Streaming Star Tyler Blevins
AP/Red Bull Content Pool/Bartosz Wolinski WOLISPHOTO
E-Sports

Games-Livestreaming als Millionengeschäft

Der Wettbewerb auf dem Markt für Onlinestreaming von Videospielen wird härter: In den letzten Monaten haben einige sehr bekannte Spieler und Spielerinnen der Amazon-Tochter Twitch den Rücken gekehrt – für beachtliche Summen. IT-Schwergewichte wie Google, Facebook und Microsoft kämpfen auch mit großen Summen mittlerweile mit um die Aufmerksamkeit des Publikums.

Die IT-Riesen versuchen sich als fixe und möglichst erste Anlaufstelle für Gaming zu etablieren. Denn der Markt ist groß und lukrativ: Jeden Tag verbringen Menschen Millionen Stunden damit, anderen Menschen beim Spielen zuzuschauen. Alleine der eigentlich kostenlose Shooter „Fortnite“ generierte 2019 laut dem Marktforscher Superdata mit Zusatzcontent 1,8 Milliarden US-Dollar (1,64 Mrd. Euro) Umsatz.

„Ich möchte, dass die Nutzer das Gefühl haben, dass sie bei YouTube alles zum Thema Gaming finden“, zitierte CNN Ryan Wyatt, bei YouTube zuständig für Gaming. Und die Google-Tochter tut einiges dafür: Vergangene Woche wurde eine mehrjährige Zusammenarbeit mit Activision Blizzard angekündigt, die YouTube zum exklusiven Streaming-Partner für E-Sports-Ligen unter anderem der Kassenschlager „Call of Duty“ und „Overwatch“ macht. Bisher war Twitch Exklusivpartner.

Neujahrs Livestream mit Tyler Blevins alias „Ninja“.
AP/Red Bull Content Pool/Drew Gurian
„Fortnite“-Spieler Tyler Blevins bei einem Livestream zum Jahreswechsel in New York

Der Deal sei vergleichbar mit den gebündelten Rechten für die US-Super-Bowl und die Olympischen Spiele, die nur der US-Sender Fox News nutzen dürfe, schreibt das Nachrichtenportal Quartz. Twitch verliere damit seine größten Traffic-Bringer – die „Overwatch“-Liga war zuletzt der drittstärkste Channel auf Twitch, mit über 80 Mio. Stunden seit Jänner 2019. Im Jänner hatte die Amazon-Tochter in den USA und Europa 61 Prozent vom Gesamtmarkt, zuletzt sank der Zuspruch aber.

Jede Plattform mit eigenen Vorzügen

Andere Plattformen holen zunehmend auf – ohne dabei zwingend Twitch zu kopieren. Microsofts Mixer profitiert etwa vom Zugang zu Microsofts großer Community rund um seine Spielekonsole Xbox und Spielen in der Cloud. Dennoch habe sich Mixer nicht an die Xbox gebunden, sondern sei offen für alle, schreibt Quartz.

Facebook bietet mit seinen rund zwei Milliarden Nutzern pro Monat ein potenziell riesengroßes Publikum, von denen rund 700 Millionen sich laut eigenen Angaben auf der Plattform mit Spielen beschäftigen. Facebook startete seine Gaming-Plattform 2018 und bietet Spielern auch Gruppen, Livestreams und Instantspiele.

Ein starkes Wachstum legte zuletzt auch die Google-Tochter YouTube hin. Die Zahl der genutzten Stunden auf YouTube Gaming stieg im vergangenen Jahr laut CNN um 46 Prozent, nicht zuletzt wegen Zusammenlegungen. Mit dem Wechsel der Spiele dürfte die Nutzung weiter zulegen, mit zwei Milliarden Nutzern pro Monat gibt es bei YouTube ebenfalls reichlich Potenzial.

Tauziehen um Topspieler

Doch nicht nur die Spiele wechseln, sondern auch Topspieler. Erst vor wenigen Monaten schaffte Microsoft den Coup, als der bekannte „Fortnite“-Spieler Tyler Blevins (Spielername „Ninja“) von Twitch, wo er rund 14 Mio. Fans hat, zu Mixer wechselte. Geschätzter Wert des Mehrjahresvertrags: 20 bis 30 Millionen Dollar. Die Summe liegt durchaus im Trend: Twitch-Streamer mit 10.000 gleichzeitigen Nutzern bei Spielen können laut US-Agenturen mit Angeboten von bis zu zehn Millionen US-Dollar rechnen, kleinere mit bis zu einer Million US-Dollar.

Charity Videospiel-Marathon mit über 50 Streamern.
APA/AFP/Sylvain Thomas
Im E-Sports schafft es nicht jeder in die Topliga – aber wenn, dann lockt auch dort das große Geld

Wie viel Geld Jeremy Wang (Spielername „Disguised Toast“) für seinen Wechsel von Twitch zu Facebook Gaming im November erhalten hat, wollte er gegenüber CNN zwar nicht sagen, doch seine Eltern seien über „das viele Geld“ erstaunt gewesen. Sechs Monate lang verhandelte er um das lukrativste Angebot. Mittlerweile wechseln laufend Spieler von Twitch zu den anderen Plattformen mit ihren kapitalkräftigen IT-Schwergewichten dahinter.

Startschuss für harten Wettkampf

Der Wechsel von Blevins sei nur der Startschuss für den kommenden harten Kampf um die Nutzer gewesen, meinte der Marketingchef einer Agentur für Influencer auf Twitch und YouTube. Frühere Twitch-Angestellte erwarten noch weitere Spielerwechsel, weil die Spieler nun angesichts der Möglichkeiten versuchen würden, ihre Bekanntheit zu Geld zu machen, denn diese halte nicht ewig, schreibt CNN.

Neben dem Lockmittel Geld sorgt Twitch auch mit seinen Community-Richtlinien und der laut Kritikern unterschiedlichen Handhabung für zunehmende Abwanderungstendenzen. Sie könne sich mit der Ausrichtung von Facebook einfach besser identifizieren, sagte „Fortnite“-Star Corinna Kopf gegenüber CNN. Sie wurde laut eigenen Angaben im Dezember auf Twitch gesperrt, weil sie zu wenig bekleidet war – im selben Monat wechselte sie zu Facebook.

Nicht alle wollen wechseln

Doch es gibt genug Spieler, die den monetären Verlockungen widerstehen und sich auch öffentlich entsprechend bekennen. Twitch-Streamer Zizaran erklärte etwa im Dezember, er habe ein Angebot über 1,2 Mio. Dollar von Facebook ausgeschlagen, denn Facebook sei eine „Mistplattform“, und seine Karriere als Streamer würde dort zu Ende gehen.

Unterdessen passt sich auch Twitch den Änderungen an und baut sein Angebot aus: Die unspezifische Kategorie „Just chatting“ war im Dezember laut Quartz die meistgesehene. Vielleicht liege angesichts des Wechsels von Spielern zu YouTube und Nichtspielern zu Twitch die Zukunft des Livestreamings schlicht in der Möglichkeit, alles anbieten zu können, resümierte Quartz.