Eine Frau schaut auf ein Fieberthermometer
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Experten

Grippe ansteckender als Coronavirus

Täglich werden aus China neue Erkrankungen mit dem neuen Coronavirus (2019-nCoV) genannt. Über 100 Menschen starben dort laut offiziellen Angaben von Dienstag bisher an der Infektion. Auch in anderen Staaten von Frankreich bis in die USA wurden Infektionsfälle gemeldet. Für Experten ist das allerdings kein Grund zur Panik. Gefährlicher sei die bekannte Influenza.

Bisher gibt es keine Hinweise auf Übertragungen des Virus von Mensch zu Mensch in Europa. Die Wahrscheinlichkeit, sich direkt etwa in Österreich mit dem Virus anzustecken, ist laut Experten gering. Infektionen aus Ländern außerhalb Chinas standen immer in Zusammenhang mit Personen, die aus Wuhan, dem Epidemiezentrum in China, eingereist waren. Auch die in Wien untersuchten Verdachtsfälle hatten Kontakt zu den betroffenen chinesischen Gebieten.

Zudem sei die Situation in China nicht mit jener in Europa vergleichbar, sagte etwa Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin der Infektiologie an der MedUni Wien: „In China kommen Menschenmassen zusammen, und der Lebensstil ist anders.“ Woher das aktuelle Coronavirus stammt, ist noch unklar. Derzeit gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die Übertragung von Fledermäusen auf Schlangen und dann auf den Menschen erfolgte.

Verwandt mit SARS-Virus

Coronaviren sind nichts Neues. Auch das SARS- (Severe Acute Respiratory Syndrome) und das seit 2012 bekannte MERS-Virus (Middle East Respiratory Syndrome) zählen zu den Coronaviren. Die aktuelle Ausprägung des Virus (2019-nCoV) stimmt genetisch zu 80 Prozent mit dem SARS-Virus überein. Dieses forderte bei über 8.000 Fällen weltweit in den Jahren 2002 und 2003 800 Menschenleben.

Telefonhotline zu Coronavirus

Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) hat unter 0800-555621 eine Gratistelefonhotline montags bis freitags von 9.00 bis 17.00 Uhr für Fragen von Bürgerinnen und Bürgern eingerichtet.

Im Vergleich dazu forderte die Influenza in der Grippesaison 2018/19 vor allem bei besonders geschwächten Menschen rund 1.400 Menschenleben in Österreich. Wie bei der Grippe sind beim neuen Coronavirus besonders ältere Menschen und Patienten mit Vorerkrankungen einem höheren Risiko ausgesetzt, dass die Infektion einen tödlichen Verlauf nimmt.

Ansteckungsgefahr steigt mit Schwere der Erkrankung

Laut der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) geht man derzeit von einer Sterblichkeit von bis zu drei Prozent aus. Bei SARS sei diese Rate bei zehn Prozent gelegen, bei MERS bei 35 Prozent, sagte Stefan Abele vom Institut für Virologie an der MedUni Wien gegenüber ORF.at. Die Sterblichkeitsrate bei Grippe ist mit weit unter einem Prozent wesentlich geringer als bei dem aktuellen Coronavirus. Doch sei die Übertragung von Grippeviren wesentlich einfacher möglich, so der Virologe.

Karte von Italien
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

„Grippeviren setzen sich im Nasen- und Rachenraum fest“, erklärte Abele. Entsprechend schnell stecke man sich über eine Tröpfcheninfektion an. Die Infektion mit dem neuartigen Coronavirus sitze aber tiefer in den Atemwegen, in den unteren Lungenabschnitten. „Da muss eine starke Erkrankung vorliegen, um die Krankheit wirklich übertragen zu können. Je schwerer der Patient erkrankt ist, desto infektiöser ist dieser auch“, sagte der Virologe.

15 Minuten Direktkontakt

Am Wochenende hieß es vonseiten chinesischer Experten, dass im Gegensatz zum SARS-Virus beim neuen Virus auch eine Ansteckungsgefahr während der ein- bis 14-tägigen Inkubationszeit stattfinden könne. Abele hält diese Übertragung für möglich, etwa bei asymptomatischen Patienten, die keine Krankheitszeichen zeigen. Es sei aber ein seltenes Ereignis, so Abele. Besonders hoch sei das Risiko für Personen, die in den vergangenen 14 Tagen in Wuhan waren und die Kontakt zu am Coronavirus Erkrankten hatten.

Infektiologe über Coronavirus

Professor Florian Thalhammer, Infektiologe an der Medizinischen Universität Wien, spricht über die Risiken des neuen Coronavirus und mögliche Schutzmaßnahmen.

Hoch sei die Ansteckungsgefahr, wenn man mindestens 15 Minuten engen Kontakt zu einer erkrankten Person hat, sagte der Infektiologe Florian Thalhammer vom AKH Wien in der ORF-Sendung „Mittag in Österreich“: „Hält man eineinhalb Meter Abstand, ist die Ansteckungsgefahr gering.“ Mit einer Impfung rechnen die Experten nicht vor 2021.

Das neuartige Coronavirus verursacht Fieber, Atemnot und Halsweh. Die Krankheitszeichen seien ähnlich wie bei der bekannten Grippe, so Wiedermann-Schmidt. Das erschwere die Diagnose. Entscheidend sei daher in Österreich, rasch die Verdachtsfälle zu identifizieren und darauf zu reagieren. Dabei könne es helfen, wenn man aufgrund der Grippeimpfung eine Grippeerkrankung ausschließen könne.

Nicht zuletzt deshalb empfiehlt das Gesundheitsministerium insbesondere Risikogruppen noch jetzt, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sind derzeit Zehntausende Menschen an Grippe oder grippeähnlichen Symptomen erkrankt. Die echte Grippe sei in Österreich viel näher und gefährlicher als das Coronavirus, betonte Anschober.

„Absolut kein Grund zur Panik“

Die derzeitige Situation des Coronavirus sei „absolut kein Grund zur Panik“, betonte Anschober auch am Montagabend bei einem gemeinsamen Statement mit ÖVP-Innenminister Karl Nehammer nach einer gemeinsamen Lagebesprechung des Einsatzstabs zur weiteren Vorgangsweise der Behörden. Beide Politiker betonten, dass Österreich gut vorbereitet sei und auch die Zusammenarbeit funktioniere.

USA raten von Reisen nach China ab

Das US-Außenministerium rät indes von Reisen nach China ab. Bereits geplante Reisen sollten erneut auf den Prüfstand gestellt werden, erklärte das Ministerium am Montag. China könnte zu einem späteren Zeitpunkt auch Ausreisesperren für US-Bürger verhängen, warnte das Ministerium. Für die besonders von dem Ausbruch des Coronavirus betroffene Provinz Hubei und die Stadt Wuhan warnte das Ministerium ausdrücklich vor jeglichen Reisen.

Die US-Gesundheitsbehörde CDC hatte Amerikaner zuvor bereits aufgefordert, alle nicht notwendigen Reisen in die Provinz Hubei zu vermeiden. Für den Rest Chinas mahnte die Behörde Reisende bisher nur zu besonderer Vorsicht, riet aber nicht von Reisen ab.