Heuschreckenschwarm in Kenia
Reuters/Njeri Mwangi
Von Ostafrika bis Pakistan

Kaum Mittel gegen Heuschreckenplage

Hunderte Millionen Heuschrecken ziehen ihre verheerende Spur quer durch Ostafrika. Ein Ende ist nicht in Sicht: Die Mittel für die Bekämpfung der Heuschreckenplage sind in Ländern wie Somalia, Kenia und Äthiopien äußerst knapp. So sind laut der Nachrichtenagentur AP in ganz Kenia gerade einmal fünf Kleinflugzeuge mit Sprühmittel gegen die Heuschrecken im Einsatz.

Die einzige effektive Maßnahme gegen die Heuschrecken ist aus Sicht der Experten das großflächige Sprühen von Pestiziden aus der Luft. Auch in anderen betroffenen Länder soll es laut Medienberichten nicht besser als in Kenia aussehen.

Die Behörden der betroffenen ostafrikanische Länder sind bei der Bewältigung der Plage überfordert. Die Länder seien auf diese Dimension des Ausbruchs nicht vorbereitet gewesen, so Jasper Mwesigwa, ein Analyst beim Klimazentrum der ostafrikanischen Regionalgemeinschaft IGAD Ende Jänner.

Flugzeug verteilt Pestizide
AP/Ben Curtis
Nur Sprühen hilft, sind sich Fachleute einig – doch es gibt nicht genug spezialisierte Flugzeuge in der Region

Bis hin zum totalen Ernteausfall

Doch die Zeit drängt. Sollte der Ausbruch nicht unter Kontrolle gebracht werden, könne die Zahl der Heuschrecken bis Juni auf das 500-Fache anwachsen, so eine Schätzung der UNO. Die wichtigste Erntezeit der Region beginnt im März bzw. im April. Sollte man die Plage nicht in den Griff bekommen, so drohe ein enormer Verlust bis hin zu dem Ausfall der gesamten Ernte.

Eine Grafik zeigt die betroffenen Länder der Heuschreckenplage
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Fachleute weisen auf die bereits jetzt ungeheuren Dimensionen hin: Ein Schwarm in Kenia mit Hunderten von Millionen von Insekten sei etwa 2.400 Quadratkilometer groß. Ein einziger Quadratkilometer der Insekten könne an einem Tag so viel vertilgen wie 35.000 Menschen. Und ein Schwarm kann demnach bis zu 150 Kilometer am Tag zurücklegen. Der Ausbruch auf der arabischen Halbinsel hat auch Länder wie Indien und vor allem Pakistan getroffen, wobei auch Besorgnis über die Bildung neuer Schwärme in Eritrea, Saudi-Arabien, Sudan und Jemen herrscht.

Heuschrecken im Nationalpark von Kenia
AP/Ben Curtis
Heuschrecken beim Verzehr

Pakistan und Somalia rufen Notstand aus

In Somalia und auch in Pakistan wurde am Wochenende der Notstand ausgerufen. Die pakistanischen Behörden fürchten um die Ernährungssicherheit des südasiatischen Landes. Die Heuschreckenschwärme waren im vergangenen Juni aus dem westlichen Nachbarland Iran nach Pakistan eingedrungen und hatten sich zuerst im Südwesten des Landes über Baumwolle, Weizen, Mais und anderes Getreide hergemacht. Von der südlichen Provinz Sindh zogen sie bis in die nordwestliche Provinz Khyber Pakhtunkhwa.

Heuschrecken im Nationalpark von Kenia
AP/Ben Curtis
Die Heuschrecken verwüsten nicht nur ganze Felder sondern ganze Landstriche

„Wir stehen der schlimmsten Heuschreckenplage in mehr als zwei Jahrzehnten gegenüber und haben entschieden, den nationalen Notstand zu erklären“, sagte Informationsminister Imran Khan am Samstag.

Heuschrecken auch in Großstadt

Auch in Somalia ist man besorgt. Die massenhafte Vermehrung der Wüstenheuschrecken bedrohe die ohnehin instabile Versorgungslage in dem zu den ärmsten Staaten der Welt zählenden ostafrikanischen Land, erklärte das somalische Agrarministerium am Sonntag in Mogadischu. Die Heuschreckenschwärme seien ungewöhnlich groß und vernichteten die Nahrungsgrundlage von Mensch und Tier.

Größte Heuschreckenplage seit Jahrzehnten

Die Heuschreckenplage wird immer größer. Während man mit der Bekämpfung hinterherhinkt, bilden sich immer neue Schwärme in der Region und fallen über die Felder her (Videoquelle: APTN)

Mit der Ausrufung des Notstands wollen die somalischen Behörden die Maßnahmen im Kampf gegen die Plage bündeln und rasch Geld bereitstellen. Es sei entscheidend, die Lage vor der Erntezeit unter Kontrolle zu bringen, erklärte das Ministerium. Am Samstag wurden Heuschrecken bereits auch in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba gesichtet.

Heuschreckenschwarm in Somalia
Reuters/Njeri Mwangi
Die Masse an Heuschrecken ist zwar für Menschen nicht unmittelbar gefährlich, aber äußerst lästig

Dürre, Fluten und jetzt eine Heuschreckenplage

Die Schwärme in Äthiopien, Kenia und Somalia seien in ihrer Größe und ihrem Zerstörungspotenzial „beispiellos“, hatte die UNO-Landwirtschaftsorganisation (FAO) bereits Ende Jänner mitgeteilt. In der ohnehin armen, von Dürren und Überschwemmungen geplagten Region könne die Plage zu einer Hungersnot führen, warnte Mwesigwa.

Heuschreckenschwarm in Somalia
AP/Ben Curtis
Gegen die Heuschrecken gibt es kaum probate Mittel

Fast 25,5 Millionen Menschen haben in Ostafrika dem UNO-Nothilfebüro OCHA zufolge derzeit nicht genug zu essen. Viele Bewohner mussten mit einer schlimmen Dürre kämpfen, dann mit Überschwemmungen. Die meisten Menschen sind Kleinbauern oder Hirten, also stark vom Land abhängig. Hinzu kommen Konflikte, wie etwa in Somalia, wo die Miliz al-Schabab die Bevölkerung terrorisiert.

Heuschreckenschwarm verdunkelt den Himmel
AP/Ben Curtis
Die Heuschreckenschwärme fallen regelrecht über Felder her

Der Ausbruch sei „von einer Dimension, die weit über die Norm hinausgeht und die wir seit 25 Jahren nicht gesehen haben“, erklärte auch Daniele Donati, der stellvertretende Leiter der Abteilung für Notfälle bei der FAO. Die FAO braucht nach eigenen Angaben 70 Millionen Dollar für die Bekämpfung der Insekten und die Unterstützung der Betroffenen in Kenia, Somalia und Äthiopien.

Heuschrecken im Nationalpark von Kenia
Reuters/Njeri Mwangi
Die Klimakrise begünstigt laut Fachleuten die drastische Vermehrung der Heuschrecken

Klimakrise schafft gute Bedingungen für Heuschrecken

Mitverantwortlich für diese Notlage ist ein Wetterphänomen, das jüngst in Australien zu den verheerenden Bränden beigetragen hat: der Indische-Ozean-Dipol. Diese natürlich vorkommende Schwankung der Wassertemperaturen hat Ostafrika viel Regen beschert. Und auch Pakistan und Indien sind von dem Wetterphänomen betroffen. In der Region waren OCHA zufolge 3,4 Millionen Menschen von den Überschwemmungen betroffen.

Die Nässe hat sehr gute Bedingungen für die Wüstenheuschrecke geschaffen. Die Insekten könnten sich von der Vegetation optimal ernähren, die feuchte Erde sei ideal für die Reproduktion und die Winde unterstützten die Verbreitung der Heuschrecken, wie Mwesigwa vom IGAD erklärte. „Wäre der Regen nicht so intensiv gewesen, wäre der Ausbruch aus unserer Sicht unterdrückt worden.“