Proben im Labor
APA/dpa/Christophe Gateau
Verdachtsfall in Wien

56 Tote durch Coronavirus in China

In Wien gibt es den ersten Verdachtsfall auf eine Infektion mit dem Coronavirus. Es handelt sich um eine chinesische Flugbegleiterin, die vor einigen Tagen in Wuhan gewesen sein dürfte. In anderen europäischen Ländern gibt es bereits bestätigte Krankheitsfälle. Unterdessen ist in China die Zahl der Toten auf 56 gestiegen.

Es kann noch eine Weile dauern, bis klar ist, ob die Flugbegleiterin in Wien tatsächlich erkrankt ist. Die entsprechenden Untersuchungen am Institut für Virologie der MedUni Wien können bis zu 48 Stunden dauern. Die Flugbegleiterin befindet sich derzeit auf der Isolierstation des Kaiser-Franz-Josef-Krankenhauses (KFJ).

Ein Influenzatest ist laut Angaben des Spitals negativ verlaufen. Der Frau „geht es heute subjektiv und objektiv gut“, sagte Oberärztin Christiane Hagenauer bei einer Pressekonferenz – mehr dazu in wien.ORF.at. Die Station hat als auf die Diagnose und Behandlung von Infektionen spezialisierte Einrichtung jahrzehntelange Erfahrung und weist höchsten technischen Standard auf – mehr dazu in wien.ORF.at.

Gelände des Kaiser Franz Josef-Krankenhauses
ORF.at/Dominique Hammer
Die Frau wird im KFJ in Favoriten behandelt

Innenministerium beruft Einsatzstab ein

Das Innenministerium beruft überdies am Montag einen Einsatzstab ein, um über die weitere Vorgehensweise zu beraten. Bei der Lagebesprechung werden unter anderem Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) anwesend sein, teilte das Innenministerium der APA am Sonntag mit.

„Derzeit gibt es keinen Grund zur Sorge in Österreich. Gleichzeitig ist es unsere Pflicht, im Hintergrund alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um die Österreicherinnen und Österreicher zu schützen“, sagte Nehammer. Seit Samstag analysieren Experten des Gesundheits-, Außen- und Innenministerium gemeinsam laufend die Entwicklungen. Das Innenministerium ist für das Krisen- und Katastrophenmanagement sowie die Koordination für Fragen der zivilen Sicherheit zuständig.

Auf dem Flughafen Wien-Schwechat herrschte indes „erhöhte Aufmerksamkeit“. „Wir sind zudem in ständigem Kontakt mit den Behörden“, sagte Flughafen-Sprecher Peter Kleemann am Sonntag der APA. Der Flughafen verfüge über eine medizinische Station, die rund um die Uhr geöffnet ist. Kleemann verwies zudem auf entsprechende Einsatzpläne, die sich etwa bei einem Fall einer SARS-Erkrankung im Jahr 2014 bewährt hätten. „Diese können sehr schnell in Kraft treten“, sagte Kleemann. Von Wien-Schwechat gibt es keine Direktflüge in die betroffenen Gebiete in China.

Anschober erlässt Anzeigenpflicht

Gesundheitsminister Anschober erließ bereits am Samstag gemäß Österreichischem Epidemiegesetz eine Verordnung, wonach das Coronavirus einer Anzeigepflicht unterworfen wird. Anzeigepflichtig sind Verdachts-, Erkrankungs- und Todesfälle. „Das ist kein Grund zur Panik, aber für verstärkte Vorsorge, Information und Aufmerksamkeit“, so der Minister. Es gehe darum, „umsichtige Vorbereitungsmaßnahmen“ zu setzen. Man sei mit den internationalen Gremien, etwa der Weltgesundheitsorganisation (WHO), in permanenter Abstimmung.

Die rund 3.000 Österreicherinnen und Österreicher, die sich aktuell in China aufhalten, wurden von der österreichischen Botschaft in Peking per SMS und E-Mail über das Coronavirus und entsprechende Schutzmaßnahmen informiert, sagte ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg am Samstag. Bisher seien keine Erkrankungen bekannt. Von nicht notwendigen Reisen in die besonders betroffene Provinz Hubei rät das Ministerium ab.

Erste Krankheitsfälle in Frankreich

In Frankreich wurden drei Krankheitsfälle bestätigt. Ein Paar, das in einem Pariser Krankenhaus behandelt wird, war am 18. Jänner von einem Aufenthalt in Wuhan zurückgekommen, ein 48-jähriger Franzose chinesischer Herkunft, der im Weingeschäft tätig ist und regelmäßig zwischen Frankreich und China reist, wird in Bordeaux behandelt. Die drei Personen sind offenbar nicht schwer erkrankt.

Eine Grafik zeigt Länder mit Corona-Virus-Erkrankungen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Auch aus Kanada wurde der erste Fall einer Ansteckung mit dem Coronavirus gemeldet. Die Gesundheitsbehörde von Toronto teilte mit, es handle sich um einen Mann, der kürzlich aus Wuhan zurückgekommen sei. Sein Zustand sei stabil. Auch in den USA, Thailand, Südkorea, Japan und Australien wurden bereits Erkrankungen mit dem neuen Virus registriert. Die USA kündigten an, Mitarbeiter des US-Konsulats in Wuhan auszufliegen. Auch Russland und Frankreich wollen ihre Staatsbürger aus China ausfliegen.

Weitere Todesfälle in China

In China ist die Zahl der Todesfälle indes weiter angestiegen. Laut chinesischen Behörden starben bisher mindestens 56 Menschen an der Atemwegserkrankung. Auch in der Finanzmetropole Schanghai hat es einen ersten Todesfall gegeben. Bei dem Toten soll es sich um einen 88-jährigen Mann handeln, der bereits unter bestehenden Gesundheitsproblemen litt, erklärten die Behörden der Stadt am Sonntag. Die Zahl der Infizierten in der gesamten Volksrepublik wird mit rund 2.000 angegeben.

Der chinesische Gesundheitsminister Ma Xiaowei erklärte am Sonntag, dass die Übertragungsfähigkeit des Coronavirus nach dem Ausbruch stärker werde und die Zahl der Infektionen weiter steigen könnte. Die Behörden wüssten nur wenig über das neue Virus und seien sich nicht sicher, welche Risiken durch Mutationen des Virus entstehen, sagte er bei einer Pressekonferenz. Klar sei allerdings, dass der Erreger auch während der Inkubationszeit übertragen werden könne. Diese Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit bei einer Person liege zwischen einem und 14 Tagen.

Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping berief am Samstag in Peking ein Krisentreffen ein. Alle Ebenen von Partei und Regierung müssten dem Kampf gegen das Coronavirus höchste Priorität einräumen, sagte er laut der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Die Partei habe eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um das Vorgehen zu lenken. Teams würden in die Provinz Hubei entsandt, um die Arbeit an Ort und Stelle zu steuern.

Verkehr in Wuhan stark eingeschränkt

Die Provinzhauptstadt von Hubei, die Millionenmetropole Wuhan, ist besonders stark vom Coronavirus betroffen: Dort war der Erreger vor wenigen Wochen vermutlich auf einem Tiermarkt auf Menschen übergesprungen. In der Metropole mit elf Millionen Einwohnern werden bereits zwei Sonderkliniken für Patienten, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben, gebaut. Die nationalen Gesundheitsbehörden schickten mehr als 1.200 Ärzte und anderes medizinisches Personal zur Verstärkung nach Wuhan.

Die Krankenhäuser der Stadt sind offenbar völlig überfordert. Nach von offiziellen Stellen unbestätigten Berichten werden Patienten zurückgewiesen, weil es nicht genug Personal und Betten gibt. Das Leben in der Stadt ist größtenteils zum Erliegen gekommen. Der öffentliche Nah- und Fernverkehr, Zug- und Flugverbindungen wurden gestoppt, Ausfallstraßen gesperrt. Von Sonntag an wird auch der gewöhnliche Autoverkehr in den großen Stadtbezirken Wuhans gestoppt. Zudem kündigten Universitäten der Stadt an, den Beginn des neuen Semesters zu verschieben.

40 Mio. Menschen in China abgeschottet

Inzwischen wurden mehr als 40 Millionen Menschen in gut einem Dutzend Städten im Herzen Chinas weitgehend von der Außenwelt abgeschottet, um eine weitere Verbreitung des Virus zu verhindern. Im gesamten öffentlichen Verkehr würden Fiebermessstationen eingerichtet, gab die nationale Gesundheitsbehörde am Samstag bekannt. Passagiere mit Verdacht auf eine Infektion müssten „sofort“ in eine medizinische Einrichtung gebracht werden.

Passagier mit Atemnschutz am Flughafen in Toronto
AP/The Canadian Press/The Canadian Press
40 Millionen Menschen sind in China aufgrund von Quarantänemaßnahmen derzeit von der Außenwelt abgeschottet

Bewohner der südchinesischen Provinz Guangdong müssen an öffentlichen Orten nun eine Gesichtsmaske tragen. Die Pflicht zum Mundschutz gilt unter anderem in Einkaufszentren, Hotels, Restaurants, Vergnügungsstätten, Parks, religiösen Stätten, Museen und Wartehallen, ordneten die Gesundheitsbehörden Guangdongs am Sonntag an. In Peking bleiben Universitäten, Schulen und Kindergärten auch über das Ende der derzeitigen Neujahrsferien hinaus ebenfalls geschlossen.

Hongkong verhängte „Virusnotstand“

Die südchinesische Stadt Haikou verfügte, dass alle Reisenden aus der Provinz Hubei rund um Wuhan 14 Tage lang in einem Hotel isoliert und medizinisch untersucht werden sollen. Hongkong verhängte einen „Virusnotstand“ für die Finanzmetropole, strich sämtliche Flug- und Schnellzugverbindungen von und nach Wuhan und kündigte die Schließung der beiden populären Vergnügungsparks Disneyland und Ocean Park an. Disneyland Schanghai, wo man rund um das chinesische Neujahr täglich rund 100.000 Besucher erwartet hatte, war bereits zuvor geschlossen worden.

Hongkonger U-Bahn
ORF/Josef Dollinger
Auch in Hongkongs U-Bahn sind die Einschränkungen deutlich spürbar

China verbot zudem den Handel mit Wildtieren, nachdem vermutet wird, dass das Virus von wilden Tieren auf den Menschen übertragen wurde. Alle Zuchtfarmen stehen unter Quarantäne. Auch der Transport von Wildtieren ist verboten.

Verschoben wurden die nationalen Winterspiele, eine wichtige Vorbereitung für die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking. Die Wettkämpfe sollten eigentlich vom 16. bis 26. Februar in der Inneren Mongolei stattfinden. Ebenfalls verschoben wird der Fußball-Supercup zwischen dem Meister Guangzhou Evergrande und Cupsieger Shanghai Greenland Shenhua, der eigentlich für den 5. Februar in Suzhou terminisiert war. Ein neuer Termin steht noch nicht fest.

Vorwürfe der Vertuschung

Zuvor waren Vertuschungsvorwürfe gegen die Kommunistische Partei aufgetaucht. Ärzte in Wuhan äußerten den Verdacht, dass sich dort schon wesentlich mehr Menschen angesteckt haben dürften als zuletzt offiziell angegeben. Auch sei offenkundig weitaus mehr Krankenhauspersonal betroffen, als bisher offiziell zugegeben. „Es lassen sich infizierte Krankenhausmitarbeiter in fast allen größeren Krankenhäusern in Wuhan finden“, sagte ein Arzt der Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“.