Komponistin Hildur Gudnadottir
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Filmmusik-Oscar

Überfliegerin nimmt es mit Legenden auf

Mit Auszeichnungen bei den Golden Globes und dem britischen Filmpreis BAFTA hat sie Geschichte geschrieben, am Sonntag könnte sich ihre Siegesserie bei den Oscars fortsetzen: Die isländische Komponistin Hildur Gudnadottir könnte für ihren „Joker“-Soundtrack als erst dritte Frau überhaupt mit dem Filmmusik-Oscar ausgezeichnet werden. Die Konkurrenz ist groß – die 38-Jährige muss es mit vier Branchenlegenden aufnehmen.

Im Jänner war Gudnadottir die erste Komponistin, die in der Kategorie Filmmusik einen Golden Globe gewann. Einen knappen Monat später durfte die Isländerin erneut jubeln: Als erste Solokünstlerin setzte sie sich in ebenjenem Bereich bei den British Academy Film Awards (BAFTA) durch. Mit drei ihrer damaligen Konkurrenten bekommt sie es nun auch bei den Oscars zu tun: John Williams („Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“), Alexandre Desplat („Little Women“) und Thomas Newman („1917“).

Der Vierte im Bunde ist Randy Newman. Der US-Amerikaner ist in diesem Jahr nicht nur für seinen Filmsoundtrack zu „Marriage Story“ Oscar-nominiert, sondern auch in der Kategorie bester Song („I Can’t Let You Throw Yourself Away“ aus „Toy Story 4“).

Alle vier Konkurrenten Gudnadottirs sind Branchenlegenden. Für den 87 Jahre alten Williams ist es die 52. Oscar-Nominierung – so viele kann kein anderer lebender Filmschaffender vorweisen. Fünfmal holte er sich die Trophäe bereits, darunter für seine Soundtracks zu „Der weiße Hai“ und „E.T. – Der Außerirdische“. Randy Newman (76) und Desplat (58) dürfen jeweils zwei Oscars ihr Eigen nennen. Nur Randy Newmans Cousin Thomas Newman (64) ist noch Oscar-los, war aber schon 17-mal im Rennen um die goldene Statuette.

Komponistin Hildur Gudnadottir
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Gudnadottir bei der BAFTA-Preisvergabe – am Sonntag könnte die Komponistin ihre Siegesserie bei den Oscars fortsetzen

Cellistin, Dirigentin und Komponistin

Gudnadottir wurde 1982 in Reykjavik geboren. Sie studierte Cello in der isländischen Hauptstadt und in Berlin. Ihr Schaffen bewegt sich zwischen E-Musik, Experimentellem und Indie-Elektronik. Sie tourte mit dem schwedischen Elektronikduo The Knife und dem avantgardistischen Animal Collective, arbeitete mit dem schwedischen Klangkünstler BJ Nilsen zusammen und war als Dirigentin tätig.

Daneben schrieb sie Musik für Theaterstücke, Filme (neben „Joker“ auch „Sicario 2“) und Serien. Der von ihr komponierte Soundtrack zur Miniserie „Chernobyl“ wurde im Vorjahr bei den Emmys ausgezeichnet. Seit 2007 hat Gudnadottir zudem vier Soloalben herausgebracht, auf denen sie neben Cello auch Harfe, Viola und Vibraphon spielt.

Bei „Joker“ holte Regisseur Todd Philips die Isländerin an Bord, als er noch das Drehbuch schrieb. Die Arbeiten am Soundtrack hätten eineinhalb Jahre gedauert, sagte Gudnadottir der „taz“. Zum Start der Dreharbeiten sei die Musik bereits fertig gewesen: „Sie haben die Musik am Set benutzt. So konnte sie Einfluss nehmen auf das Spiel und auf die Kinematografie. Alle Elemente konnten gemeinsam wachsen“, so Gudnadottir. Ihre Oscar-Nominierung werfe ein Licht auf die Lage der Frauen in der Filmindustrie, speziell im Bereich Filmmusik, sagte Gudnadottir dem Onlinemagazin Deadline. „Es ist schon ein wenig verrückt, wie wenige wir sind“, so Gudnadottir, die in der langen Geschichte der Oscars erst die siebente Komponistin überhaupt ist, die Chancen auf den Filmmusik-Oscar hat.

Die Königin der Rockballade

In der Kategorie bester Song ist indes eine Künstlerin nominiert, deren Lieder jede und jeder wohl schon einmal gehört hat, deren Name aber wohl nur den wenigsten etwas sagt: Diane Warren. Dabei ist die 63-Jährige die Königin der Rockballade. Aus ihrer Feder stammen Songs wie „Because You Loved Me“ (gesungen von Celine Dion) und Aerosmiths „I Don’t Want To Miss A Thing“.

Songwriterin Diane Warren
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Warren, die Königin der Rockballade, hatte bei den Oscars bisher immer das Nachsehen

Warren war bereits zehnmal für die Oscars nominiert – so oft wie noch keine andere Künstlerin –, prämiert wurde die US-Amerikanerin aber bisher nicht. Ihre erste Niederlage musste sie 1987 einstecken. Damals zog ihr für die Band Starship geschriebener Song „Nothing’s Gonna Stop Us Now“ (aus dem Film „Mannequin“) den Kürzeren gegen das Titellied aus „Dirty Dancing“.

Die Oscar-Nacht im ORF

Die Oscar-Nacht im ORF startet in der Nacht von Sonntag auf Montag um 0.50 Uhr in ORF1. Ab 2.00 Uhr wird die Zeremonie live übertragen. ORF.at begleitet die Gala mit einem Liveticker. Montagabend bringt der „kulturMontag“ einen Nachbericht zur Preisverleihung – alle Infos zur Oscar-Berichterstattung des ORF in tv.ORF.at.

Ob sich die Songschreiberin heuer durchsetzen kann, ist ungewiss. Einerseits, weil die Konkurrenz stark ist – unter anderem rittert heuer Elton John um den besten Song. Andererseits stammt Warrens nominierter Song „I’m Standing With You“ aus dem christlichen Drama „Breakthrough“; ein in einen gefrorenen See eingebrochener Jugendlicher wird dank der Kraft von Gebeten gerettet. Sie sei schon oft im Dolby Theatre in Los Angeles gesessen, wo die Oscars vergeben werden, sagte Warren dem „Guardian“. „Ich will mich nicht beschweren, sondern bin wirklich dankbar … aber es wäre großartig, dieses Mal zu gewinnen.“

Gespanntes Warten auf Eilish-Performance

Gespannt gewartet wird auf die Performance von Billie Eilish. Das Wunderkind des Pop gelang bei den diesjährigen Grammys ein historischer Triumph, als sie sich in allen vier Hauptkategorien durchsetzte. Zudem wurde bekannt, dass die 18-Jährige den Titelsong zum nächsten James-Bond-Film beisteuern wird.

Gerüchten zufolge könnte Eilish den Song bereits am Sonntag in Los Angeles präsentieren. Spekuliert wurde zudem, dass der Popstar die Zeremonie, die heuer wieder ohne Moderation über die Bühne geht, eröffnen könnte. Manche US-Medien berichteten auch, Eilish könnte das Segment „in memoriam“ begleiten, Hollywoods Tribut an die im Vorjahr verstorbenen Filmschaffenden.

Singer-songwriter Billie Eilish
APA/AFP/Robyn Beck
Um Billie Eilishs Auftritt bei der Oscar-Gala ranken sich Spekulationen

Das Engagement von Eilish wird als Versuch der Oscar-Akademie gesehen, die Preisverleihung einem jüngeren Publikum schmackhaft zu machen. Eine weitere Chance für eine denkwürdige Performance hat das Organisationsteam nach Ansicht des „Rolling Stone“ unterdessen vergeben. In der Neuauflage des Disney-Klassikers „Der König der Löwen“ hat Beyonce Knowles-Carter nicht nur eine Sprechrolle, sie sang auch das Lied „Spirit“ – der zur Überraschung vieler in der Kategorie bester Song übergangen wurde.