Pilot mit Schutzanzug, Schutzmaske und Brille wartet in einem Flugzeug auf dem Internationalen Flughafen in Wuhan, China
AP/Xinhua/Cheng Min
Coronavirus

Rückholaktion für EU-Bürger aus Wuhan

Die EU-Kommission hat angesichts des Coronavirus am Dienstagabend eine Rückholaktion für EU-Bürger und -Bürgerinnen aus der chinesischen Stadt Wuhan angekündigt. Zwei Flugzeuge sollen schon Mittwoch Hunderte Personen nach Hause fliegen. Auch andere Länder wollen wegen der Lungenkrankheit ihre Staatsangehörigen zurückholen.

Wie die EU mitteilte, soll eine der zwei Maschinen in Frankreich starten und etwa 250 Franzosen und Französinnen aus China ausfliegen. Das zweite Flugzeug soll im Laufe der Woche folgen und mehr als 100 Europäer und Europäerinnen aus anderen EU-Ländern heimbringen. Frankreich hat EU-Angaben zufolge über den europäischen Zivilschutz entsprechende Unterstützung für Europäer in Wuhan und Umgebung gebeten. Die EU werde die Transportkosten der beiden Flugzeuge mitfinanzieren. Allerdings dürfen nur gesunde oder symptomfreie Bürger und Bürgerinnen die Reise antreten.

Nach den zwei Flügen kann bei Bedarf weitere EU-Unterstützung mobilisiert werden, berichtete der EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarcic, in Brüssel. Die Kommissarin für Gesundheit, Stella Kyriakides, sagte: „Wir stehen bereit, um die Mitgliedstaaten zu unterstützen und eine starke und koordinierte EU-Antwort auf die Entwicklung des Coronavirus außerhalb und innerhalb der Union zu geben.“

Japaner werden aus Wuhan ausgeflogen

Auch Japan holt seine Landsleute aus dem abgeriegelten Wuhan, wo sich das neuartige Coronavirus nach seinem Ausbruch besonders stark ausgebreitet hat. Rund 650 Japaner wollten zurück in ihre Heimat, so die japanische Regierung. Bis Ende vergangener Woche lebten 710 Japaner und Japanerinnen in der schwer betroffenen Provinz Hubei, deren Hauptstadt Wuhan ist.

Sicherheitsbeamter mit Schutzmaske untersucht mit einem Messgerät die Körpertemperatur der Passagiere auf dem Internationalen Flughafen in Wuhan, China
AP/Dake Kang
Am Flughafen in Wuhan wird bei allen Personen die Körpertemperatur gemessen

Die japanische Regierung stuft den Erreger als „designierte Infektionskrankheit“ ein, womit der Staat rechtlich die Möglichkeit zur zwangsweisen Einlieferung von Betroffenen in Krankenhäuser erhält. In Japan wurden bisher vier Fälle der neuen Lungenkrankheit bestätigt. Die Regierung werde die Behandlungskosten für Menschen, die zur Einlieferung in Krankenhäuser gezwungen sind, aus Steuergeldern bezahlen, hieß es.

Wie Japan wollen auch Länder wie Großbritannien, Südkorea und die USA ihre Staatsangehörigen ausfliegen lassen. Die deutsche Bundesregierung bereitete noch vor der Ankündigung der EU-Kommission einen Evakuierungsflug vor, um ausreisewillige Deutsche zurückzuholen. In Österreich sagte das Außenministerium am Montag, dass sich derzeit weniger als 3.000 Österreicher und Österreicherinnen in China befinden. Einige haben mittlerweile sicher das Land verlassen, hieß es vonseiten der Außenressorts. Die Sicherheitsstufe für China wurde unterdessen erhöht.

Heimische Unternehmen in China bereiten sich vor

Auch in China ansässige Unternehmen bereiten sich auf das Virus vor. Der Vorstand des börsennotierten Stahlriesen voestalpine werde sich noch diese Woche mit dem Thema befassen, hieß es am Dienstag. Allerdings hätten österreichische voestalpine-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen in China schon jetzt die Möglichkeit, zurückzukehren. Überwiegend sind in den chinesischen voestalpine-Werken lokale Arbeitskräfte tätig, die entsandten Österreicher und Österreicherinnen sind hauptsächlich in der Geschäftsführung bzw. in Projekten tätig, teils sind sie mit Familie dort – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Flughafenmitarbeiter mit Schutzmaske beladet ein Flugzeug mit Paletten von in Folien und Netzen eingepacktem Gepäck
AP/Xinhua/Cheng Min
Gesundheit geht vor: Auf dem Flughafen in Wuhan tragen Mitarbeiter Gesichtsmasken

Der oberösterreichische Faserhersteller Lenzing beschäftigt im Faserwerk in Nanjing (300 Kilometer von Shanghai entfernt) und in einem Büro in Hongkong rund 500 Mitarbeiter. „Bei uns ist bereits der Health Emergency Plan aktiviert“, sagte Sprecher Filip Miermans. Es gebe „sehr strenge Kontrollmaßnahmen“. Der oberösterreichische Industriezulieferer Miba beschäftigt 1.100 Menschen in China und hat Standorte in Suzhou in der Nähe von Schanghai und in Shenzhen nahe Hongkong. Bisher hat man keine speziellen Maßnahmen getroffen, die Mitarbeiter wurden aber von der Betriebsärztin informiert.

Telefonhotline zu Coronavirus

Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) hat unter 0800-555621 eine Gratistelefonhotline montags bis freitags von 9.00 bis 17.00 Uhr für Fragen von Bürgerinnen und Bürgern eingerichtet.

Der steirische Leiterplattenhersteller AT&S will seine westlichen Mitarbeiter vorerst nur in Ausnahmefällen nach China reisen lassen. AT&S beschäftigt in China in zwei Werken rund 7.000 Mitarbeiter, darunter 80 Ausländer. Der Frucht-, Zucker- und Stärkekonzern Agrana hat in China drei Produktionsstandorte mit rund 380 Beschäftigten. Auch dort steht die Produktion wegen der Neujahrsferien derzeit still. Die Austrian Airlines führen ihre Flüge von Wien nach Peking und Schanghai (fünf bzw. vier pro Woche) derzeit plangemäß durch.

Hongkong will Grenze zusperren

Während auf der einen Seite Länder planen, ihre Staatsangehörige aus China auszufliegen, will Hongkong aus Angst vor einer Einschleppung der Lungenkrankheit seine Grenze für Chinesen aus der Volksrepublik weitgehend schließen. Alle Zugs- und Fährverbindungen werden von Donnerstag um Mitternacht an gekappt, wie Regierungschefin Carrie Lam am Dienstag berichtete. Hongkong halbiere auch die Zahl der Flüge aus China, sagte Lam, die mit einem Mundschutz vor die Presse trat.

Scanner auf zeigt schematisch die Körpertemperatur von Flughafenpassagieren an
APA/AFP/Lakruwan Wanniarachchi
Um da Virus rasch einzudämmen, werden Sicherheitsvorkehrungen getroffen

Auch Taiwan und die Philippinen haben die Einreisebestimmungen für Chinesen verschärft. Die EU-Kommission will im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus ein koordiniertes Vorgehen aller EU-Länder bei der Überwachung von Einreisen. China selbst hatte in den vergangenen Tagen drastische Maßnahmen ergriffen: In Hubei wurden 45 Millionen Menschen in mehr als einem Dutzend Städten weitgehend von der Außenwelt abgeschottet. Flüge sowie Fern- und Nahverkehr wurden gestoppt. Eine schützende Impfung oder eine spezielle Therapie zur Behandlung der Erkrankung gibt es nicht.

Als Schutzmaßnahme verstärkten die US-Gesundheitsbehörden ihr Personal in den Quarantänestationen der Flughäfen. Zwanzig Flughäfen des Landes verfügten über solche Einrichtungen, berichtete die „Washington Post“ am Dienstag. Laut US-Vizepräsident Mike Pence gelangten über jene Flughäfen 90 Prozent der einreisenden Chinesen in die USA. Das Außenministerium hat US-Bürgern wegen des Coronavirus zudem von allen nicht notwendigen Reisen nach China abgeraten.

Vier Fälle in Frankreich

In China sind mehr als 100 Menschen am Coronavirus, das eine Lungenkrankheit auslöst, gestorben. Die meisten davon waren ältere Patienten bzw. Patientinnen mit schweren Vorerkrankungen. Die Gesamtzahl der weltweit bekannten Erkrankungen ist inzwischen auf mehr als 4.500 gestiegen. In Bayern gab es mit Stand Dienstagabend vier bestätigte Fälle, in Frankreich ebenfalls. In Österreich gibt es keinen einzigen bestätigten Fall – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Karte von Italien
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lobte die chinesischen Aktivitäten seit Ausbruch der Lungenkrankheit. „Wir schätzen, wie ernst China den Ausbruch nimmt, besonders das Engagement der höchsten Führung“, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus am Dienstag in Peking. Die WHO arbeite eng mit chinesischen Spezialisten zusammen, um das Virus besser zu verstehen und die weitere Ausbreitung einzudämmen. Es sei vereinbart worden, dass die WHO so bald wie möglich internationale Experten nach China schicke, um die chinesischen Spezialisten zu unterstützen.

Experte rechnet mit Höhepunkt in rund einer Woche

Der Ausbruch in China wird nach Einschätzung eines führenden chinesischen Lungenexperten erst in sieben bis zehn Tagen seinen Höhepunkt erreichen. Wie der Chef des nationalen Expertenteams im Kampf gegen das Virus, Zhong Nanshan, am Mittwoch der amtlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua sagte, sei es „schwierig“ vorherzusagen, wann der Ausbruch seinen Höhepunkt erreicht. „Aber ich glaube, in einer Woche oder zehn Tagen wird der Höchststand erreicht werden – und danach wird es keinen Anstieg im großen Stil mehr geben.“

Virus konnte im Labor reproduziert werden

In der südchinesischen Stadt Shenzhen haben einem Medienbericht zufolge unterdessen klinische Studien zum möglichen Einsatz von HIV-Medikamenten gegen das neue Coronavirus begonnen. Das berichtete die staatlich unterstützte Finanzzeitung „Securities Times“ unter Berufung auf einen Beamten der nationalen Gesundheitskommission. An der Suche nach möglichen Wirkstoffen zur Behandlung des neuen Coronavirus war auch ein steirisches Start-up beteiligt.

Indes gaben australische Wissenschaftler bekannt, dass ihnen die Reproduktion des Coronavirus im Labor gelungen sei. Der Durchbruch könnte dazu beitragen, die globale Ausbreitung der Krankheit zu bekämpfen. „Mit dem echten Virus haben wir jetzt die Möglichkeit, alle Testmethoden zu validieren und zu verifizieren und ihre Empfindlichkeiten und Besonderheiten zu vergleichen“, sagte Julian Druce, Leiter des Labors für Virusidentifikation am Peter-Doherty-Institut in Melbourne. Die gezüchtete Virusprobe könne so bei der Entwicklung eines Impfstoffs helfen.