Gabriel Leung
AP/Achmad Ibrahim
Infizierte in China

Experten kritisieren offizielle CoV-Zahlen

Experten der Universität Hongkong haben am Montag die offiziellen chinesischen Angaben über die Zahl der mit dem neuen Coronavirus (CoV) Infizierten in Zweifel gezogen. Laut dem Dekan der medizinischen Fakultät, Gabriel Leung, ist die Zahl der bereits Infizierten weitaus höher als die angegebenen rund 2.800 Fälle, wie er am Montag bei einer Pressekonferenz sagte.

Insgesamt seien mit Stichtag Samstag schon rund 44.000 Menschen allein in Wuhan mit dem neuen Virus infiziert, so Leung mit Verweis auf ein mathematisches Modell der Ausbreitung. Die Millionenmetropole Wuhan, die Haupstadt der zentralchinesischen Provinz Hubei, ist besonders stark vom Coronavirus betroffen.

Dort war der Erreger vor wenigen Wochen vermutlich auf einem Tiermarkt auf Menschen übergesprungen. In der Metropole mit elf Millionen Einwohnern werden bereits zwei Sonderkliniken für Patienten, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben, gebaut.

Gabriel Leung
AP/Achmad Ibrahim
Der Dekan der medizinischen Fakultät der Universität Hongkong, Gabriel Leung, bei seiner Pressekonferenz

Verdoppelung „alle sechs Tage“

Von den von Leung und seinem Team geschätzten 44.000 Infizierten würde bei 25.000 mit hoher Wahrscheinlichkeit die Krankheit auch ausbrechen, so Leung weiter. Der Mediziner geht davon aus, dass sich die Zahl der Infizierten alle sechs Tage verdopple, wie das Hongkonger Nachrichtenportal rthk weiter berichtete.

Fast 2.800 Infizierte weltweit

Weltweit waren bis Montagmittag offiziell fast 2.800 Infektionen mit dem neuen Virus 2019-nCoV bestätigt, bis auf etwa 50 alle in China. Die Zahl der Toten stieg in China auf 82.

Neben Wuhan werden hauptsächlich die Städte Chongqing, Peking, Schanghai, Guangzhou und Shenzhen betroffen sein, so Leungs Prognose, Chongqing vor allem wegen der starken Verkehrsanbindung an Wuhan. Die Spitze der Infektionen sollte im April oder Mai erreicht werden. Im Juni oder Juli sollte dann die Rate der Neuinfektionen allmählich graduell zurückgehen, so Leung. Er forderte die Städte auf, unverzüglich „substanzielle und drakonische“ Maßnahmen zu ergreifen, um die Mobilität der Bevölkerung einzuschränken. Nach einer anderen Prognose werden bis 4. Februar rund 200.000 Menschen in Wuhan infiziert sein – mehr dazu in science.ORF.at.

In Chinas Hauptstadt Peking hat es am Montag einen ersten Toten durch das neue Coronavirus gegeben. Wie der staatliche Fernsehsender CCTV mitteilte, starb ein 50-jähriger Mann, der sich am 22. Jänner in Wuhan mit dem Virus infiziert haben soll.

Tausende sollen von Wuhan ins Ausland geflüchtet sein

Fünf der elf Millionen Einwohner von Wuhan haben laut Bürgermeister Zhou Xianwang zum Neujahr die Stadt verlassen. Die meisten befinden sich noch in der Region. Tausende sollen allerdings noch vor der Sperre nach Hongkong, Bangkok, Singapur und Tokyo geflohen sein, wie die „South China Morning Post“ am Montag berichtete.

Infoline zu Coronavirus

Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) hat eine kostenlose Infoline in der Zeit von 9.00 bis 17.00 Uhr (Montag bis Freitag) für Fragen von Bürgerinnen und Bürgern unter der Telefonnummer 0800-555621 eingerichtet.

Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) traf unterdessen in Peking ein, um sich persönlich über die neuesten Erkenntnisse zum Coronavirus zu informieren. Die Ankunft bestätigte das WHO-Büro in Peking. Tedros Adhanom Ghebreyesus werde Regierungsvertreter und andere Experten treffen, die mit dem Krisenmanagement befasst sind.

Tedros hatte vergangene Woche auf Anraten eines unabhängigen Notfallausschusses keine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ erklärt. Die Experten verwiesen unter anderem auf die geringe Zahl von Fällen im Ausland. Der Ausschuss kann aber jederzeit neu einberufen werden. Die Erklärung einer Notlage würde eine neue Dringlichkeit erzeugen, sich weltweit auf eine Ausbreitung vorzubereiten. Die WHO würde dann weitere Empfehlungen aussprechen.

WHO korrigiert Gefährdungsniveau

Trotz Quarantänemaßnahmen der chinesischen Sicherheitsbehörden breitet sich das Virus in China aus. Das Potenzial des Virus werde „stärker“, sagte das Gesundheitsministerium in Peking am Sonntag. Zwar ist das Coronavirus laut chinesischen Experten weniger gefährlich als der SARS-Erreger. Allerdings sei das Virus schon während der bis zu zwei Wochen langen Inkubationszeit ansteckend. Die Wahrscheinlichkeit, sich in dieser Zeit anzustecken, ist laut Experten allerdings als gering einzuschätzen. Die mögliche Ansteckung in der Inkubationszeit erschwere allerdings den Kampf gegen die Krankheit.

Sicherheitskräfte mit Schutzanzügen in einer U-Bahn-Station in Peking
APA/AFP/Noel Celis
China erweiterte am Sonntag die Reisebeschränkungen, um ein Ausbreiten des Virus einzudämmen

Die WHO korrigierte indes ihre eigenen Angaben zum internationalen Gefährdungsniveau durch das Coronavirus nach oben. Die Gefährdung sei weltweit „hoch“, in China „sehr hoch“. Zuvor hatte es geheißen, das Risiko sei „moderat auf weltweitem Niveau“. Das sei ein Formulierungsfehler gewesen, hieß es am Montag vonseiten der Organisation. Die Korrektur bedeute aber nicht, dass ein internationaler Gesundheitsnotstand ausgerufen werde.

Nach Wuhan steht inzwischen praktisch die gesamte Provinz Hubei unter Quarantäne, betroffen sind rund 56 Millionen Menschen. Vier Großstädte, darunter Peking und Schanghai, sowie die östliche Provinz Schandong setzten den Verkehr von Überlandbussen aus. Fälle wurden neben China auch in Hongkong, Macao, Taiwan, Thailand, den USA, Australien, Kanada, Frankreich, Japan, Malaysia, Nepal, Singapur, Südkorea und Vietnam gemeldet. Todesfälle wurden nur innerhalb Chinas bekannt.

Karte von Italien
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Derzeit drei Verdachtsfälle in Österreich

In Wien gab es im zweiten Coronavirus-Verdachtsfall Entwarnung. Eine chinesische Staatsbürgerin, die Sonntagabend im Spital aufgenommen wurde, ist negativ auf das neue Coronavirus getestet worden. Allerdings gibt es bereits zwei neue Verdachtsfälle. Zwei österreichische Staatsbürger werden nach China-Reisen seit Montagvormittag im Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien behandelt. Auch in Klagenfurt wurde am Montag ein Verdachtsfall gemeldet – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Bei den beiden neuen Verdachtsfällen in Wien handelt es sich um eine Frau und einen Mann. Die beiden österreichischen Staatsbürger begaben sich Montagvormittag unabhängig voneinander und selbstständig in Wiener Spitäler – einmal ins AKH und einmal ins Kaiser-Franz-Josef-Spital. Der Patient vom AKH wurde dann in die 4. Medizinische Abteilung im Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital überstellt, wo auch die Frau ist.

Entwarnung bei China-Urlauberin

Der Mann und die Frau hätten nach China-Reisen beide die entsprechende Symptomatik mit Fieber und Husten, hieß es aus dem Wiener Krankenstaltenverbund (KAV). Ob sie bei ihren China-Reisen in der hauptbetroffenen Provinz Hubei waren, muss erst geklärt werden. Sie werden beide auf der Isolierstation behandelt. Die auf Diagnose und Behandlung spezialisierte Abteilung im Kaiser-Franz-Josef-Spital hat jahrzehntelange Erfahrung und weist höchsten technischen Standard auf.

Entwarnung gibt es indes bei einer anderen Patientin. Die Frau war der zweite negativ getestete Verdachtsfall. Sie lebt in Österreich, war aber im Krisengebiet in China auf Urlaub. Die Patientin wurde auf eine isolierte Station gebracht, Montagvormittag lag das Testergebnis vor. Es war ebenso wie beim ersten Verdachtsfall, einer chinesischen Stewardess, negativ.

Rund 3.000 Österreicher in China

In der Provinz Hubei befinden sich derzeit zwei Österreicher. Die beiden Männer wollen zurück nach Österreich. „Die Reisenden werden bei ihrem Ausreisewunsch von der österreichischen Botschaft unterstützt“, sagte Außenministeriumssprecher Peter Guschelbauer am Montag auf APA-Anfrage.

Die beiden haben laut dem Sprecher „einmal einen beruflichen und einmal einen privaten Background“ für ihre Reise nach China und hielten sich temporär in der Provinz Hubei auf. Die beiden weisen laut Guschelbauer keinerlei Krankheitssymptome auf.

Insgesamt halten sich derzeit rund 3.000 Österreicher in China auf. Davon sind rund 2.300 Auslandsösterreicher und etwa 700 Touristen. Das Außenministerium rät von nicht notwendigen Reisen in die zentralchinesische Provinz Hubei ab. Für Hubei gilt ein hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe drei).

Auch Deutschland erwägt Rückholung

Unterdessen wurde am Montag bekannt, dass die deutsche Bundesregierung erwägt, ausreisewillige Deutsche aus China auszufliegen. Eine mögliche Rückholung der rund 90 in Hubei befindlichen Personen werde in Betracht gezogen, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Montag in Berlin. Andere Länder wie Frankreich und die USA haben solche Rückholaktionen bereits in die Wege geleitet. „Wir arbeiten sehr eng mit den europäischen Partnern zusammen“, sagte Guschelbauer in Bezug auf die Heimreise der beiden Österreicher.