Alma Zadic
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Zadic zu Justizdebatte

„Aussprache“ am Montag

Nach der Kritik an den kolportierten Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zur Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wird es laut Justizministerin Alma Zadic (Grüne) eine „allgemeine Aussprache“ mit der Standesvertretung der Staatsanwälte geben. Das teilte Zadic am Donnerstag in einer schriftlichen Stellungnahme mit. Stattfinden wird die „Aussprache“ am Montag im Bundeskanzleramt.

Kurz sei Mittwochabend an sie herangetreten, berichtete Zadic – und man habe das Treffen mit den Staatsanwälten vereinbart. In dieser Aussprache sei es ihr vor allem ein Anliegen, „unsere im Regierungsprogramm vereinbarten Punkte im Detail zu besprechen, um die Maßnahmen für unser gemeinsames Ziel einer gestärkten Korruptionsbekämpfung auf den Weg zu bringen“. Der Termin ist für Montag, 10.00 Uhr, im Bundeskanzleramt angesetzt.

Zadic bekräftigte neuerlich, dass sie „nach zahlreichen Gesprächen mit den MitarbeiterInnen der WKStA vollstes Vertrauen habe, dass hier objektiv und unabhängig gearbeitet wird“. Und sie zeigte sich „naturgemäß mehr als bereit, in ausführlichen Gesprächen mit dem Bundeskanzler“ über die bessere finanzielle Ausstattung der Justiz zu beraten. Die brauche es, um die effiziente Ermittlungstätigkeit zu stärken. Nur eine finanziell und personell gut abgesicherte Justiz könne schnelle, objektive und unabhängige Arbeit leisten.

Justiz-Ministerin Alma Zadic.
APA/AFP/Denis Lovrovic
Zadic stellte sich am Donnerstag neuerlich hinter die WKStA

Kurz kündigte „runden Tisch“ an

Kurz hatte am Donnerstag einen „runden Tisch“ im Bundeskanzleramt angekündigt, an dem auch Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) – die selbst Staatsanwältin bei der WKStA war –, Zadic sowie Standesvertreterinnen und -Vertreter teilnehmen sollten. Thema des Treffens sollten „Defizite und Verbesserungspotenziale“ in der WKStA sein.

Bericht stellt WKStA positives Zeugnis aus

Die Oberstaatsanwaltschaft Wien stellt der WKStA ein sehr gutes Zeugnis aus. Das zeigt ein bisher unveröffentlichter Bericht aus dem Jahr 2018, den die ZIB2 einsehen konnte.

„In der Causa WKStA bleibe ich dabei, dass es legitim ist, bestimmte Abläufe und Prozesse kritisch zu hinterfragen, denn eine unabhängige und funktionierende Justiz ist ein wesentlicher Bestandteil unseres demokratischen Rechtsstaats“, sagte Kurz.

Kurz: „Lange Tradition von parteipolitischen Besetzungen“

Beim „runden Tisch“ sollten laut Kurz mehrere Themen angesprochen werden. „Welche Maßnahmen können gesetzt werden, damit Schuldige schneller bestraft werden und Unschuldigen nicht zu lang etwas Unrechtes vorgeworfen wird, wodurch diese massive Nachteile insbesondere in ihrem Berufsleben in Kauf nehmen müssen“, so Kurz am Donnerstag im Hinblick auf das Thema Verfahrensdauer. Punkto Vertrauen geht es laut Kurz um die Frage, wie „die anscheinend gravierenden Unstimmigkeiten, Anschuldigungen, Anzeigen und öffentlich ausgetragenen Konflikte zwischen der WKStA und den Oberbehörden endgültig gelöst werden, damit das Vertrauen in die Justiz nicht weiter leidet“.

In Sachen Objektivität will Kurz laut eigenen Aussagen parteipolitische Besetzungen verhindern. „Es gibt eine lange Tradition und gelebte Praxis von parteipolitischen Besetzungen in Teilen der österreichischen Verwaltung. Wie kann gerade im sensiblen Bereich der Korruptionsstaatsanwaltschaft sichergestellt werden, dass Derartiges insbesondere dort nicht stattfindet?“

Darüber hinaus brauche es eine entsprechende finanzielle Ausstattung der Justiz. „Ich bin überzeugt, dass eine sachliche und faktenbasierte Debatte ohne Tabus zu einer Stärkung sowie Objektivität der Justiz und ihrer Arbeit führen wird.“ Erst im Vorjahr sagte der damalige Justizminister Clemens Jabloner, dass der Justiz allein für die Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs über 90 Mio. Euro fehlten. Seit 2013 hat die Justiz jährlich mehr Geld ausgegeben als im Budgetentwurf ursprünglich vorgesehen.

Reaktion auf Hintergrundgespräch

Kurz hatte laut einem Bericht des „Falter“ in einem nicht zur Berichterstattung gedachten Hintergrundgespräch im Zusammenhang mit den Ermittlungen rund um die Causa Casinos und gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) mit Journalisten und Journalistinnen die WKStA attackiert und sinngemäß als Netzwerk roter Staatsanwälte bezeichnet. Kurz wollte zuerst keine Stellungnahme abgeben, reagierte aber am Rande der Budgetgespräche am Mittwoch in Brüssel.

Kanzler Kurz äußert sich in Justizdebatte

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) soll sich in einem Hintergrundgespräch über die Korruptionsstaatsanwaltschaft empört haben. Der Kanzler dementierte die Aussage am Mittwoch.

Kurz sagte, dass er in dem Hintergrundgespräch das gesagt habe, „was ich auch jederzeit öffentlich gerne sagen kann, nämlich dass es wichtig ist, dass es eine unabhängige Justiz gibt“. Die Formulierung der Kritik bestätigte Kurz nicht, er sagte jedoch: „Dass es immer wieder im öffentlichen Dienst politische Parteien gibt, die versuchen, auch sozusagen Personen, die ihnen nahestehen, in Führungsfunktionen zu bringen, das ist ja, glaube ich, in der österreichischen Verwaltung immer mal wieder schon vorgekommen und in anderen Ländern auch“ – Audio dazu in oe1.ORF.at.

WKStA: „Verwehren uns gegen öffentliche Spekulationen“

Die WKStA wies den Vorwurf des parteipolitischen Handelns in der Causa Casinos am Donnerstag erneut scharf zurück. „Wir verwehren uns gegen unsubstanziierte, öffentliche Spekulationen, die den Vorwurf der Verletzung des Amtsgeheimnisses und den Anschein parteipolitischen Handelns in den Raum stellen, und weisen diese entschieden zurück.“ Die WKStA entziehe sich aber keiner sachlichen Kritik, hieß es.

WKStA Wien
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Die WKStA wies die Vorwürfe parteipolitischen Handelns erneut scharf zurück

Als Staatsanwaltschaft sei man schon von Gesetzes wegen zur Objektivität und Wahrheitsforschung verpflichtet (§ 3 StPO) und unterliege sowohl der Kontrolle der unabhängigen Gerichte als auch der Fachaufsicht durch die Oberstaatsanwaltschaft Wien. „Wir treffen unsere Entscheidungen sachlich, unvoreingenommen und frei von medialer, politischer oder sonstiger Beeinflussung. Wir orientieren uns an dem Berufskodex der Staatsanwälte (…), welcher auch eine Enthaltung von jedweder parteipolitischen Tätigkeit vorsieht.“

In der Stellungnahme wurde zudem betont, dass die Leiterin der WKStA, Ilse Vrabl-Sanda, kein Mitglied einer Partei sei und kein Naheverhältnis zu einer solchen habe.

Auch Staatsanwälte forderten Gespräch

Ein Gespräch gefordert hatten die Staatsanwälte unterdessen bereits am Mittwoch. Die Präsidentin der Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Cornelia Koller, forderte gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), Christian Haider, „dringend“ ein Gespräch mit Kurz. Man wolle sich „Klarheit über das Geschehene und die damit verfolgten Motive verschaffen“.

Koller sagte am Donnerstag, dass sie zu einem persönlichen Gespräch mit Kurz geladen sei. Vom „runden Tisch“ im Kanzleramt wusste sie nur aus Medien, so Koller. Auch die Richtervereinigung trat „pauschalen Unterstellungen“ gegen die Justiz entgegen. Solche könnten „zum Verlust des Vertrauens der Bevölkerung in den Rechtsstaat führen“, so Präsidentin Sabine Matejka in einer Stellungnahme. „Dem muss entgegengetreten werden“, sagte Matejka in der Stellungnahme, die auch dem Kanzler übermittelt wird.

Justizministerium jahrelang in ÖVP-Hand

Im Ö1-Mittagsjournal sagte Matejka, sie könne die Vorwürfe von Kurz zu parteipolitischen Besetzungen auch insofern nicht nachvollziehen, da der Justizminister zuletzt etliche Jahre von der ÖVP nominiert worden sei. Die Richtervereinigung verlange aber schon seit Längerem mehr Transparenz bei Personalentscheidungen in der Staatsanwaltschaft.

Derzeit gibt es zunächst einen Reihungsvorschlag einer Personalkommission, die Entscheidung fällt dann aber der Minister. Die Richter fordern zumindest eine Begründungspflicht, wenn die Entscheidung vom Vorschlag des Personalsenats abweicht – Audio dazu in oe1.ORF.at.

WKStA-Kritik von Kurz: „Aussprache“ im Kanzleramt

In der Diskussion rund um die Kritik von Bundeskanzler Sebastian Kurz an der WKStA wird es am Montag eine „Aussprache“ im Kanzleramt geben.

NEOS sieht Düpierung von Justizministerin

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger bezeichnete die Einladung zu einem „runden Tisch“ im Kanzleramt in einer ersten Reaktion auf Twitter als „absurd“. Später schrieb sie in einer Aussendung: „Erst schießt der Kanzler in einem Hintergrundgespräch die unabhängige Justiz mutwillig an, dann will er die Probleme, die er selbst geschaffen hat, lösen und führt damit die zuständige Justizministerin vor. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft und die Justiz als Ganzes brauchen ein klares Bekenntnis zur Unabhängigkeit und deutlich mehr Ressourcen.“

SPÖ fordert Entschuldigung von Kurz

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim forderte unterdessen eine Entschuldigung von Kurz, sollte er bei dem Hintergrundgespräch diese Aussagen tatsächlich getroffen haben. „Diese roten Netzwerke gibt es nicht“, so Yildirim. Die Aussprache mit den Staatsanwälten begrüßte sie, den Sinn des „runden Tischs“ verstehe sie jedoch nicht. „In erster Linie ist es für die österreichische Öffentlichkeit entscheidend, dass sich der Kanzler entschuldigt.“ Darüber hinaus solle Kurz nicht „bevormundend einschreiten“ und lieber „die Justizministerin arbeiten lassen“.

Yildirim warnte auch vor einer Beschneidung der WKStA-Kompetenzen. Zur Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft fordert die SPÖ die Übertragung des Weisungsrechts vom Justizministerium auf einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt.

Kickl ortet „Flucht nach vorne“

Die FPÖ ortete eine „Flucht nach vorne von jemandem, der ertappt worden ist“. Das sagte Klubchef Herbert Kickl im Ö1-Radio in Anspielung auf die vom „Falter“ veröffentlichten Inhalte des Hintergrundgesprächs.

In einer Aussendung ergänzte er, dass die kolportierten Aussagen von Kurz zu jener Strategie passen würden, „die die ÖVP seit Beginn des BVT-Untersuchungsausschusses immer dreister betreibt und deren Ziel die Knebelung der WKStA ist“. Es sei zu befürchten, „dass die ÖVP nach der berüchtigten ‚Message Control‘ jetzt auch eine ‚Justice Control‘ einführen will“, so Kickl.

ÖVP zu SPÖ und NEOS: „Schiefe Optik“

Kritik an SPÖ und NEOS übte ÖVP-Justizsprecher Wolfgang Gerstl. Dass sich die SPÖ und NEOS gegen das Vorhaben von Kanzler Kurz stellten, „einen runden Tisch in der Causa WKStA abzuhalten, schafft eine sehr schiefe Optik“, so Gerstl. Die Opposition ignoriere damit den guten Weg der Gesprächsbereitschaft in Österreich, so Gerstl in einer Aussendung.