Bundeskanzler Sebastian Kurz in Brüssel
APA/AFP/Kenzo Tribouillard
Kurz zu Causa WKStA

„Gewisse Prozesse hinterfragen“

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will in einem Hintergrundgespräch nicht, wie von den Medien kolportiert, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als ein Netzwerk roter Staatsanwälte bezeichnet haben, die einseitig in Richtung der ÖVP ermitteln. Aber „gewisse Prozesse“ müsse man hinterfragen, sagte er am Mittwoch in Brüssel.

Kurz hatte laut einem Bericht des „Falter“ in einem nicht zur Berichterstattung gedachten Hintergrundgespräch mit Journalisten und Journalistinnen die WKStA attackiert und sinngemäß als Netzwerk roter Staatsanwälte bezeichnet. Gefallen seien die Aussagen des Bundeskanzlers in einem Hintergrundgespräch „off records“ (also nicht zur Zitierung freigegeben) am 20. Jänner in der Politischen Akademie der ÖVP. Der „Falter“, der zwar eingeladen wurde, aber wegen eines anderen Termins nicht dabei war, machte die Aussagen nun in einem Leitartikel unter Berufung auf anwesende Journalisten öffentlich.

Kurz beschwerte sich laut Leitartikel insbesondere über das Vorgehen gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) in der Causa rund um die Casinos Austria AG (CASAG). Die WKStA ermittelt unter anderem gegen frühere ÖVP- und FPÖ-Politiker wegen des Verdachts der Bevorzugung des Glücksspielkonzerns Novomatic bei Glücksspiellizenzen im Abtausch für die Bestellung des Wiener FPÖ-Politikers Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria.

Kurz über Führungsfunktionen und Vertrauen in WKStA

Der Bundeskanzler wollte zunächst keine Stellungnahme abgeben, reagierte aber in Brüssel. Kurz wollte das nicht so formuliert haben wie kolportiert und sagte: „Aber dass es immer wieder im öffentlichen Dienst politische Parteien gibt, die versuchen, Personen, die ihnen nahestehen, in Führungsfunktionen zu bringen, das ist ja, glaube ich, in der österreichischen Verwaltung immer mal wieder schon vorgekommen und in anderen Ländern auch“, so der Kanzler nach einem Gespräch mit EU-Ratspräsident Charles Michel über das nächste EU-Budget.

Auf die Frage, ob er Vertrauen in die Korruptionsstaatsanwaltschaft habe, antwortete Kurz, dass er „Vertrauen in den österreichischen Rechtsstaat“ habe. Der Bundeskanzler wies darauf hin, dass es immer wieder Regeln gegeben haben, „gewisse Institutionen“ nicht zu kritisieren, wie zum Beispiel lange Zeit die Katholische Kirche. „Das war sakrosankt“, so Kurz. In den letzten Jahrzehnten habe sich das verändert, und es dürfe auch kritische Diskussion darüber geben. Das sei zum Beispiel nach den Missbrauchsfällen der Fall gewesen.

Kanzler Kurz äußert sich in Causa WKStA

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) soll sich in einem Hintergrundgespräch über die Korruptionsstaatsanwaltschaft empört haben. Der Kanzler dementierte die Aussage am Mittwoch.

Er bezeichnete es als „Glück, in einem Land leben zu dürfen, das einen funktionierenden Rechtsstaat“ habe und eine „funktionierende Demokratie“ sei. „Wir haben auch eine gut funktionierende Justiz in Summe, aber ich glaube, dass durchaus es legitim sein muss, gewisse Prozesse zu hinterfragen“, so Kurz. Er nannte als Beispiel das Vorgehen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Da habe eine Hausdurchsuchung stattgefunden, „die es so nicht geben hätte dürfen“. Es sei sinnvoll, noch einmal zu hinterfragen, warum das der Fall gewesen sei und was man tun könne, damit so etwas nicht mehr vorkomme, so der ÖVP-Politiker.

„Einige Fragen zu klären“

In dem Hintergrundgespräch will Kurz gesagt haben, was er auch „jederzeit öffentlich gerne“ sagen könne – „nämlich, dass es wichtig ist, dass es eine unabhängige Justiz gibt, dass es wichtig ist, dass die Justiz auch das Vertrauen aller hat“. Er glaube, dass es „einige Fragen zu klären“ gebe, insbesondere ob es gelingen könne, dass die Verfahrensdauer kürzer werde. „Wir haben immer wieder die Situation, dass Personen sehr, sehr lange Beschuldigte sind, dass es sehr lange braucht, bis Anklage erhoben wird, oftmals nichts herauskommt.“

Es sei wichtig, dass „Personen, die sich etwas zuschulden kommen haben lassen, schnell verurteilt werden, schnell angeklagt werden, aber dass Personen, die sich nie etwas zuschulden kommen haben lassen, nicht jahrelang oder vielleicht sogar ein Jahrzehnt lang als Beschuldigte geführt werden und dann Probleme in ihrem privaten Fortkommen haben“, sagte Kurz.

Darüber hinaus sei „immer wieder die Situation aufgetreten, dass Daten und Informationen zu Verfahren an die Öffentlichkeit geraten“ seien und man „nach wie vor“ nicht wisse, wie es dazu komme, so der Kanzler. Für unabhängige Verfahren sei es wichtig, dass diese nicht öffentlich geführt werden. „Das sind alles Themen, die glaube ich, zu Recht diskutiert werden müssen“, stellte er fest.

Zadic stellte sich hinter WKStA

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) habe sein volles Vertrauen und leiste „gute Arbeit“, so Kurz. Wenn es das Potenzial gebe, dass die unabhängige Justiz besser werde, werde sie alles dafür tun, dass dieses ausgeschöpft werde, ist er überzeugt. Zadic hatte sich am Mittwoch hinter die WKStA gestellt.

Sie sagte am Mittwoch, dass sie die kolportierten Aussagen nicht verifizieren und daher nicht bewerten könne. „Die Gespräche, die ich in den letzten Wochen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen durfte, bestätigen mir, dass die WKStA objektiv und unabhängig von der Parteizugehörigkeit ermittelt und arbeitet“, sagte Zadic. Außerdem erinnerte sie daran, dass ÖVP und Grüne im Regierungsprogramm die „Stärkung der Korruptionsbekämpfung“ vereinbart haben.

SPÖ fordert Entschuldigung

Empört über die kolportierten Aussagen des Kanzlers zeigte sich die SPÖ. Deren Fraktionsvorsitzender im Casinos-Untersuchungsausschuss, Jan Krainer, fordert Kurz auf, sich öffentlich zu entschuldigen. Der Justiz parteipolitische Motive zu unterstellen sei „unfassbar“. Außerdem habe es in den letzten zwölf Jahren ausschließlich „schwarze Justizminister gegeben“. „Wenn der Rechtsstaat derartig diskreditiert, angepatzt und verleumdet wird, ist das eine besonders gefährliche Form des Populismus“, so Krainer.

NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper warf Kurz ein „brandgefährliches Verhalten“ vor: „Die Korruptionsjäger, die ‚Ibiza‘ aufklären, sollen systematisch in der Öffentlichkeit diskreditiert und in ihrer Arbeit behindert werden.“

Bestärkt fühlte sich durch die Aussagen von Kurz dagegen Karl Baron, Klubobmann der Wiener FPÖ-Abspaltung DAÖ und Unterstützer von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, einem der Beschuldigten in der Casinos-Affäre. „Selbst wenn diese Aussagen ‚off records‘ gefallen sind, hat der Bundeskanzler damit die von SPÖ und Grünen forcierte Teilunterwanderung unseres Rechtsstaates eindeutig bestätigt“, befand Baron.