Bauarbeiter vor einer EU-Flagge
AP/Virginia Mayo
Brexit

Folgen für Arbeitsmarkt und Arbeitsrecht

Der Brexit ändert vorerst nichts an der Arbeitnehmerfreizügigkeit und den arbeitsrechtlichen Regelungen in Großbritannien und für Österreicher, die dort tätig sind. Denn in der Übergangsfrist wird so verfahren, als wäre das Vereinigte Königreich noch Teil des Binnenmarkts. Spannend wird es erst nach dem Ende der Übergangsfrist, die noch über das Jahresende 2020 hinaus verlängert werden könnte.

Denn dann wäre Großbritannien nicht mehr an die arbeitsrechtlichen Regelungen der EU gebunden, etwa die Arbeitszeitrichtlinie, die Leiharbeitsrichtlinie und die Richtlinie über befristete Arbeitsverträge. „Diese Richtlinien hat Großbritannien ins nationale Recht übernommen, und sie haben den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Verbesserungen gebracht“, erläuterte die EU-Expertin der Arbeiterkammer (AK), Sarah Bruckner, im Gespräch mit der APA. „Wir sehen die Gefahr, dass dann die arbeits- und sozialrechtlichen Standards in Großbritannien gesenkt werden.“

Das Worst-Case-Szenario aus AK-Sicht wäre, wenn enge Handelsbeziehungen mit Großbritannien weiter bestünden, die Briten sich aber nicht an die arbeits-, sozialrechtlichen und Umweltstandards halten müssten, die in der EU weiter gelten. Das Unterlaufen der EU-Standards würde Druck auf die EU-Länder machen, ihre Standards ebenfalls zu senken.

„Die Briten würden sich dann durch unfairen Wettbewerb Vorteile verschaffen – das gilt es zu verhindern“, warnte Bruckner. Der Standpunkt der AK: Es solle faire Wettbewerbsbedingungen geben, ein „Level Playing Field“, mit Wahrung der Rechte der Arbeitnehmer. Man hoffe sehr, dass die EU in den Gesprächen über ein Handelsabkommen mit den Briten auch darauf achte.

WKÖ-Experte: Zeit knapp

Auf die Unsicherheiten für österreichische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Großbritannien tätig sind, und die britischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich machte der Europaexperte der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Christian Mandl, aufmerksam. Nach dem Ende der Übergangsfrist komme es darauf an, ob es dann ein Abkommen zwischen der EU und Großbritannien gebe und was darin enthalten sei. Die Übergangsfrist ende mit Jahresende 2020, könne aber, wenn sich Brüssel und London bis Juni 2020 darüber einigen, um bis zu zwei Jahre verlängert werden.

Ohne Verlängerung der Übergangsfrist könnten bereits am 1. Jänner 2021 konkrete Probleme auftreten, etwa für Britinnen und Briten, die in Österreich als Saisonniers – zum Beispiel Skilehrer – arbeiten. Die WKÖ trete für eine Ausnahme der Saisonniersverordnung für britische Bürger ein, wenn nicht bis dahin ein Abkommen zwischen der EU und Großbritannien getroffen sei, das solche Fragen regle. Dafür werde aber die Zeit knapp, denn alleine die Ratifizierung eines solchen Abkommens in allen EU-Staaten dauere üblicherweise eineinhalb Jahre, so Mandl.

Dramatisch ändern könnte sich die Lage für österreichische Studierende in Großbritannien nach Ende der Übergangsfrist. Derzeit gelte Gleichbehandlung für Britinnen und Briten sowie Studierende aus anderen EU-Ländern. Nach einem EU-Austritt und wenn das nicht extra geregelt werde, könnten die britischen Universitäten wesentliche höhere Studiengebühren von Studierenden etwa aus Österreich verlangen.

Rund 25.000 Österreicher in Großbritannien

Der Professor der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und Ökonom des Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) Harald Oberhofer verwies darauf, dass weniger Arbeitskräfte aus der EU nach Großbritannien gehen, und zwar wegen der Unsicherheit und des erwarteten Aus für die Niederlassungsfreiheit. Er rechnet aber nicht damit, dass als Folge davon viele zusätzliche Arbeitskräfte auf den österreichischen Arbeitsmarkt kommen. Schon jetzt gebe es weniger Zuwanderung auf den britischen Arbeitsmarkt.

„Da haben wir nicht gesehen, dass das auf den österreichischen Arbeitsmarkt besonderen Druck ausgeübt hat“, sagte er im Gespräch mit der APA. Der britische und der österreichische Arbeitsmarkt seien nämlich sehr unterschiedlich: Für polnische Handwerker etwa, die auf den britischen Arbeitsmarkt drängten, weil sie dort leicht arbeiten konnten, sei Österreich wegen seiner Regulierungen und Qualifikationserfordernisse zur Ausübung von Tätigkeiten weniger attraktiv. Nach Schätzungen leben rund 25.000 Österreicherinnen und Österreicher in Großbritannien, etwa 11.000 Britinnen und Briten leben in Österreich.