Ampulle mit 2019-nCoV Aufkleber
Reuters/Dado Ruvic
Gesundheit

Coronavirus soll offiziellen Namen erhalten

Zehntausende Infektionen allein in China, abgeschottete Landesteile, Reisewarnungen und Rückholaktionen: Seit bald drei Wochen sorgt das neuartige Virus für weltweite Aufregung. Dabei hat die als Coronavirus bekannte Erkrankung noch gar keinen offiziellen Namen – das soll sich demnächst ändern.

Denn: Die Bezeichnung Coronavirus ist zu unkonkret – diese umfasst immerhin eine große Familie von Viren. Diese haben ihren Namen von ihrem kronenartigen Aussehen, das unter dem Mikroskop sichtbar wird. Die BBC berichtete nun aber, dass eine Gruppe an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bereits kurz davor stehe, einen offiziellen Namen zu verkünden.

Dass sich die Namensfindung so in die Länge zieht, habe triftige Gründe: „Die Benennung eines neuen Virus ist oft etwas verzögert, und der Fokus lag bisher auch auf der öffentlichen Gesundheit, was verständlich ist“, sagt Crystal Watson vom Johns Hopkins Center for Health Security gegenüber der BBC. „Aber es gibt auch Gründe dafür, dass die Namensfindung eine Priorität darstellen soll“, so die Forscherin weiter.

Expertin über inoffizielle Namen besorgt

Um das Virus zu abzugrenzen, bezeichneten Wissenschaftler es bisher als neuartiges oder neues Coronavirus. Dabei erhielt es zwischenzeitlich auch den eher komplizierten Namen 2019-nCoV. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfahl den provisorischen Namen, der sich aus dem Jahr, in dem das Virus entdeckt wurde, sowie aus dem Buchstaben „n“ für „neu“ oder „neuartig“ und aus „CoV“ für Coronavirus zusammensetzt.

Computerdarstellung des Coronavirus (2019-nCoV)
AP/CDC
Eine Illustration von 2019-nCoV

„Der Name, den es aktuell hat, ist nicht einfach anzuwenden – Medien sowie die Öffentlichkeit nutzen eher andere Bezeichnungen für das Virus“, sagte Watson zudem. „Die Gefahr, wenn es noch keinen offiziellen Namen gibt, ist, dass die Leute anfangen, Begriffe wie China-Virus zu verwenden, und das kann zu Anfeindungen gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen führen“, so die Forscherin zudem. Durch Soziale Netzwerke würden inoffizielle Namen sich noch schneller verbreiten und dadurch noch schwerer aus der Welt zu schaffen sein, so die Expertin.

Chinesen unter Generalverdacht

Die Angst vor dem neuen Coronavirus führte indes bereits zu Ausgrenzung und Stigmatisierung von Chinesinnen und Chinesen – auch Menschen mit asiatischen Wurzeln sind betroffen. „Die jüngsten Anfeindungsfälle und die fremdenfeindlichen Äußerungen in einzelnen Medien haben nach dem Coronavirus-Ausbruch zugenommen und sind besorgniserregend“, teilte zuletzt die chinesische Botschaft in Berlin mit.

Auch in Italien häuften sich solche Vorfälle. Vergangene Woche hing vor einer Bar am Trevi-Brunnen in der Hauptstadt Rom ein Schild, das Chinesen den Eintritt verbot. In Frankreich rief eine junge Frau asiatischer Abstammung zudem den Hashtag „#JeNeSuisPasUnVirus“ (Ich bin kein Virus) ins Leben, um sich gegen Ausgrenzung zu wehren.

„Schweinegrippe“ als Negativbeispiel

Zuständig für die formelle Namensfindung des Virus ist das Internationales Komitee für die Taxonomie von Viren (ICTV). Frühere Epidemien dienen dem Team dabei als Warnungen. Ein Beispiel: Das H1N1-Virus wurde 2019 unter dem Namen „Schweinegrippe“ bekannt. In Ägypten wurden deshalb alle dort befindlichen Schweine geschlachtet – und das, obwohl das Virus von Menschen übertragen wird, nicht von Schweinen.

Doch auch offizielle Namen bergen Gefahren. Die WHO kritisierte 2015 beispielsweise den Namen MERS (Middle East respiratory syndrome coronavirus) – wortwörtlich übersetzt bedeutet dieser „Nahost-Atemwegssyndrom-Coronavirus“.

„Wir haben festgestellt, dass bestimmte Namen von Erkrankungen Anfeindungen gegen Mitglieder bestimmter religiöser oder ethnischer Gemeinden zur Folge haben, was unberechtigterweise zu Reise- sowie Handelsbeschränkungen führt und zum unnötigen Schlachten von zur Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren animiert“, hieß es damals in einer Stellungnahme.

Neue Richtlinien

Aufgrund der verheerenden Auswirkungen diskriminierender Namen wurden deshalb Richtlinien herausgegeben. Diesen zufolge darf ein Name für das neuartige Virus weder Orts- noch Volksnamen enthalten. Ebenso abgelehnt werden Tiernamen oder Lebensmittelbezeichnungen sowie Bezüge zu bestimmten Kulturen oder Industrien. Ein Name soll zudem kurz und beschreibend sein – wie etwa SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome).

Damit der Name auch im Gedächtnis bleibt, braucht es einen Aufhänger, erklärt der Virologe Benjamin Neuman, der Teil einer ICTV-Forschungsgruppe ist, im BBC-Interview. „Er muss leichter von der Zunge gehen als alle anderen Begriffe, die herumschwirren“, so Neuman. Laut BBC-Informationen habe das Team vor etwa zwei Wochen damit begonnen, über einen Namen zu debattieren. Zwei Tage später legte es sich bereits auf einen fest. Dieser wurde nun an ein wissenschaftliches Magazin zur Veröffentlichung weitergegeben und soll – wenn es nach den Forschern geht – schon bald verkündet werden.