiden Lungenerkrankungen wurden in Paris diagnostiziert. Alle Patienten hätten sich zuvor in China aufgehalten, hieß es. Sie sind Ärzten zufolge aber offenbar nicht schwer erkrankt.

Jeder, der in engem Kontakt mit den drei Infizierten stand, solle überprüft werden. Die Regierung werde alles unternehmen, um eine Ausbreitung des Erregers einzudämmen, sagte Gesundheitsministerin Agnes Buzyn. „Wir müssen eine Epidemie behandeln wie einen Flächenbrand.“ In Bordeaux handelt es sich den Angaben zufolge um einen 48-jährigen Mann, der über Wuhan aus China zurückgekehrt war. In der chinesischen Millionenmetropole waren Anfang des Jahres die ersten Fälle der neuen Lungenkrankheit aufgetreten.

Fälle auch in den USA und Australien

Bestätigte Fälle wurden zuletzt auch aus anderen asiatischen Ländern wie Japan, Thailand, Vietnam, Singapur und Taiwan gemeldet. Aus den US-Großstädten Seattle und Chicago wurde bis Freitag jeweils eine Erkrankung gemeldet. Am Samstag bestätigte dann auch Australien einen Fall der vom neuen Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit: Der Erreger sei bei einem Chinesen nachgewiesen worden, der vergangene Woche aus China nach Melbourne gereist und zuvor in Wuhan gewesen sei, sagte Gesundheitsministerin Jenny Mikakos.

„Hohes Sicherheitsrisiko“

Das Außenministerium sieht in der Provinz Hubei ein „hohes Sicherheitsrisiko“ und rät in den Reisehinweisen von nicht notwendigen Reisen ab.

Frankreichs Gesundheitsministerin Buzyn rief zur Achtsamkeit auf und appellierte an alle aus China zurückkehrenden Reisenden, genau darauf zu achten, ob sie Lungenprobleme oder Fieber bekämen. Im Fall der Fälle sollten sie unter keinen Umständen einen Arzt oder Notdienst aufsuchen, sondern den Notdienst kontaktieren. Dieser würde die Betroffenen zu Hause abholen und direkt ins Krankenhaus bringen.

Ausnahmezustand in China

In China werden aus Angst vor dem Coronavirus ganze Regionen abgeschottet. Mehrere Metropolen wurden abgeriegelt, mehr als 43 Millionen Menschen stehen damit unter Quarantäne.

Peking stoppt Busverkehr mit Provinzen

Aus Angst vor einer Einschleppung des neuartigen Virus stoppt die chinesische Hauptstadt Peking ihren Busverkehr mit den Provinzen. Das kommunistische Parteiorgan „Volkszeitung“ berichtete am Samstag, dass die Unterbrechung der Busverbindungen in die Provinzen oder nahegelegenen Städte von Sonntag an gilt, um die Ausbreitung der Lungenkrankheit einzudämmen. In der Hauptstadt gibt es rund 30 bestätigte Fälle. Nicht alle könnten aber auch auf Besuche in der schwer betroffenen Provinz Hubei in Zentralchina zurückgeführt werden, berichtete die Zeitung „Global Times“.

Hongkong rief wegen der Ausbreitung des Coronavirus den Notstand und damit die höchste Warnstufe der Stadt aus. „Bisher haben wir keine schweren und weitverbreiteten Infektionen. Aber wir nehmen das ernst und hoffen, der Epidemie einen Schritt voraus zu sein“, sagte Regierungschefin Carrie Lam am Samstag.

Drastische Maßnahmen

Um die Ausbreitung des Virus zu bremsen, hat China den 43 Millionen Bewohnern von zwölf Städten in der schwer betroffenen Provinz Hubei drastische Restriktionen auferlegt. Nah- und Fernverkehr wurden gestoppt, Ausfallstraßen gesperrt, zudem sollen in der Öffentlichkeit Schutzmasken getragen werden. In Wuhan gibt es besonders viele Infektionen, weil das Virus dort – vermutlich auf einem Markt – von einer Wildtierart auf den Menschen übersprang.

Gesundheitskontrolle an U-Bahn-Station
Reuters
Auch in Peking wird bei Menschen die Temperatur gemessen

Wie chinesische Medien berichteten, erreichten am Samstag mehr als 400 Ärzte des Militärs per Flugzeug die Stadt, um im Kampf gegen das Virus zu helfen. Auch zusätzliches medizinisches Personal aus Schanghai und anderen Städten kam in der Metropole an. Wie das Staatsfernsehen berichtete, gehörte zu den jüngsten Opfern der Lungenkrankheit auch ein 62-jähriger Arzt, der sich während der Arbeit in einem Wuhaner Krankenhaus infiziert hatte.

Bagger auf der Baustelle
Reuters
Hier soll in wenigen Tagen ein neues Krankenhaus stehen

Zweite Sonderklinik soll in Wuhan errichtet werden

Chinesische Staatsmedien berichteten, in der elf Millionen Einwohner zählenden Provinzhauptstadt Wuhan werde ein neues Krankenhaus mit 1.000 Betten errichtet – in nur sechs Tagen. Der Gebäudekomplex wird demnach aus vorproduzierten Bauteilen zusammengesetzt. Das Krankenhaus soll Anfang Februar die ersten Patienten aufnehmen.

Furcht in der Bevölkerung

Die Stadt Wuhan ist so gut wie von der Außenwelt abgeriegelt. Andrang herrscht in den Spitälern der Stadt. Die Furcht der Bevölkerung, infiziert zu sein, ist groß. (Videoquelle: EBU/AFP)

In Wuhan wird eine auch zweite Sonderklinik für Patienten mit dem Coronavirus gebaut. Wie die staatliche Zeitung „People’s Daily“ meldet, soll das Krankenhaus mit 1.300 Betten innerhalb eines halben Monats fertiggestellt sein.

Versorgung für Wuhan „gesichert“

In Wuhan wird jetzt auch der Autoverkehr weitgehend gestoppt. Wie das Staatsfernsehen am Samstag unter Hinweis auf die Krisenzentrale in Wuhan berichtete, werden die größeren Bezirke von Sonntag an für Fahrzeuge geschlossen. Ausnahmen gebe es nur für Autos mit besonderen Genehmigungen, für Behördenfahrzeuge und Versorgungstransporte.

Die Versorgung in Wuhan ist nach amtlichen Angaben gesichert. Der Nachschub für die Märkte und die Reserven seien ausreichend und von der Stilllegung des öffentlichen Verkehrs nicht besonders betroffen, so der Gouverneur der Provinz Hubei, Wang Xiaodong, nach Angaben der Staatsmedien. „Die Versorgung der Märkte ist gesichert.“ Die Frachtkanäle blieben offen. Auch würden weiter landwirtschaftliche Produkte aus anderen Provinzen nach Wuhan transportiert, sagte der Gouverneur. Die Stadt habe zudem fünf Millionen Kilogramm Reis, 4.000 Tonnen Speiseöl und mehr als 10.000 Tonnen Schweine- und Rindfleisch auf Lager.

Leere Straßen in Wuhan

Die chinesischen Behörden hatten Wuhan am Donnerstag unter Quarantäne gestellt. Die Flug- und Zugsverbindungen aus der Stadt wurden weitgehend gestoppt. Staatliche chinesische Medien berichteten, dass die Autobahnmautstellen in der Nähe von Wuhan geschlossen würden, wodurch die Straßenausfahrten abgeschnitten seien.

Drei Infizierte in Frankreich

Das Coronavirus hat erstmals Europa erreicht. In Frankreich sind drei Menschen erkrankt, sie waren zuvor in China. Die Furcht vor einer Ausbreitung ist in China groß.

Außerdem gilt in der Öffentlichkeit Schutzmaskenpflicht. Wer in Hotels, Restaurants, Einkaufszentren und Parks keine Maske trage, werde bestraft, berichtete die Tageszeitung „China Daily“. Die Stadt gleicht Beobachtern zufolge zunehmend einer Geisterstadt.