Einkaufsstraße mit wenigen Menschen mit Gesichtsmasken
ORF/Josef Dollinger
Coronavirus

Wirtschaft blickt besorgt nach China

Verlängerte Neujahrsferien, gestrichene Dienstreisen, geschlossene Filialen und eine steigende Sorge vor Lieferengpässen: Für in China aktive Unternehmen wird das Coronavirus zunehmend zu einer Belastungsprobe. Die langfristigen Folgen sind aus Expertensicht noch schwer abschätzbar – deutlich wird aber, wie eng viele westliche Unternehmen mit China verknüpft sind.

„Es ist noch deutlich zu früh, um eine seriöse Analyse über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus erstellen zu können“, hieß es vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Sollte es gelingen, die durch das Virus übertragene Lungenkrankheit erfolgreich einzudämmen, dann würden sich laut DIW-Präsident Marcel Fratzscher die wirtschaftlichen Kosten wohl „in Grenzen halten und sich auf einen kurzfristigen Produktionsausfall in China beschränken“.

Eine weiterer Ausbruch der Lungenkrankheit hätte laut Fratzscher dagegen gleich auf mehreren Ebenen weitreichende Folgen. So würde die Nachfrage etwa nach China-Reisen deutlich sinken. Bemerkbar machen würde sich auch das vorübergehende Schließen von Fabriken in China: Das würde die globalen Wertschöpfungsketten beeinflussen und es Firmen erschweren, benötigte Vorleistungen aus China oder anderen betroffenen Ländern zu beziehen.

Menschenleeres Einkaufszentrum
ORF/Josef Dollinger
Menschenleeres Kaufhaus in Peking: Große Teile Chinas stehen derzeit still

Warnungen vor China-Reisen

Wegen des sich ausbreitenden Coronavirus erließ das US-Außenministerium eine Reisewarnung für ganz China. Die Regierung in Tokio rät japanischen Bürgern, auf nicht notwendige Reisen nach China zu verzichten. Das teilte Ministerpräsident Shinzo Abe am Freitag dem Parlament in Tokio mit. Das deutsche Außenministerium in Berlin warnte am Freitag vor Reisen in die am stärksten betroffene Provinz Hubei, empfahl aber in einer Teilreisewarnung, nicht notwendige Reisen nach China „nach Möglichkeit“ zu verschieben.

Bereits fast 10.000 Infizierte

Die Infektionen und Todesfälle durch das Virus in China haben den bisher größten Anstieg innerhalb eines Tages verzeichnet. Die Zahl der nachgewiesenen Erkrankungen kletterte um 1.981 auf 9.692, wie die Gesundheitskommission am Freitag in Peking berichtete. Die Zahl der Toten stieg um 43 auf 213. Das teilte die chinesische Regierung am Freitag mit.

Das österreichische Außenministerium hat für China seit Dienstag ein erhöhtes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 2) ausgegeben. Es wird dazu geraten, eine Verschiebung nicht notwendiger China-Reisen zu erwägen. „Von nicht notwendigen Reisen in die Provinz Hubei wird abgeraten“, hieß es Freitagfrüh weiterhin auf der Website des Außenministeriums.

„Wann reißen die Lieferketten?“

Gerade bei deutschen Unternehmen sei es nicht selten, dass mehr als die Hälfte des Werts ihrer Exporte aus Vorleistungen aus dem Ausland besteht. Eine weitere Verbreitung würde für erhöhte Unsicherheit sorgen, die Unternehmen von Investitionen und Banken von der Kreditvergabe abhalten könnte, sagte Fratzscher.

Die große Frage lautet: Wann reißen die Lieferketten?", schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), der zufolge sich die Auswirkungen vor allem wegen der Neujahrsferien und der vielen aus diesem Grund geschlossenen Produktionsstätten noch in Grenzen halten.

Auch dass der Neujahrsurlaub bis zum 3. Februar verlängert wurde, werde man „kaum spüren“, sagte etwa der stellvertretende Bosch-Chef Volkmar Denner laut „FAZ“: „Das werde sich allerdings ändern, wenn die Sache länger dauere und die Zulieferketten gestört werden. Denn in einer hochgradig vernetzten Weltwirtschaft ist der Produktionsstandort China von immenser Bedeutung.“

IWF: Derzeit vor allem Hubei betroffen

Der Internationale Währungsfonds (IWF) beobachtet die Entwicklung genau, hält eine Einschätzung möglicher Auswirkungen auf die Wirtschaft aber für noch nicht möglich. Direkte Folgen durch das Coronavirus gebe es derzeit vor allem durch den Stillstand von Verkehr und Geschäftstätigkeit in der besonders stark betroffenen Provinz Hubei, sagt IWF-Sprecher Gerry Rice. Das Ausmaß der wirtschaftlichen Beeinträchtigungen hänge davon ab, wie schnell das Virus eingedämmt werden könne. China habe laut Rice aber ausreichend geldpolitische Möglichkeiten, um die Wirtschaft in der Krise zu stützen.

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Die Angst vor dem „Schwarzen Schwan“

Mit „weniger Handel, weniger Reisen, Verlusten auf den Aktienmärkten“ hatte vor 17 Jahren auch SARS erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen, so die ZDF-„Tagesschau“. Damals sei Chinas Anteil an der Weltwirtschaft allerdings bei rund fünf Prozent gelegen, heute seien es 16,5 Prozent: „Wenn China also anfängt zu husten, hat diese Erkrankung stärkere Folgen.“ Viel hänge davon ab, „ob die Zwangsferien in manchen Betrieben erneut verlängert werden und wann die Quarantäne zahlreicher Städte endet“.

Die Blicke richten sich unter anderem auf die seit rund einer Woche abgeriegelte Elf-Millionen-Einwohner-Metropole Wuhan, ein für Logistikunternehmen zentraler Knotenpunkt, der derzeit abgeschnitten ist. Dennoch hat laut „FAZ“ der deutsche Außenhandelsverband BGA noch keine Meldungen über die Beeinträchtigung von Lieferketten. „Die Realwirtschaft reagiert gelassener als die Finanzmärkte“, zitierte die Zeitung einen ein Verbandssprecher.

Laut „Spiegel“ ist auf den Finanzmärkten derzeit in Anlehnung an ein Buch des Börsenhändlers Nassim Nicholas Taleb viel von einem „Schwarzen Schwan“ die Rede. Das Coronavirus „ist womöglich so ein Schwarzer Schwan“ – ein Ereignis „mit weitreichenden Folgen, die ohne Vorwarnung eintreten“.

AUA setzt China-Flüge aus

Rund einen Monat nach Bekanntwerden der ersten Krankheitsfälle trifft die Ausbreitung des Coronavirus in China auch die dort aktiven westlichen Unternehmen immer stärker. So wie andere Airlines setzte am Mittwoch auch der Lufthansa-Konzern und mit ihm die AUA die Direktflüge von und nach China aus – mehr dazu in noe.ORF.at.

Fluglinien streichen China-Flüge

Als Vorsichtsmaßnahme gegen die weitere Verbreitung des Coronavirus strichen etliche europäische Fluglinien ihre Verbindungen von und nach China, darunter auch Lufthansa und AUA.

British Airways hatte kurz zuvor die Direktflüge zwischen Großbritannien und dem chinesischen Festland eingestellt. Am Donnerstag folgten unter anderem Iberia, SAS und Air France.

Geschlossene Filialen bei Ikea, H&M und McDonald’s

Zudem schlossen einige Unternehmen ihre Filialen in China. Zuletzt kündigte etwa der schwedische Möbelkonzern Ikea an, dass in China rund die Hälfte seiner Warenhäuser bis auf Weiteres geschlossen bleiben. Beim schwedischen Modekonzern H&M sind derzeit alle 74 chinesischen Filialen geschlossen. Auch Reisen von Mitarbeitern nach China und innerhalb des Landes seien gestoppt worden, teilte eine H&M-Sprecherin laut dpa mit. So wie viele andere Unternehmen orientiere man sich auch bei H&M an den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der lokalen Behörden.

Arbeiter vor einem geschlossenen IKEA-Geschäft in Hangzhou
AP/Chinatopix
Ikea schickte viele Mitarbeiter nach Hause

Weitere Beispiele sind die US-Kaffeehauskette Starbucks, bei der nun rund die Hälfte seiner über 4.000 chinesischen Filialen geschlossen bleiben, sowie Fast-Food-Ketten wie KFC, Pizza Hut und McDonald’s – Letztere mit mittlerweile rund 300 betroffenen Filialen.

„Wir empfehlen, Reisen zu verschieben“

Der japanische Autohersteller Toyota stellt indes den Betrieb in den Werken in China bis zum 9. Februar ein. Man werde die Situation beobachten und dann über das weitere Vorgehen entscheiden, teilte eine Konzernsprecherin mit. Honda reagierte mit einer Verlängerung der Betriebsferien bis zum 13. Februar.

Auch bei BMW wurden die Neujahrsferien um eine Woche bis 9. Februar verlängert. Nur die Büroangestellten arbeiteten einem Unternehmenssprecher zufolge ab Montag wieder, jedoch von zu Hause aus. Auch Volkswagen lässt seine 3.500 Mitarbeiter in Peking für zwei Wochen von daheim aus arbeiten. Bis auf Weiteres werden dem deutschen Autokonzern zufolge auch alle Geschäftsreisen in China und international ausgesetzt.

„Wir empfehlen allen Mitarbeitern, Reisen von und nach China zu verschieben“, so der Sprecher des österreichischen Stahlkonzerns voestalpine, Peter Felsbach – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Ausbleibende Touristen aus China

Das Coronavirus wirkt sich schließlich auch auf Reisende aus: Wie es von heimischen Reisebüros hieß, hätten zahlreiche Veranstalter China-Reisen vorerst aus dem Programm genommen. Graz Tourismus etwa erwartet weniger Touristen aus China – mehr dazu in steiermark.ORF.at.