Hans Peter Doskozil und Pamela Rendi-Wagner
APA/Robert Jäger
Nach Wahlsieg

Doskozil und der SPÖ-Kurs

Scharfe Kante in der Migrationspolitik, linker Kurs bei Sozial- und Gesundheitsfragen: So wird die burgenländische SPÖ unter Hans Peter Doskozil beschrieben. Die Ausrichtung gilt nach dem Sieg bei der Landtagswahl als Erfolgsrezept. Das „dänische Modell“ sei auch eine Option für die angeschlagene Bundespartei, heißt es. Fachleute zweifeln daran.

Für die SPÖ war der Sonntag quasi ein Befreiungsschlag. Nachdem die Sozialdemokraten im vergangenen Jahr bei fast allen Wahlen ein Minus verzeichnen mussten – nur bei der Landtagswahl im Vorarlberg gab es ein Plus von 0,7 Prozent –, durfte im Burgenland gejubelt werden. Die Landespartei eroberte unter Landeshauptmann Doskozil mit knapp 50 Prozent die absolute Mehrheit im Landtag. Für den Landesparteichef ist der Sieg ein „erster Schritt, die SPÖ aufzurütteln“, wie er sagte.

Seit Jahren ringt die SPÖ mit der eigenen Ausrichtung. Seit dem Jahr 2015, als die Grenze zu Ungarn für Flüchtlinge geöffnet wurde, wird intern und extern darüber debattiert, ob die Sozialdemokratie ihre Migrationspolitik nachschärfen soll. Als Landespolizeichef war Doskozil 2015 freilich noch wortkarg, was Inhalte der SPÖ anbelangt. Später als Verteidigungsminister kritisierte er aber die „Wir schaffen das“-Politik der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Ein Jahr 2015 darf sich nicht wiederholen“, sagte er als Verteidigungsminister 2016.

Härtere Migrationspolitik „unglaubwürdig“

„Doskozil hat schnell gewusst, wie er dieses Thema besetzen kann“, so Politikberater Thomas Hofer im Gespräch mit ORF.at. Aber die SPÖ sei hier zu spät konkreter geworden, um nun das „Doskozil-Modell“ auch bundespolitisch zu übernehmen. „Zuerst war es ja die FPÖ, die aktiv das Thema aufgegriffen hat und Grenzen und Abschiebungen forderte. Erst als Sebastian Kurz die ÖVP 2017 übernahm, setzte sich die ÖVP auf die rigorose Flüchtlingspolitik“, sagt der Experte.

„Dänisches Modell“:

Als „dänisches Modell“ wird die Ausrichtung der dänischen Sozialdemokraten bezeichnet. Unter der Vorsitzenden Mette Frederiksen verschärfte die Partei die Ausländerpolitik und setzt sich für den Ausbau des Wohlfahrtstaats ein.

Ganz anders als die SPÖ habe Doskozil sowohl als Verteidigungsminister als auch als Landespolitiker immer deutlich gezeigt, dass er vom Kurs, den er eingeschlagen hat, nicht abweicht. Die deutliche Positionierung habe sich zumindest mal für die Landes-SPÖ bewährt, sagte Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle zu ORF.at. „Doskozil setzt zwar auch auf die populistische Karte, indem er die ‚Politik mit Hausverstand‘ verspricht, aber er ist in der Sache glaubwürdig.“

Dass die Bundes-SPÖ nach dem burgenländischen Wahlsieg allen voran in der Migrationspolitik einen härteren Kurs fährt, glauben Hofer und Stainer-Hämmerle nicht. Zum einen wäre ein migrationskritischer Kurs unter SPÖ-Bundeschefin Pamela Rendi-Wagner wenig „glaubwürdig“, zum anderen sei dieser Markt in Österreich mit ÖVP und FPÖ schon längst gesättigt. In der Vergangenheit sei aber die SPÖ nicht nur daran gescheitert, dass es thematisch Konkurrenz gibt, so Stainer-Hämmerle. Vielmehr habe die SPÖ selbst nicht gewusst, wofür sie steht.

Links der Mitte noch Platz

Aber die Migrationsfrage spielte im burgenländischen Wahlkampf eine marginale Rolle. Laut der Wahlanalyse des Forschungsinstituts SORA landete „Zuwanderung und Integration“ bei den abgefragten Inhalten im Mittelfeld. Häufiger wurden etwa „Chancen der Jugend“, „Umwelt- und Klimaschutz“, „Pflege“ und „Gesundheit“ genannt. Zwar gaben 37 Prozent der SPÖ-Wähler und -Wählerinnen an, die Partei wegen Doskozil gewählt zu haben, an zweiter Stelle folgten mit zwölf Prozent aber die inhaltlichen Standpunkte der Partei.

Michael Ludwig und Pamela Rendi-Wagner
APA/Robert Jäger
Der Jubel in der SPÖ kannte am Sonntag keine Grenzen. Einen Richtungswechsel für die Bundespartei sehen Experten nicht.

Hier punktete die SPÖ Burgenland mit Themen wie Gesundheit, Pflege und Mindestlohn. Auch SPÖ-Chefin Rendi-Wagner betonte nach der Wahl, dass die „Kernthemen“ der Sozialdemokratie wichtig gewesen seien. Politikberater Hofer geht davon aus, dass die Bundespartei, aber auch die Wiener SPÖ, versuchen wird, den „linkspopulistischen Kurs“ von Doskozil aufzunehmen. Hier gebe es nach wie vor genügend Raum für eine Partei, so Hofer.

Stainer-Hämmerle dämpft allerdings den „linken Spielraum“ ein. Denn Doskozil habe sich als Landeshauptmann in einer Position befunden, in der er nicht nur ankündigen kann, sondern auch umsetzen. „Er hat im Wahlkampf nicht nur gezeigt, welche Themen ihm wichtig sind“, sagte die Expertin. Als Landeshauptmann – in einer SPÖ-FPÖ-Koalition – konnte er Dinge in Gang bringen, die in der Oppositionsrolle, in der sich die Bundes-SPÖ befindet, kaum möglich sind. Trotzdem rät die Politologin der Partei dazu, proaktiv selbst Themen zu setzen.

FPÖ-Wähler zur SPÖ im Burgenland

Dass die SPÖ im Burgenland die absolute Mandatsmehrheit holte, verdankt sie nicht zuletzt jenen Wählern und Wählerinnen, die bei der Landtagswahl 2015 noch die FPÖ wählten. Insgesamt hat die SPÖ laut SORA-Wählerstromanalyse 10.000 Stimmen von der FPÖ ergattert, das sind 37 Prozent der FPÖ-Gesamtstimmen von 2015. Auch im Teich der Liste Burgenland konnte die SPÖ fischen und ehemalige Nichtwählende von sich überzeugen – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Ergebnis der Landtagswahl im Burgenland

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) hat bei der Landtagswahl am Sonntag mit 19 Mandaten knapp die absolute Mehrheit eingefahren.

Dass ein ähnlicher FPÖ-Rückfluss an die SPÖ auch im Bund möglich ist, gilt als ausgeschlossen. Allen voran, weil die ÖVP in den vergangenen zweieinhalb Jahren der FPÖ rund 500.000 Wähler und Wählerinnen streitig gemacht hat. Den Freiheitlichen blieb nach der letzten Nationalratswahl 2019 die „akzentuiert rechte Wählerschaft“, sagte Politikwissenschaftler Fritz Plasser unlängst zu ORF.at.

„Wenn man inhaltliche Positionen ändern will, dann geschieht das meist, wenn auch die Führungsspitze gewechselt wird“, so Hofer. Dann werde das auch eher von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Jedoch schließt er derzeit aus, dass es eine Führungsdebatte in der SPÖ gibt. „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, erwiderte Stainer-Hämmerle. Um etwaige Debatten zu verhindern, müsse auch die Bundes-SPÖ wieder „zufriedenstellende Ergebnisse“ liefern.