Ein Supermarkt-Regal mit Getränken in Plastikflaschen
ORF.at/Roland Winkler
Umwelt

Zeichen stehen auf Plastikpfand

Die Österreicherinnen und Österreicher trennen fleißig Müll, aber nicht fleißig genug. Zumindest bei Plastikflaschen reicht es für die gesteckten Recyclingziele nicht aus. Das Umweltministerium hat deshalb die Situation analysieren lassen. Die Optionen: entweder Hunderttausende Tonnen Müll mehr sortieren oder ein Pfand einführen. Darüber gehen die Meinungen ziemlich auseinander.

Grund für den Nachbesserungsbedarf beim Sammeln und Recycling von Einwegverpackungen aus Kunststoff ist die „Single-use-plastic“-Richtlinie der EU, die vorsieht, dass von den aktuell rund 1,6 Mrd. Getränkeflaschen aus Plastik, die laut Aussendung des Ministeriums vom Freitag aktuell pro Jahr in Österreich verkauft werden, bis 2025 zumindest 77 und bis 2029 mindestens 90 Prozent getrennt gesammelt und recycelt werden müssen. Aktuell betrage die Sammelquote 70 Prozent, heißt es.

Zu möglichen Lösungsansätzen wurde im Vorjahr eine Studie in Auftrag gegeben, es wurden „Handlungsoptionen zur Erreichung der Sammelquoten erhoben und die dafür erforderlichen Aufwendungen berechnet“, so das Ministerium in der Aussendung – Fazit: Eine Steigerung der getrennten Sammlung sei ohne weitere Maßnahmen nicht zu erwarten.

Viel mehr Sortieren oder Mehrweglösung

Das bedeutet, dass entweder mehr aus dem Restmüll aussortiert werden müsste. „Bei einer deutlichen Erhöhung der getrennten Sammlung von Kunststoffen und einer massiven Verbesserung der Sortierung“ müssten zusätzlich rund 75 Prozent oder bis zu einer Million Tonnen „des gesamten österreichischen Siedlungsabfalls“ zusätzlich sortiert werden.

Plastikverpackung und Plastikmüll
ORF.at/Dominique Hammer
Es wird viel Kunststoffmüll getrennt und gesammelt, aber tendenziell langfristig nicht genug

Eine andere Option wäre ein Pfandsystem, wobei Erfahrungen zeigten, dass ein solches „die kostengünstigere Maßnahme darstellt, getrennte Sammelquoten von 90 Prozent zu erreichen“, schreibt das Ministerium. Ein möglicher willkommener Nebeneffekt: Wer für seine Pfandflasche zahlt, lässt die vielleicht nicht einfach so irgendwo fallen, Stichwort: „Littering“. An der Erstellung der Studie waren neben dem Technischen Büro Hauer die Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU) und die steirische Montanuniversität Leoben beteiligt.

Die „ökologisch vorteilhafteste Variante“

Die zuständige Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Staatssekretär Magnus Brunner (ÖVP) würden nun einen runden Tisch mit den Vertretern der Wirtschaft, der Interessenvertretungen und weiteren Akteuren einberufen, hieß es. Der Ausbau von Mehrwegsystemen werde als ökologisch vorteilhafteste Variante für Getränkeverpackungen jedenfalls eine Rolle dabei spielen.

Die neuen blau-gelben Kombitonnen für Plastik und Alu
ORF.at/Christian Öser
Ein Container für Plastikflaschen und Dosen

Der Verband der Getränkehersteller Österreichs sprach sich in einer Reaktion „für eine sachliche, faktenbasierte Diskussion ohne Vorurteile“ aus und betonte, die Branche übernehme „seit jeher“ ökologische Verantwortung und leiste „einen konstruktiven Beitrag zur umweltfreundlichen Weiterentwicklung von Verpackungen“.

Aktuell müssten jedenfalls die „detaillierten Ergebnisse“ der Studie im Auftrag des Umweltministeriums“ abgewartet werden. „Dann gilt es gemeinsam auf Basis aller vorliegenden Prämissen und Fakten für Österreich die ökologisch sowie ökonomisch effizienteste Lösung zu erarbeiten. Schnellschüsse und Aktionismus sind jedenfalls abzulehnen.“

Für Handel „keinesfalls finanzierbar“

Keine rechte Freude mit der Option Pfand hat der Handel. Er plädiert „ganz klar“ für eine Intensivierung der getrennten Sammlung zur Erhöhung der Recyclingquote, wie es am Freitag in einer Presseaussendung des Handelsverbands hieß.

Das derzeitige Sammel- und Recyclingsystem sei ein „Erfolgsweg“, die Einführung eines Einwegpfandsystems würde „die Nahversorgung durch selbstständige Kaufleute in den ländlichen Regionen massiv“ gefährden und mache „volkswirtschaftlich keinen Sinn“. Warum? Die Anschaffung von neuen Pfandautomaten, Umbauten und zusätzliche „Logistikanforderungen“ seien für viele selbstständige Kaufleute „keinesfalls finanzierbar“.

Es würden „Hunderte Geschäfte“ schließen, meint der Handel. „Die Einführung eines Einwegpfand-Systems nach deutschem Vorbild wäre für den österreichischen Lebensmittelhandel mit unverhältnismäßigen Investitionen in Höhe einer dreistelligen Millionensumme verbunden.“ Außerdem habe sich am Beispiel Deutschlands gezeigt, dass ein Pfandsystem die Mehrwegquote nicht nur nicht erhöht, sondern gesenkt habe.

Ruf nach gesetzlichen Quoten

Anders die Natur- und Umweltschutzorganisation WWF, die die Ergebnisse der Studie begrüßte und rasche Maßnahmen der Politik forderte. „Es braucht ein effizientes Pfandsystem für wiederbefüllbare Getränkeverpackungen und ein Pfand auf Einwegprodukte, damit diese qualitativ hochwertig recycelt werden können und nicht als Müll in die Umwelt gelangen“, hieß es in einer Aussendung des WWF Österreich am Freitag. Wichtig wären außerdem „gesetzlich verbindliche Mehrwegquoten, zusätzliche Anreize für Mehrwegverpackungen im Handel sowie eine verpflichtende, gut sichtbare Kennzeichnung von Mehrwegflaschen“.

„Sammeln ist gut, vermeiden ist besser“

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 betonte, dass die Ergebnisse der Studie zeigten, „dass ein Pfand auf Einweg-Getränkeverpackungen die einzig sinnvolle und kostengünstigste Variante“ sei, um die EU-Richtlinie einzuhalten „und die Verschmutzung der Natur“ zu reduzieren.

„Müll sammeln ist gut, vermeiden ist besser“, hieß es von Greenpeace. „Nur ein Pfandsystem mit gesetzlicher Mehrwegquote für Handelsunternehmen“ bringe die „notwendige Abfallreduktion“. Die Umweltschutzorganisation forderte die Bundesregierung auf, „noch in diesem Jahr ein Pfandsystem mit gesetzlicher Mehrwegquote umzusetzen und den Mehrweganteil in den nächsten Jahren konsequent zu steigern“.

Alle Beteiligten müssten „gemeinsam die besten Lösungen im Sinne von Umwelt und Wirtschaft erarbeiten“, hieß es von der Altstoff Recycling Austria (ARA). Schon heute belege Österreich laufend Spitzenplätze im Bereich Abfallwirtschaft und Recycling. „Und wir sind zuversichtlich, dass wir diese Spitzenergebnisse weiter ausbauen und die großen zukünftigen Herausforderungen meistern werden.“ Der Getränkehersteller Coca-Cola rief per Aussendung in der „aktuell sehr emotional geführten Debatte“ zu mehr Sachlichkeit auf „und befürwortet den runden Tisch, den das Umweltministerium einberufen wird“. Coca-Cola forciere Mehrwegverpackungen und befürworte die Diskussion über ein Pfand auf Einweggetränkepackungen.