Oliver Rathkolb, Margit Reiter und Gerhard Baumgartner
APA/Helmut Fohringer
„Sammelsurium“

Historiker zerpflückten FPÖ-Historikerbericht

Der FPÖ-Historikerbericht ist ein Dokument ohne großen Wert: Zu diesem Schluss kam am Montag eine Expertengruppe unter der Federführung von Zeithistoriker Oliver Rathkolb. „Es ist kein wissenschaftlicher Bericht, sondern ein Sammelsurium von Einzelmeinungen“, sagte der Professor an der Universität Wien bei einer Pressekonferenz

Die FPÖ hatte Ende Dezember, kurz vor Weihnachten, ihren lang erwarteten Historikerbericht präsentiert, mit dem die Partei ihre „dunklen Flecken“ beleuchten wollte. Anlassfall für den Bericht war das Auftauchen des NS-Liederbuchs mit verharmlosenden Texten über den Holocaust der Burschenschaft des niederösterreichischen FPÖ-Politikers Udo Landbauer. Nach anhaltender Kritik beauftragte die FPÖ Wilhelm Brauneder mit der Aufarbeitung der Parteigeschichte.

Die Historikerkommission spannte einen Bogen vom FPÖ-Vorgänger VdU über das „Liedgut des Farbstudententums“ bis hin zu den „Einzelfällen“ in der FPÖ. Die Partei hält sich nach einer anfänglichen Nähe zum Nationalsozialismus nun für eine Partei wie jede andere. Das sahen Rathkolb, die Historikerin Margit Reiter und der Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW), Gerhard Baumgartner, am Dienstag aber ganz anders.

Reiter: „Guter Nazi“-Legende reproduziert

Rathkolb fehlte es in diesem Bericht an wissenschaftlicher Seriosität. Die Rolle von Burschenschaften, der eigentliche Anlassfall für das Unterfangen, sei so gut wie gar nicht beleuchtet worden. Der angeblich fehlende Zugang zu Archivmaterial sei dabei kein Argument, so Rathkolb. Mitgliederverzeichnisse würden sich etwa in der Nationalbibliothek befinden. Der Begriff „Identitäre“ finde sich in dem „Sammelband“ gerade siebenmal, zumeist handle es sich um zitierte Zeitungsartikel.

Historiker üben Kritik am FPÖ-Historikerbericht

Die Expertengruppe rund um den Zeithistoriker Oliver Rathkolb hat am Montag den FPÖ-Historikerbericht kritisiert. Er sei nicht wissenschaftlich und es würden viele historische Teile aus der FPÖ-Vergangenheit fehlen.

An der Aufgabenstellung vorbei ging der Text auch für die Salzburger Historikerin Reiter. Die NSDAP-Vergangenheit von Funktionären der VdU werde zwar in „biografischen Skizzen“ erwähnt, nicht aber werde auf deren eigentliche Rolle im Nationalsozialismus sowie deren Gesinnung nach Kriegsende eingegangen. Aktuelle wissenschaftliche Publikationen gebe es dabei genug, betonte sie. Auch die Legende vom Gründungsvater der FPÖ, Anton Reinthaller, als „guter Nazi“ werde reproduziert.

„Ziemlich oberflächliche Arbeit“

Die jüngere Geschichte der FPÖ werde in dem Bericht gar nicht beleuchtet, so die Historiker. So könne man nichts zur Einstellung der einstigen FPÖ-Chefs Friedrich Peter und Jörg Haider zum Nationalsozialismus lesen – ebenso wenig über dahingehende Aktivitäten von Heinz-Christian Strache. Völlig negiert werde zudem der aus der „völkischen“ Tradition stammende und nach 1945 im Wesentlichen ungebrochene Antisemitismus.

Interview mit Zeitgeschichteexpertin Margit Reiter

Im ZIB2-Interview erklärt die Historikerin Margit Reiter vom Institut für Zeitgeschichte (Salzburg), warum sie den FPÖ-Historikerbericht für mangelhaft erachtet.

Als „ziemlich oberflächliche Arbeit“ qualifizierte auch Baumgartner vom DÖW den FPÖ-Historikerbericht. So habe es oft den Anschein, die NSDAP werde als „Volkstanzgruppe mit weißen Strümpfen“ wahrgenommen, aber „es war eine Terrorgruppe“. Sein Resümee: „Dieser Bericht ist eigentlich ein Psychogramm eines Teils der heutigen Führung der FPÖ.“

Christian Hafenecker,  Andreas Mšlzer und Thomas Grischany
APA/Herbert P. Oczerert
Im Dezember, kurz vor Weihnachten, präsentierte die FPÖ ihren Historikerbericht

FPÖ nimmt Kritik gelassen

Die FPÖ nahm die Kritik an ihrem Bericht gelassen. „Jedem Menschen recht getan, ist eine Kunst, die keiner kann“, so Klubchef Herbert Kickl bei einer Pressekonferenz am Montag. Teilweise sei schon vor Fertigstellung des Berichts Kritik geübt worden. Inhaltlich ging Kickl auf die Kritik nicht ein.

„Wir hätten uns das sparen können“, erinnerte Kickl daran, dass die FPÖ den Historiker Rathkolb im Vorjahr zu einer Diskussion über den Bericht eingeladen hatte. „Wir haben die Herrschaften schon einmal eingeladen und sie haben gekniffen.“ Stattdessen hätten die Historiker mehrere Wochen gebraucht, um den Bericht zu analysieren. Man habe wohl von Anfang an möglichst wenig Gutes im Bericht der FPÖ finden wollen.